02.08.2022 - Nach der Ankündigung von Obi und Rewe, Werbung per gedrucktem Handzettel einzustellen, diskutiert die Dialogbranche über die Auswirkungen. Neben prinzipiellen Verständnis mehren sich die Stimmen, Marketingverantwortlichen die Vorzüge von Printwerbung nahezubringen.
von Joachim Graf
Im Juli 2023 soll eine lange Handelstradition enden: Rewe
will dann als erster Lebensmittelhändler in Deutschland seine gedruckten Handzettel beerdigen. Bislang distribuiert er wöchentlich 25 Millionen Prospekte für seine bundesweit mehr als 3.700 Märkte. Dafür die Artikelwerbung über andere Medien ausgebaut werden. Der zweitgrößte deutsche Handelskonzern will so jährlich 73.000 Tonnen Papier nicht mehr bedrucken - und 70.000 Tonnen CO2 sowie 380 Millionen kWh Energie einsparen, wie Rewe stolz verkündet
. Rewe-Vorstandsvorsitzender Lionel Souque
begründet die Aktion gar als "solidarischer Beitrag, die herausfordernde Versorgungssicherheit bei Energieträgern in unserem Land für die Zukunft zu unterstützen".
Nach Obi ist Rewe nun der zweite große Filialist in Deutschland, der auf gedruckte Handzettel bzw. Prospekte verzichtet. "Der Stopp der Prospektwerbung ist ein konsequenter Schritt in der Digitalisierung unseres Geschäftsmodells. Wir bieten schon heute unseren Kunden mit heyOBI viel mehr, als ein Prospekt jemals leisten kann. Und das ist erst der Anfang", hatte OBI-CEO Sergio Giroldi
vor wenigen Wochen erst erklärt - mit einer fast wortgleichen Begründung: "Dass wir mit der Umstellung unserer Kommunikation viel Papier und damit einhergehend Energie, Chemie, Holz und Wasser sparen, ist zudem ein verantwortungsvoller und nachhaltiger Schritt im Sinne der Umwelt."
Bedeutet die Entscheidung der beiden Handelsgrößen den Anfang vom Ende von Printdialogmaßnahmen am POS?
Nein, mein Martin Jacobi
, Geschäftsführer der EGRO-Direktwerbung
und Vize-Präsidenten Reach beim Deutschen Dialogmarketing Verband DDV e.V
. An den grundsätzlichen Wirkungsmechanismen der Prospektwerbung hat sich schließlich "weder bei den Unternehmen noch bei den Kunden etwas geändert". Er konstatiert allerdings, dass "die seit Jahren steigenden Papierpreise gekoppelt mit einer weiteren Erhöhung des Mindestlohns, die derzeit die für die Briefkastenwerbung einkalkulierten Etats noch einmal erheblich verändern" werden.
Doch auch andere Argumente sprechen für die Entscheidung von Rewe und Obi
: "Für Printwerbung, wie sie OBI in der Vergangenheit betrieben hat - also mit der Gießkanne, gibt es tatsächlich nur wenige Argumente", meint beispielsweise der Vertriebsexperte Oliver Eckelhart
.
Martin Jacobi räumt ebenfalls ein: Wir können uns nicht vor der Digitalisierung verschließen. Und das sollten wir auch nicht, denn in der Kombination mit einer digitalen Verlängerung wirken Prospekte noch einmal deutlich besser. Allerdings hat die Branche aus dieser Chance selbst bisher zu wenig gemacht: Diese Diskussion müssen wir jetzt mit den Werbungtreibenden führen."
Dem stimmt auch Rudiger Maaß
zu. Der Geschäftsführer bei Fachverband Medienproduktion e.V.
argumentiert: "Dieser Anlass sollte nicht dazu genutzt werden, einen Werbungtreibenden zu kritisieren, sondern um unsere eigenen Hausaufgaben zu machen." Er ist enttäuscht: "Warum hat noch niemand OBI aufgeklärt, dass über Kundenkarten und vollindividualisierte Print-Push-Werbung ein toller Erfolg möglich ist? Warum argumentiert OBI mit der "Umwelt"? Kann es sein, dass unsere Branche nicht richtig aufgeklärt hat, wie nachhaltig Print eigentlich ist?"
Print-Prospekte würden in einem Kreislaufsystem höchst professionell recycelt und sind weitaus weniger umweltschädlich als von Umweltlobbyisten behauptet wird, argumentiert auch Martin Jacobi: "Überdies wird die Umweltlobby auch nicht müde, immer wieder fälschlicherweise zu behaupten, dass Print-Prospekte von den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht gewünscht sind und ungelesen entsorgt werden."
Tatsächlich aber zeigten aktuelle Studien, dass drei Viertel der deutschen Konsumentinnen und Konsumenten mindestens einmal wöchentlich Prospekte nutzen, um den Wocheneinkauf zu planen, Neuheiten zu entdecken, Preise zu vergleichen oder sich inspirieren zu lassen.
Rudiger Maaß argumentiert für Programmatic Printing
und betont: "Da stehen wir auch als Branchenvertreter in der Verantwortung. Wir sehen durchaus die Chance, dass die kriselnde Konjunktur viele Werbungtreibende im Kampf um die preisempfindliche Kundschaft stärker zum Einsatz von Prospektwerbung bringen könnte."
Allerdings sollte man sich nicht auf diesem kurzfristigen Effekt ausruhen. Werbungtreibende, die sich ausschließlich auf einen Kanal zu den Kunden verlassen, "werden langfristig nicht erfolgreich sein. Die Kombination aus Fast-Marketing durch Print und einer Verlängerung in die digitalen Kanäle wird zunehmend zur Pflicht." Zur besseren Werbewirkung könnten allerdings auch die Marketer mit ein bisschen mehr Mut zur eigenen Handschrift beitragen. Heute ist einfach mehr Individualität gefragt. Es kann nicht sein, dass bis zu fünf Fachhandelsprospekte im Briefkasten liegen und alle sehen gleich aus."
Bei Rewe stand der traditionelle Handzettel schon länger auf dem Prüfstand. Im Rahmen eines Tests wurde entschieden, Print als "energie- und CO2-intensives Medium" durch verstärkte Preiskommunikation über digitale Kanäle und Anzeigen in klassischen Medien zu ersetzen. In Zukunft soll es die über 200 REWE-Sonderangebote nicht mehr gedruckt geben, sondern auf digitalen Kanälen, wie beispielsweise der Rewe-App. Kosteneinsparungen aus der Einstellung des Papier-Handzettels sollen in andere Medien für die Angebotskommunikation investiert werden. Ebenso soll die digitale Version des Handzettels
bestehen bleiben.
Auch bei Obi soll der künftige Schwerpunkt der Kundenkommunikation die individualisierte Ansprache und Beratung über die heyOBI App
erfolgen. Hier sollen Kunden direkt mit den Expertinnen und Experten vor Ort vernetzt werden und ein "durchgängiges und persönliches Kundenerlebnis" geschaffen werden. Die Weiterentwicklung vom "kosten- und ressourcenintensiven Print-Produkt hin zur technisch ausgereiften Online-Lösung" sei ein wichtiger Schritt, um Kunden ganzheitlich zu beraten und DIY-Projekten zu unterstützen, so das Unternehmen.
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