Contact Center

Wie KI die Callcenter-Qualität verbessert - und für mehr Umsatz sorgt

16.10.2024 - Die generative KI entlastet die Arbeit der Callcenter: Weil sie immer genau Bescheid wissen, um was es geht, können Service-Agenten die KundInnen schneller zufriedenstellen. Das schafft Zeit für zusätzliche Erlöse.

von Irmela Schwab

Bei Dr. Smile klingeln pausenlos die Telefone. Die ServicemitarbeiterInnen kommen da kaum noch hinterher. Stress macht sich breit. Mit rund 100.000 Anfragen monatlich hatte die junge Berliner Firma Urban Technology einfach nicht gerechnet. Seit 2017 bietet sie unter der Dentalmarke Dr. Smile   transparente Korrekturschienen, so genannte Aligner oder Retainer, für Erwachsene an, um schiefe Zähne zu korrigieren. Das Produkt kommt blendend an, doch dank der hohe Preise wachen auch die Ansprüche an den Kundenservice. Die Urban Technology-Gründer Jens Urbaniak und Christopher von Wedemeyer anbieten habe es aufgrund des Fachkräftemangels schwer genügend qualifiziertes Personal zu finden. Besonders in Callcentern, bekannt für einen oft stressigen und monotonen Job-Alltag, entstehen deshalb große Lücken.

Ein Problem, das von dem Berliner Start-up inzwischen gelöst werden konnte Vor etwa einem Jahr wandten sich Urbaniak und von Wedemeyer an den CRM-Anbieter Salesforce, um zu erfahren, wie moderne Technologie ihr Callcenter entlasten könnte. Salesforce installierte seine KI-Plattform Einstein, die alle Service-relevanten Daten an einer Stelle verfügbar macht. Als Interface dient ein Chatbot, der in Dialog mit den KundInnen tritt und zusammen mit ihnen deren Fragen durchgeht. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: 40 Prozent aller Serviceanliegen lassen sich vollständig automatisiert klären. Außerdem können die verbleibenden Anfragen dadurch um einiges schneller beantwort werden. Dabei kommt das Können der generativen KI ins Spiel.

"Die generative KI ist in der Lage auf jede individuelle Fragestellung einzugehen, da sie in Sekundenschnelle alle wichtigen Daten verfügbar hat." (Bild: Salesforce)
"Die generative KI ist in der Lage auf jede individuelle Fragestellung einzugehen, da sie in Sekundenschnelle alle wichtigen Daten verfügbar hat."

Während die Chatbots früher statisch vorgingen, indem häufige Fragen mit vordefinierten Antworten gepaart wurden, ist die dynamische Variante nun einen großen Schritt weiter. "Die generative KI ist in der Lage, auf jede individuelle Fragestellung einzugehen, da sie in Sekundenschnelle alle wichtigen Daten verfügbar hat", erklärt Liesl Klokkers, Senior Director Solution Engineering bei Salesforce   . Was hat die Kundin oder der Kunde bereits gekauft? Welches Feedback liegt vor? Was wurde bei der letzten Anfrage mit ihr oder ihm besprochen? Wenn das aktuelle Anliegen weiter geklärt werden muss, kann der Kunde nach dem Erstkontakt mit dem Bot anschließend mit einem Mitarbeitenden aus dem Service sprechen. Früher sah diese Übergabe von Maschine an Mensch so aus: Entweder las der Agent den gesamten Chatverlauf - was allerdings in den seltensten Fällen vorkam. Oder die genervte KundInnen mussten ihr gesamtes Anliegen noch einmal schildern. "Für beide Seiten ist das ein frustrierendes Erlebnis", muss Klokkers zugeben.

Der Salesforce-Studie "State of the Connected Customer" zufolge warten 77 Prozent der befragten KundInnen daher lieber gleich darauf, dass sich Callcenter-Mitarbeitende um ihre Anliegen kümmern. Immerhin 61 Prozent der Befragten geben an, dass sie sich gerne über ein Interface informieren würden. Je intelligenter dieses vorgeht, desto höher ist die Zufriedenheit der KundInnen.

Dr. Smile: Wie die generative KI im Callcenter aushilft

Dr. Smile vertreibt und fertigt transparente Aligner und Retainer für die Korrektur von Zahnfehlstellungen bei Erwachsenen. Die monatlich rund 100.000 Serviceanfragen konnte der Kundenservice des seit seiner Gründung 2017 rasant gewachsenen Unternehmens kaum noch bewältigen. Der Aufbau der Personaldecke erwies sich als sehr schwierig. Für die Produktivitätssteigerung führte Dr. Smile die KI-Plattform Einstein von CRM-Anbieter Salesforce innerhalb von vier Monaten ein und hat seither 40 Prozent der Serviceanliegen vollständig automatisiert. Auch die Bearbeitung von Fällen hat sich deutlich beschleunigt.


Das Feature "next best action" ermittelt bei jedem Kundenkontakt automatisch, welche Hinweise und Empfehlungen für eine Optimierung des Behandlungsergebnisses und somit die Erhöhung des Customer Lifetime Value (CLV) geeignet sind. Neben einer deutlich höheren Kundenzufriedenheit und der Steigerung des Net Promoter Score (NPS), ist auch die Zufriedenheit der MitarbeiterInnen gestiegen, weil die Aufgaben abwechslungsreicher und wertschöpfender geworden sind. Zudem verkürzt Einstein Copilot die Einarbeitungszeit neuer KollegInnen beispielsweise durch Automated Knowledge Creation.

Dr. Smile hat genau das geschafft: Mit Hilfe der generativen KI lässt sich der vorausgehende Chat mit dem Bot im Handumdrehen zusammenfassen, so dass die ServiceagentInnen genau wissen, um was es der Kundin oder dem Kunden geht. Die Zeit, die dadurch zur Verfügung steht, können die Mitarbeitenden dazu nutzen, ihre Klientel besser zu beraten. Zum Beispiel können sie ihnen ein Angebot unterbreiten, das zur jeweiligen Kaufhistorie passt. Die Vorschläge dieser "next best action" stammen ebenfalls von der generativen KI, die dabei auf vielfältige Daten zurückgreift. Bei Dr. Smile stieg dadurch die Kundenzufriedenheit um 29 Prozent an. Der Customer Lifetime Value kletterte um 30 Prozent nach oben.

Weil sie sich am Vertrieb beteiligen können, sind auch die Callcenter-Mitarbeitenden zufriedener: "Das Berufsbild ändert sich dadurch völlig, da sie viel kreativere und verantwortungsvollere Aufgaben übernehmen und über Vertriebsprovisionen mehr verdienen", sagt Klokkers. Selbst wenn es in diversen Unternehmen solche Provisionsangebote schon gab, war es der Salesforce-Managerin zufolge bislang kaum möglich, sie auch in die Tat umzusetzen. "Die Callcenter sind in der Regel zu überlastet, um ein entspanntes Verkaufsgespräch mit KundInnen zu führen." Mit der generativen KI ändert sich das, ist sich Klokkers sicher: "So wird aus dem Costcenter Service ein Profitcenter." Übrigens: Auch im B-to-B-Kontext steigt daher die Servicequalität. Indem im datenrechtlich geschützten Raum Dokumente über Produktbeschreibungen, Handbücher mit Bedienungsanleitungen und Garantiebedingungen im pdf-Format mit dem KI-Sprachmodell, dem LLM (Large Language Model) zusammengeschlossen werden, können Mitarbeitende auch Fragen zu komplexeren Situationen zufriedenstellend klären. "Die Sprachmodelle helfen dabei, Informationen aus unstrukturierten Datenquellen auf einen Punkt zusammenzufassen und über den künstlich-intelligenten Bot zur Verfügung zu stellen", beschreibt Klokkers. "Service-AgentInnen können diese Informationen dann direkt im Gespräch mit der Klientel nutzen."

Auch Mitarbeitende im Außendienst haben dank KI-Unterstützung die Möglichkeit, sich umfassend auf ihren Einsatz vorzubereiten. Oder sie lassen sich vor Ort vom schlauen Assistenten alle nötigen Schritte anzeigen, um zum Beispiel eine defekte Maschine zu reparieren. Perspektivisch ist es auch in diesem Fall möglich, dass der Mitarbeitende den KundInnen weitere passende Produkte vorschlägt und verkauft. Ebenfalls von Vorteil: Über die KI-geführte Integration und Auslese von Echtzeitdaten tritt der Mitarbeitende selbst mit KundInnen in Kontakt, bevor dieser überhaupt bemerkt, dass die Maschine fehlerhaft arbeitet. Letztlich fällt es Unternehmen über die generative KI auch leichter, neue Mitarbeitende anzulernen. "Gerade in den Servicecentern gibt es generell eine hohe Fluktuation, häufig sind auch StudentInnnen zur Aushilfe beschäftigt", erklärt Klokkers. Und diese müssen ihren Vorgesetzten jetzt eben nicht länger mit den immer gleichen Fragen in den Ohren liegen, so die Managerin: "Das gesamte Wissen eines Jobprofils ist über die generative KI jederzeit abrufbar."

Aus dem kostenintensiven Callcenter ein Profitcenter machen

1. Wissen bündeln: Über das Sprachmodell der generativen KI lassen sich alle kontextrelevanten Dokumente wie Handbücher oder Bedienungsanleitungen auslesen. Zusätzlich kann die KI auf alle weiteren Daten, die über Kaufhistorie und Gespräche mit KundInnen entstehen, zurückgreifen.
2. Automatisierte Beratung: Über das umfassende Wissen und individelle beantwortung jeder Kundenanfragen können viele Anliegen automatisiert gelöst werden. Sollten KundInnen dennoch mit einem Mitarbeitenden sprechen wollen, hat dieser sofort alle relevanten Informationen durch den intelligenten Bot zusammengefasst vorliegen.
3. Upselling im Callcenter: Weil die AgentInnen nicht länger damit beschäftigt sind, immer gleiche Fragen zu beantworten, entstehen neue Handlungsfelder. So können sie KundInnen - passend zu seinem Anliegen - weitere Produkte empfehlen und so lukrative Vertriebsaufgaben übernehmen.

Ihr Guide im New Marketing Management - ab 6,23 im Monat!

Hat Ihnen diese Beitrag weiter geholfen? Dann holen Sie sich die ONEtoONE-Premium-Mitgliedschaft. Sie unterstützen damit die Arbeit der ONEtoONE-Redaktion. Sie erhalten Zugang zu allen Premium-Leistungen von ONEtoONE, zum Archiv und sechs mal im Jahr schicken wir Ihnen die aktuelle Ausgabe.

Diskussion:

Vorträge zum Thema:

  • Bild: Kevin Orthey
    Kevin Orthey
    (Genesys Cloud Services Germany GmbH)
    Bild: Alexander Clarus
    Alexander Clarus
    (Genesys Cloud Services Germany GmbH)
    Bild: Tim Fürtel
    Tim Fürtel
    (EWE)
    Webinar am 09.07.24, 11:00 Uhr

    KI in der Kundeninteraktion: Praxisbeispiele und Einblick in Kundenerfahrungen

    KI revolutioniert bereits heute den Kundenservice und läutet eine neue Ära der Effizienz und Personalisierung ein. Das Webinar zeigt Erfolgsbeispiele aus der Praxis

Anzeige
www.hightext.de

HighText Verlag

Mischenrieder Weg 18
82234 Weßling

Tel.: +49 (0) 89-57 83 87-0
Fax: +49 (0) 89-57 83 87-99
E-Mail: info@onetoone.de
Web: www.hightext.de

Kooperationspartner des

Folgen Sie uns:



Besuchen Sie auch:

www.press1.de

www.ibusiness.de

www.neuhandeln.de