02.12.2021 - Wenn ein neu gebrandeter Warenhauskonzern den treuesten seinen KundInnen ein Dialogmailing schickt, sollte er Aufbruchsstimmung verkünden. Es sei denn, er heißt "Galeria".
von Joachim Graf
Bonuskarten - das ist die Welt der Exklusivität, des Vertrauens und des datengestützten Marketings. Ein Nobrainer für alle Brand- und Salesverantwortlichen - vor allem, wenn man crossmedial unterwegs ist.
Galeria Kaufhof
hat deswegen vor einigen Jahren Payback als Karte rausgeworfen und ein eigenes Kundenbindungsprogramm gestartet. Das soll nach Umpositionierung und Renaming natürlich auf Galeria umgehoben werden, weswegen mir Verena Schneider ein Dialogmailing schickt.
Der erste Eindruck: Der dicke DIN-A5-Klarsichtumschlag enthält gleich fünf Teile: Das Adressblatt, auf das auf der Rückseite die Plastikkarte aufgespendet ist, ein Karton mit drei perforierten Gutscheinen sowie eine sechsseitige Klappkarte und ein achtseitiger Dünndruckflyer. Also viel Material, um ein hohes Involvement zu schaffen. Schön bunt, macht neugierig.
Die Personalisierung: Die Postadresse ist - wohl noch von der Erfassung im Warenhaus - fehlerhaft. Der Datensatz hat wohl nie einen Verifizierungsalgorithmus gesehen. Immerhin werde ich mit Namen angeschrieben. Was es gar nicht gibt: Eine Ansprache basierend auf den vielen, vielen Daten, die Ex-Galeria Kaufhof, jetzt Galeria von mir vorliegen hat.
Es muss ja nicht gleich Programmatic Printing sein mit Angebot passend zu meiner Kaufhistorie. Aber ein Hinweis auf meinen Punktestand - oder wenigstens Geotargeting mit dem Hinweis auf "meine" nächste Filiale: Fehlanzeige.
Die Gestaltung: Das neue Galeria-Logo, prominent und reduziert das (einzige) Gestaltungselement wiederholt sich auf allen Mailing-Bestandteilen. Allerdings ist eine Mailingdramaturgie nicht vorhanden.
Der achtseitige Dünndruckflyer entpuppt sich als kleingedruckter Langweiler. "Teilnahme und Datenverarbeitungsbedingungen für Galeria-Karte und Vorteilsnetzwerk" - alles in Grossbuchstaben. Was ein "Vorteilsnetzwerk" ist, bleibt im übrigen unerforscht.
Genauso unerforscht bleiben auch die Angebote des Unternehmens - sowie die Vorteile der Karte: Gewinnspiele, Vorteilspreise, exklusive Events, Aktionen - das alles wird im Mailing als Schlagworte zwar versprochen, aber nirgends erklärt.
Hauptargumentation: Drei Gutscheine - einer mit 20 Prozent Rabatt, zwei mit 20 bzw. 50 Euro Gutschrift - das ist ein guter Call to Action. Die unerklärte Einschränkung "auf viele spannenden Marken" bzw. "auf viele tolle Marken" verrät nicht, wann die Gutscheine gelten (und wann nicht). Da war "auf alles außer Tiernahrung" schon klarer.
So hat das Mailing bei mir funktioniert: Was soll ich von einer Ansprache halten, die mir erklärt, dass man "noch viel vor" habe, was man "in den Zukunftsfilialen Frankfurt, Kassel und Kleve" (also nicht bei mir München) sehen kann?
Wer kein Crossmedia-Marketing beherrscht, wer sich das Mailingdesign von Legal bestimmen will - und wer in seinem Dialogmarketing nicht einmal Kundenbindung in Richtung lokale Filiale orchestrieren kann, wem statt moderner Services nur "Billig" und "Rabatt" einfällt, wer Online- und Offline- Kommunikation nicht integriert denken kann, der ist in der verstaubten Kaufhaus-Tradition des vergangenen Jahrhunderts gefangen. "Wir haben noch viel vor" heißt der zentrale Claim in Mailing und Web. Dann spart Euch das Mailinggeld und kommt wieder, wenn Ihr fertig seid.
https://www.galeria.de/kundenkarte-start.html
In unserer Rubrik "Dialog des Monats" stellen Marketingexperten jeden Monat eine Dialogmaßnahme vor, die ihnen aufgefallen ist. Die Rezension in diesem Monat stammt von ONEtoONE-Herausgeber Joachim Graf - der als Spar- und Schnäppchenwütiger ein großer Fan von Rabattkarten, Bonuskarten und Loyalty-Apps ist.
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