EU-Urheberrechtsreform

Europäischer Gerichtshof billigt Upload-Filter, setzt aber Grenzen

27.04.2022 - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte am Dienstag, dass die Vorabprüfung hochgeladener Inhalte zwar die Grundrechte einschränkt, aber gerechtfertigt sei. Damit wiesen die Richter die Klage Polens gegen den umstrittenen Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie ab.

von Frauke Schobelt

Online-Dienste wie Youtube, Instagram, Facebook & Co. müssen laut dem Europäischen Gerichtshof (EuGH)   weiterhin das Hochladen urheberrechtlich geschützter Inhalte verhindern, auch mit dem Einsatz von Upload-Filtern. Das EU-Recht sehe "angemessene Garantien" vor, um dabei unverhältnismäßige Eingriffe in die Meinungs- und die Informationsfreiheit zu verhindern, heißt es in der Begründung der Luxemburger Richter. Dies stelle "das angemessene Gleichgewicht zwischen diesem Recht und dem Recht des geistigen Eigentums sicher" (Rechtssache C-401/19   ).

Hintergrund ist die umstrittene Urheberrechtsreform von 2019 (DSM-Richtlinie), gegen die damals Zehntausende auf die Straße gegangen sind. Demnach müssen Internetdienste für das rechtswidrige Hochladen geschützter Werke haften und werden so verpflichtet, vermeintliche Urheberrechtsverletzungen noch vor dem Upload zu unterbinden. Sie können sich jedoch von dieser Haftung befreien, indem sie die von den Nutzern hochgeladenen Inhalte vorab "aktiv überwachen". Kritiker sehen in der Verwendung von damit notwendigen Upoad-Filtern jedoch eine Beschneidung der Meinungsfreiheit und fürchten Zensur. Laut dem Urteil der Luxemburger Richter ist die EU-Urheberrechtsreform jedoch rechtmäßig. Sie zwinge die Dienste, auf "Instrumente zur automatischen Erkennung und Filterung zurückzugreifen", um eine vorherige Kontrolle durchführen zu können.

Allerdings nimmt der Gerichtshof auch die Inhaber von Urheberrechten in die Pflicht: Voraussetzung sei, dass die Plattformen von Rechteinhabern auch die "einschlägigen und notwendigen Informationen" über geschützte Werke erhalten haben.

Polen sieht dagegen im Artikel 17 "eine erhebliche Bedrohung" der Meinungsfreiheit. Dies könne dazu führen, dass Regelungen erlassen werden, die einer "vorbeugenden Zensur ähneln". Die Luxemburger Richter verweisen dagegen auf ergänzende und vorhandene Regelungen, die ein sogenanntes Overblocking - das Sperren rechtmäßig hochgeladener Inhalte - verhindern sollen. Plattformen dürften demnach keine Filter einsetzen, die nicht zuverlässig zwischen geschützten und rechtmäßig hochgeladenen Inhalten unterscheiden. Auch könnten Nutzer gegen Online-Dienste vorgehen, wenn diese rechtmäßige Inhalte sperren. Gesonderte Vorgaben gebe es zudem für Parodien, Memes oder Nachahmungen bestimmter Inhalte, sogenannte Pastiches.

"Schlechtes Signal für die Meinungsfreiheit im Netz"

Digitalverbände äußern jedoch Kritik. "Uploadfilter bleiben faktisch bestehen, was dem Grundgedanken des freien Internet diametral gegenübersteht", sagt Bitkom   -Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder . Da die meisten Plattformen bereits Lizenzverträge mit Verwertungsgesellschaften abgeschlossen haben, seien automatische Blockierungen nur selten erforderlich. "Gleichwohl bestehen in der Praxis weiterhin Unsicherheiten, etwa dazu, wie 'Pastiche' genau definiert wird und in welchen Fällen eine Erlaubnis zur Veröffentlichung besteht. Hier muss schnell Klarheit geschaffen werden."

Auch der Eco-Verband   bewertet das Urteil als "schlechtes Signal für die Meinungsfreiheit im Netz". Zwar sehe der EuGH Art. 17 mit ausreichenden Garantie gegen das unerwünschte Overblocking an, doch würden automatische Filter immer diese Gefahr bergen. Für die betroffenen Unternehmen sieht der Verband eine weitere Rechtsunsicherheit darüber, "in welchem Maß und Umfang sie Maßnahmen zum Schutz des Urheberrechts zu treffen haben, um nicht von Rechteinhabern in Anspruch genommen zu werden". Damit würden sie "in eine Rolle von staatlichen Institutionen gedrängt und übernehmen faktisch die Rolle von Gerichten, wenn es um die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der von NutzerInnen eingestellten Inhalte geht."

Wenig überrascht vom Urteil zeigt sich Dr. Martin Gerecke , Partner und Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland   . Ihm zufolge war "es nicht wirklich zu erwarten, dass der EuGH mit seiner Entscheidung den Schwester-Institutionen in die Parade fährt" Dabei gebe die Norm durchaus Anlass zur Kritik, da sie bestimmte Plattformen zum Einsatz von automatisierten Filtern zwingt. Der EuGH halte die hierdurch bewirkte Einschränkung der Meinungsfreiheit aber für gerechtfertigt, weil die Norm andererseits durch diverse Mechanismen sicherstelle, dass erlaubte Inhalte, zum Beispiel Parodien oder Kleinstnutzungen wie Memes, durchaus auf die Plattform gelangen. Durch den Einsatz von Filtertechnologie müssten die Plattformen dies sogar gewährleisten. "Diese Art der Selbstvergewisserung ist aber mehr ein Pfeifen im Wald", so Gerecke. "Dem EuGH ist zugute zu halten, dass die Norm und der Problemkreis der Haftung der Plattformen für Useruploads mehr als komplex sind und ganz unterschiedliche Interessen berühren. Eine andere Entscheidung hätte die Diskussion um die Uploadfilter neu entflammt und das ganze Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz, also die deutsche Umsetzung von Artikel 17 DSM, in Frage gestellt. Insofern ist zumindest das Ergebnis des EuGH richtig."

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