Angebotskommunikation

Abschied vom Prospekt: "Händler sollten aktuell noch zweigleisig fahren"

31.01.2023 - Immer mehr Händler werfen gedruckte Prospekte aus ihrem Marketingmix und verweisen dabei auf das veränderte Konsumverhalten. GfK-Daten zeigen jedoch, dass der Handzettel-Abschied zu voreilig sein könnte und auch digitale Alternativen gut durchdacht sein müssen.

von Frauke Schobelt

Der Trend ist eindeutig: Die Liste der Händler, die für ihre Angebotskommunikation gänzlich auf gedruckte Prospekte verzichten oder deren Umfänge deutlich reduzieren, wird immer länger. Stattdessen bewerben sie ihre Angebote verstärkt in eigenen digitalen Kanälen und Messengern wie Whatsapp (Rewe   , Toom   , Aldi Süd   ) oder eigenen Apps - wie die Baumarktkette OBI (siehe Interview Die neue Printstrategie von OBI: "Unsere Werbung soll einen Mehrwert liefern"   ). Auf die eigene App baut auch der Discounter Mäc-Geiz   , der seit Anfang 2023 gänzlich auf gedruckte Werbeprospekte verzichtet. Bislang verteilte das Unternehmen pro Jahr noch rund 90 Millionen Print-Werbeprospekte an deutsche Haushalte.

Künftig will der Händler seine Angebote vor allem über die Mäc-Geiz-App, den Newsletter und die eigene Website kommunizieren. "Wir sprechen unsere Kunden direkt über die Medien an, die sie auch im Alltag nutzen", sagt Matthias Leibe, Marketingleiter bei Mäc-Geiz. "Besonders die Mäc-Geiz-App hat sich seit ihrem Start vor zwei Jahren zu einem unverzichtbaren Kommunikationsinstrument entwickelt. Die stetig steigenden Zugriffs-, Download- und Abonnentenzahlen zeigen, dass die digitale Angebotskommunikation für uns die Zukunft ist."

Zu Angeboten, Vorteilsaktionen und Rabatten hält das Unternehmen seine KundInnen zudem über Radio und Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram und seit kurzem auch TikTok auf dem Laufenden. "Printwerbung hat zuletzt stärker an Kundeninteresse verloren, während unsere digitalen Kanäle zunehmend wachsen", so Matthias Leibe. Ein Argument, das auch andere Händler anführen, die Prospekte aus ihrem Marketingmix tilgen. Leibe zufolge bieten die digitalen Angebote den KundInnen im Gegensatz zu gedruckten Handzetteln " einen erheblichen Mehrwert". So könnten die NutzerInnen eine digitale Einkaufsliste anlegen, Prämien und Punktegutschriften sammeln sowie die Route zur nächsten Filiale, Service-Videos oder Informationen zur Verfügbarkeit bestimmter Artikel aufrufen. "Zudem können Werbeangebote und Rabatte online viel schneller kommuniziert werden. So sind wir in der Lage, unsere Angebote flexibler an die Kundenbedürfnisse anzupassen - was bei Print-Prospekten aufgrund langer Vorlaufzeiten so nicht möglich ist."

Neben dem veränderten Konsumentenverhalten werden als Argument für das Prospekt-Aus meist auch Nachhaltigkeitsaspekte genannt. Mit dem Verzicht auf gedruckte Handzettel könne etwa Mäc-Geiz künftig mehr als 1.400 Tonnen Papier einsparen - was rund 440 Millionen DIN-A4-Seiten beziehungsweise knapp 3.000 Tonnen Holz entspreche. "Jahrzehntelang waren Papier-Werbeprospekte für die Verbraucherinnen und Verbraucher ein fester Bestandteil bei der wöchentlichen Einkaufsplanung", sagt Kay Linke, CEO von Mäc-Geiz. "Doch besonders in Städten nimmt die Zahl der Print-Werbeverweigerer immer weiter zu." Ein Großteil der gedruckten Handzettel lande jedoch häufig direkt ungelesen im Altpapier. "Diese Entwicklung, die gestiegenen Papier-, Druck- und Logistikkosten sowie der erhebliche Mehrwert in Bezug auf den Informationsgehalt digitaler Angebote für unsere Kunden haben uns darin bestärkt, die Verteilung von Print-Prospekten einzustellen und stattdessen unsere Online-Kommunikation und Radiowerbung weiter auszubauen."

Rewe verzichtet ab Juli auf Handzettel. (Bild: Rewe)
Rewe verzichtet ab Juli auf Handzettel.

Der Lebensmittelkonzern Rewe lässt bisher wöchentlich rund 25 Millionen Papier-Handzettel verteilen. Damit ist ab 1. Juli 2023 Schluss, der Händler spare so jährlich mehr als 73.000 Tonnen Papier, 70.000 Tonnen CO2 und 380 Millionen kWh Energie ein. "Wir denken um und stellen die Angebotskommunikation für die Zukunft neu auf. Denn wir wollen die Kunden aller Altersklassen moderner und zielgerichteter über diejenigen Medien erreichen, die sie tatsächlich nutzen", erklärt Lionel Souque, Vorstandsvorsitzender der Rewe Group. Weiterhin werde es 200 Sonderangebote pro Woche für die Rewe-Kundschaft geben. Die erzielten Kosteneinsparungen will der Konzern in andere Marketingkanäle sowie Nachhaltigkeitsprojekte investerien.

Angebotskommunikation: Vier Nutzergruppen

Die Nachhaltigkeitsbemühungen kommen durchaus an bei der Kundschaft. Einer Studie der GfK   zufolge könnte der Handzettel-Abschied dennoch für viele Händler zu voreilig sein. Wie sinnvoll das Abschaffen von Prospekten ist, haben die Marktforscher mithilfe von GfK Consumer Panel Daten und einer Ad-hoc Befragung unter 1.500 KonsumentInnen erhoben. Sie unterscheiden dabei vier Zielgruppen:
  • Komplettverweigerer
  • Papierliebhaber
  • Multichannel-Fans
  • und moderne Angebotssucher
Demnach zählen aktuell nur 5 Prozent der Bevölkerung zu den "modernen Angebotssuchern", also Personen, die sich rein digital über Angebote und Produkte informieren (2018: 4 Prozent). Der Anteil an "Multichannel-Fans", die sowohl online als auch über gedruckte Handzettel nach Sonderangeboten suchen, wuchs dagegen seit 2018 deutlich von 41 Prozent auf 47 Prozent. "Diese Entwicklung zeigt, dass es eine langsame Verlagerung von Papier- zu digitalen Prospekten in der Leserschaft gibt, die in Zukunft sicherlich noch wachsen wird", so ein Fazit des GfK-Experten Daniel Schönknecht. Die "Komplettverweigerer" liegen stabil zwischen 13 Prozent und 15 Prozent. Damit mache die Gruppe der "reinen Papierliebhaber" nur noch ein Drittel des Gesamtmarkts aus.

Steigendes Risiko, Kundschaft zu verlieren

Toom verbreitet seine Angebote über Whatsapp - und Prospekte. (Bild: toom Baumarkt GmbH)
Toom verbreitet seine Angebote über Whatsapp - und Prospekte.

Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Gesamtsituation steige die Bedeutung von Angebotskommunikation in allen Zielgruppen. Mehr als 80 Prozent aller ProspektleserInnen (digital oder gedruckt) sind bereit, für den Einkauf eines Sonderangebots vom Stammgeschäft zur werbenden Einkaufsstelle zu wechseln. Zwei Drittel der Befragten nutzen Prospekte, um ihren Einkauf zu planen; 28 Prozent immerhin noch, um sich inspirieren zu lassen - "es gibt also einen direkten Zusammenhang zwischen attraktiven Angeboten und der Einkaufsstättenwahl", so Schönknecht. Damit steige für Händler, die den Papierhandzettel ersatzlos abschaffen wollen, das Risiko Kundschaft zu verlieren. Um dem entgegenzuwirken, sollten Händler auch die "reinen Papierliebhaber" berücksichtigen und entsprechende Übergangslösungen für diese anbieten, rät der Experte. Die Baumarktkette Toom hat sich für diesen Weg entschieden: Das Unternehmen verbreitet seine Angebot sowohl weiterhin über Prospekte als auch über neue Kanäle wie WhatsApp.

Laut der GfK-Studie hat der Großteil der KundInnen Verständnis für die Abschaffung papiergebundener Prospekte, was überwiegend auf Umweltaspekte zurückzuführen ist. Dies unterstreiche auch der aktuelle GfK-Nachhaltigkeitsindex. Für Händler sei es aber nach wie vor wichtig, auch diejenigen über alternative Kanäle zu erreichen, die sich bisher ausschließlich oder teilweise über Papier-Handzettel informiert haben. Um Hürden für den Wechsel zu digitalen Medien abzubauen, sollten sie zum Beispiel eigenständige Apps und mobil nutzbare Angebote weiterentwickeln und klar die nutzerfreundlichen Vorteile kommunizieren. Schönknecht: "Die Studie zeigt, dass es sinnvoll ist aktuell noch zweigleisig zu fahren, es aber trotzdem Möglichkeiten gibt, mit umweltfreundlicheren Alternativen wie Handzetteln mit einer reduzierten Seitenanzahl oder in kleinerem Papier-Format Zeichen für die Nachhaltigkeit zu setzen." Die Baumarktkette Toom geht diesen Weg: Das Unternehmen bewirbt seine Angebote über WhatsApp - und über gedruckte Prospekte.

PDFs auf der Website genügen nicht

An Online-Angeboten schätzen mehr als die Hälfte aller NutzerInnen besonders die Übersichtlichkeit sämtlicher Coupons und Rabatte ("alles auf einen Blick") und 47 Prozent die Vermeidung von Papiermüll. Besonders wichtig ist bei digitalen Angeboten die Nutzerfreundlichkeit, betont GfK-Experte Schönknecht: "Es reicht nicht, einen Link zu einer Händlerwebsite zu verschicken, auf der Kunden ihre Postleitzahl noch einmal eingeben müssen, um dann ein PDF herunterzuladen." Stattdessen erwarteten Kunden maßgeschneiderte Angebote, Suchfunktionen, Apps und moderne Funktionen. "Händler benötigen daher ein umfassendes Verständnis über die Vorlieben ihrer Handzettel-Leserschaft und wie man die Angebotskommunikation benutzerfreundlich in digitaler Form anbietet."

Jüngere KundInnen bevorzugen Apps, ältere die Papierform

Ob etwa Kunden-Apps tatsächlich den Ausstieg aus der Prospektverteilung kompensieren können, hat auch die Zeitungsmarktforschung Gesellschaft (ZMG)   untersucht und dafür rund 4.500 Personen ab 16 Jahren mit ihrem Trackinginstrument Media Monitor Handel befragt. Demnach sind die klassischen Prospekte den Apps aus Konsumentenperspektive deutlich überlegen, wenn es darum geht, keine Angebote zu verpassen und die eigene Einkaufsplanung zu unterstützen. Um zu sparen, votieren vor allem die über 50-Jährigen für die gedruckte Angebotskommunikation. Mehr als die Hälfte der Befragten findet jedoch auch Apps durchaus praktisch, weil man sie auf dem Handy immer dabei hat. Insbesondere die Jüngeren sehen die Apps hier im Vorteil gegenüber dem klassischen Prospekt.

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