Dialogmarketing

Dialog des Monats: Undialog by Ebay

05.04.2022 - Die Marketingverantwortlichen von Ebay haben so gut wie alles richtig gemacht: Aufmerksamkeitsstarkes Mailing, hochwertes Give-away, Online-Anbindung. Aber warum sprechen sie nicht mit mir?

von Joachim Graf

Wie erreicht man Onlinehändler und gewinnt sie dafür, zusätzlich über den eigenen Marktplatz zu verkaufen? B2B-Dialogmarketing ist dabei das Mittel der Wahl.

Der erste Eindruck: Mich erreicht ein zwei Zentimeter fetter Pappschuber. Darin liegt ein gebrandetes Roll-Zentimeterband. Mehr Aufmerksamkeit geht fast nicht.


Die Personalisierung: Adressiert ist das Päckchen an "Joachim Graf/Daniel Treplin Gesellschafter". Ein Anschreiben fehlt. Weniger Personalisierung geht fast nicht.

Die Gestaltung: Der Schuber ist auf der Rückseite mit dem Claim "eBay-Durchstarter werden und Umsätze erhöhen" sowie dem stilisierten Zentimetermaß bedruckt. Der Klappdecken zeigt außen ein Testimonial und innen die Vorteilsargumentation. Auch hier wird das Maßband als Keyvisual sehr schön eingesetzt.

Hauptargumentation: Neben der rhetorischen Frage "Verkaufen Sie Artikel nach Maß?" argumentiert das Mailing im Karton-Innenteil mit der hohen Ebay-Reichweite und dem Gratis-Einstieg.

So hat das Mailing bei mir funktioniert: Offenbar hat das Mailing die Werbeagentur entwickelt, kein Dialogmarketer. Alles, was auf der Landingpage an Einwandsbehandlung und Vorteilsargumentation zu finden ist, gehört auf ein personalisiertes Anschreiben - das allerdings leider offenbar dem Kostendruck zum Opfer gefallen ist: Schließlich sind mit Logo bedruckte Maßbänder ziemlich teuer, selbst in dieser hohen Auflage.


Das unpersonalisierte Adressetikett zeigt allerdings, dass die Datensammlung per Abgleich mit dem Handelsregister erfolgt ist - selbst ein Impressum- Crawler hätte da eine höhere Datenqualität erzeugt. Will man schon NeukundInnen gewinnen unter den 500.000 im E-Commerce aktiven Unternehmen, sollte man bessere Datenquellen nutzen. Oder jemanden beauftragen, der sich mit Lead- Nurturing auskennt und Shop EntscheiderInnen in selektierbaren Branchensegmente teilt. Dass der abgedruckte Datenschutzlink ("Wir haben Ihre Kontaktdaten ausschließlich für dieses Mailing über eine Google-Recherche erhoben") auf eine Standard-Erklärung führt, ist ein weiteres Tüpfelchen auf meinen ungläubig hochgerissenen Augenbrauen.
Vielleicht wäre auch die Beauftragung einer Dialog- anstelle einer Werbeagentur gut gewesen. Eine, die zum Beispiel das verwendete Testimonial von "Onkel-Stitch" nicht nur für eine schöne Optik verwendet, sondern in Storytelling übersetzen kann. Schade, schließlich verkaufen die beiden gezeigten Shop-Eignerinnen personalisierte Modeartikel. Und Personalisierung soll ja das Ebay-Alleinstellungsmerkmal sein, mit dem das Mailing am Ende punkten will. Eine, die zum Beispiel weiß, warum es wichtig ist, einen Dialog zwischen Unternehmen und KundInnen aufzubauen. In dem man beispielsweise Einwände behandelt. Oder Wünsche weckt. Oder individuellen Nutzen erklärt.


Auf mich wirkt das Mailing so, als hätte eine Werbeagentur ein Briefing abgearbeitet, ohne zu wissen, wie Dialogmarketing funktioniert. Ohne Know-how über datengestütztes Marketing. Und vor allem: Ohne Zielgruppen-Wissen. Warum sich ECommerce-Verantwortliche für oder gegen den Kanal Ebay   entscheiden - dieses Wissen wäre nötig gewesen, um über die "Ebay? Kenne ich. Brauch ich nicht."-Hürde zu kommen. Darum werden auf die deutlich kompetenter gemachte Landingpage (die hat wohl eine andere Agentur gemacht?) wohl nur die wenigsten gelangen. Alle anderen werden das Maßband behalten und den zwar schön gestalteten und produktionstechnisch sehr teuren, leider aber äußerst undialogischen Rest dem Altpapier überantworten.


In unserer Rubrik "Dialog des Monats" stellen Marketingexperten jeden Monat eine Dialogmaßnahme vor, die ihnen aufgefallen ist. Die Rezension in diesem Monat stammt von ONEtoONE-Herausgeber Joachim Graf - dessen Charity-Onlineshop Akabanga.de   zwar über Amazon   verkauft, nicht jedoch über Ebay   .

Weitere Themenschwerpunkten wie beispielsweise Fachkräftemangel und Marketing Resource Management sowie die App-Studie 2022 können Sie hier   als E-Paper, Ausgabe 03/2022 lesen.

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