Durch die Digitalisierung und die damit verbundene Entwicklung hin zu Programmatic Printing ist Print für viele Marketer grundsätzlich wieder ein Kanal von Interesse geworden. Allerdings gibt es in der Praxis einen Schönheitsfehler: Gerade Digital-Marketer wollen sich dem Kanal erst dann zuwenden, wenn sie ihn durch eine Marketing-Automation-Software (MAS) vom Schlage aussteuern können. Diese Überlegung macht durchaus Sinn. Schließlich basiert modernes Marketing auf individuelle Aussteuerung, genaue Planung des Workflows und exakte Messung der Reaktionen. Es wäre völlig unsinnig, die gut geschmierten und etablierten Marketing-Prozesse zu unterbrechen und mit einem Werbemittel querzuschießen, das am Ende nicht einmal Insights über das Kundenverhalten liefert. Soviel ist klar: Wenn Print eingesetzt werden soll, dann muss es die eingeschliffenen Prozesse unterstützen. Dies gilt umso mehr, als in der Regel die digitalen Kanäle im Mittelpunkt des Interesses stehen und Print lediglich eine Erweiterung und Ergänzung darstellt.
Kurz: Eine Printkampagne muss sich in die etablierten digitalen Prozesse fügen, die typischerweise so aussehen:
- Das Marketing setzt eine Kampagne für eine bestimmte Zielgruppe auf. Die passenden EmpfängerInnen werden im CRM selektiert, ein KPI und ein sinnvoller, vielleicht triggerbasierter Marketing-Workflow wird festgelegt.
- Nachdem die Kampagne scharfgeschaltet ist, arbeitet das MAS den Workflow ab und verschickt zum passenden Zeitpunkt ein E-Mailing an die EmpfängerInnen.
- Die Analytics wertet die Reaktionen aus und entscheidet anhand der festgelegten Wenn/Dann-Verknüpfungen den weiteren Ablauf.
- Zuletzt zeigt ein Reporting, wie viele Werbemittel verschickt und geöffnet wurden, wann eine Reaktion stattfand, wann es zum Abbruch kam oder wer gekauft hat. Das Resultat: Vertrieb und Marketing können ihre Kampagnen in einem leicht zu messenden und zu überblickenden Ablauf optimieren. Für viele Marketer wäre es in einem solchen Prozess durchaus attraktiv, auch den Printkanal zu integrieren. Print erzeugt
zwar nicht ganz unbeträchtliche Kosten, kann dafür aber auch mit einer ganzen Reihe von Vorteilen punkten:
- Aufmerksamkeit: Print wird wahrgenommen. Heute sind die elektronischen Postfächer so überfüllt, dass Mails nur noch wenig Beachtung finden. Print ist dagegen etwas Außergewöhnliches.
- Öffnungsrate: Während bei Mails oft in Sekundenbruchteilen entschieden wird, ob sie geöffnet werden oder nicht, glänzen Postsendungen mit Öffnungsraten von über 80 Prozent.
- Langzeiteffekt: Während bei Mails meist entweder sofort oder gar nicht reagiert wird, hat Gedrucktes einen Langzeiteffekt. Ein Rabatt-Coupon wirkt oft wochenlang an der Kühlschranktüre. 64 Prozent der per Post angebotenen Rabatte/Gutscheine werden noch bis zu fünf Monate nach Erhalt gewinnbringend eingelöst, hat die CMC-Dialogpost-Studie belegt.
- Consent: Wegen der DSGVO und fehlenden Einwilligungen können viele KundInnen elektronisch gar nicht angesprochen werden. Per Post ist dagegen kein Einverständnis erforderlich.
- Conversion: Print-Mailings erzielen laut CMC-Dialogpost-Studie eine durchschnittliche Conversion Rate (CVR) von 6,8 Prozent (2020 waren es noch 4,9 Prozent) sowie einen Return on Advertising Spend (RoAS) von durchschnittlich 1.190 Prozent. Der RoAS drückt den Gewinn pro investierten Euro aus, in diesem Falle sind es also fast 12 Euro für jeden investierten Euro (2020 waren es noch 990 Prozent).
Insofern ist es kein Wunder, dass immer mehr Anbieter von Marketing-Automation-Lösungen die Vorzüge von Print entdecken, um ihre Tools zu ergänzen. Dabei geht es weniger darum, eigenständige Printkampagnen zu entwickeln, als vielmehr den Printkanal vollständig in den bereits vorhandenen Marketing- Prozess zu integrieren. Folgendes ist dazu nötig:
- Eine automatisierte Schnittstelle zu einem Postdienstleister, so dass die Daten ohne jeglichen manuellen Eingriff verarbeitet werden können - genau wie dies bei einer E-Mail der Fall ist.
- Einen messbaren Rückkanal, um Response und Reaktionen verarbeiten zu können. Dieser kann etwa mit Coupons, QR-Code, individualisierten Links, Bestellnummern oder Gutscheincodes geschaffen werden.
- Postalisch verwertbare Kundendaten - über die zumindest die Betreiber von Online-Shops problemlos verfügen. Alles Weitere - insbesondere Kampagnenlogik und Erfolgsmessung - können in der gewohnten Marketing-Automation-Lösung abgewickelt werden. Dadurch ist das Vorgehen für Marketer besonders komfortabel, denn sie müssen sich kaum umstellen. So geht's:
- Erforderliche Daten
Selbstverständlich müssen für die Aussteuerung von gedruckten Werbe-Mailings die postrelevanten Daten vorliegen. Bei BestandskundInnen in Online-Shops dürfte dies das geringste Problem darstellen. Aber auch alle anderen Daten für die Individualisierung (wie das Kaufverhalten oder die komplette Kaufhistorie) können aus den gewohnten Quellen gewonnen werden. Mit diesen spezifischen Daten sind dann zum Beispiel "Best Next Offer"-Angebote möglich. Das heißt Angebote, die zu in der Vergangenheit bereits gekauften Produkten passen und eine möglichst hohe Kaufwahrscheinlichkeit versprechen.
Genau wie bei digitalen Marketing-Kampagnen ermöglichen diese Daten zugleich die Aussteuerung zum richtigen Zeitpunkt, zum Beispiel nach einem Warenkorbabbruch. Auch eventbasierte Trigger, wie Geburtstage der Kundin bzw. des Kunden oder das Erreichen einer Punkteschwelle eines Treueprogramms können zusätzlich als Auslöser für Post-Mailings verwendet werden.
- Software-gestützte Optimierung des Prozesses
In unserem Beispiel wird eine Erinnerung an den zurückgelassenen Warenkorb ausgesteuert. Schon bei der ersten Erinnerung wird gesplittet:
- Gruppe EMail-EmpfängerInnen: Alle KundInnen mit einer Mailadresse und einem Opt-in erhalten eine elektronische Erinnerung.
- Gruppe Print-EmpfängerInnen: Liegt entweder keine Mailadresse oder kein Opt-in vor, wird anhand des jüngsten Kaufverhaltens eine Rentabilitätsprüfung durchgeführt. Erscheint die Kaufwahrscheinlichkeit hoch genug, erhält der Kunde oder die Kundin eine gedruckte Erinnerung per Post. Anhand eines QR-Codes kann die Reaktion getrackt werden. Bei der Gruppe der EMail-EmpfängerInnen ist der Prozess noch nicht zu Ende. Abhängig von ihrer Reaktion wird die Gruppe erneut gesplittet:
- Käufer: Für KundInnen, die nach der Erinnerungsmail gekauft haben, endet die Journey.
- Öffner: Hat die Kundin oder der Kunde die E-Mail geklickt, jedoch nicht gekauft, erhält sie oder er nach zwei Tagen einen Gutschein mit einem passenden Rabatt. Dann endet die Journey.
- Nicht-Öffner: KundInnen, die die E-Mail nicht geöffnet haben, erhalten nach positiver Rentabilitätsprüfung ebenfalls einen passenden Gutschein per Post. Anhand des Gutschein-Codes lässt sich der Kunde bzw. die Kundin tracken.
Die Kombination mehrerer Kanäle (hier E-Mail und Print) wird auch als Multi-Kanal-Aussteuerung genannt. Die Aussteuerung per Post stellt sicher, dass auch wirklich alle EmpfängerInnen, die adressiert werden sollen, die Nachricht erhalten. Die Profitabilitätsprüfung stellt sicher, dass der Return-on-Invest der Kampagne positiv bleibt.
- Sicherheit durch kontinuierliches Controlling
Da sich der Print-Kanal flexibel ab einer Auflage von eins einsetzen lässt, bleibt das Risiko überschaubar. Um den ROI zu ermitteln, kann zunächst mit einer überschaubaren Testgruppe gearbeitet werden. Liegen ausreichend Erfahrungen zum Kaufverhalten vor und ist die Kampagne soweit optimiert, dass sie erfolgversprechend wirkt, wird sie als feste Regel in Marketing-Workflow implementiert. Mittels der Analytics-Funktionen der Marketing-Software kann der ROI kontinuierlich kontrolliert werden. Für zusätzliche Sicherheit sorgt eine feste Budget-Begrenzung. Sollten unvorhergesehen viele KundInnen den Kampagnen-Kriterien entsprechen, werden nur die EmpfängerInnen mit der höchsten Kaufwahrscheinlichkeit bedient. Wenn der ROI positiv bleibt, kann der Marketer schrittweise das Budget anheben oder anderenfalls korrigierend eingreifen.
Personalisierte Post-Mailings sind eine hervorragende Möglichkeit, aus der Werbeflut herauszustehen und neue Marketing- Potenziale zu erschließen. Die Investitionskosten sind gering, der Aufwand überschaubar und die Gewinnchancen groß. Welche Marketing-Automation-Software bereits eine Schnittstelle zu Print integriert hat, zeigt die Übersicht auf den folgenden Seiten.
Software-Anforderungen für den Marketing-Prozess
Praktischerweise können beim MAS-gesteuerten Programmatic- Printing-Einsatz alle zentralen Marketing-Methoden erhalten bleiben. Die Marketer müssen sich nur wenig bis gar nicht umstellen und können den neuen Kanal reibungslos integrieren. Im Wesentlichen müssen lediglich zwei Dinge sichergestellt werden:
- Individualisierung: Für eine präzise Erfolgsmessung sind personalisierte Elemente (URL, QR-Code, Bestellnummer, Coupon oder Gutscheincode) erforderlich. Diese ist allerdings auch bei EMail-Kampagnen Standard und stellt kein MAS-System vor Herausforderungen.
- Kostenlogik: Der Printkanal ist mit Kosten verbunden. Dies sollte sich in der Kampagnen-Logik berücksichtigen lassen. Allerdings ist dies auch bei anderen digitalen Paid-Media-Kanälen so (etwa Display- oder Social-Media-Advertising), so dass auch dies keine ernstzunehmende MAS vor Herausforderungen stellt.
Alle anderen Funktionen werden von der Software in anderen Kampagnen bereits bereitgestellt und können problemlos weitergenutzt werden.
Herausforderung Print-Produktion
Ähnlich sieht es bei der inhaltlichen Gestaltung von Printprodukten aus. Dieselben Automatisierungsregeln, mit denen auch EMail- oder Social-Media-Kampagnen gestaltet werden, lassen sich für Printprodukte nutzen.
In unserem Beispiel werden also für jeden Adressaten individuelle Produktdaten übergeben, da ja an Waren erinnert werden soll, die im Warenkorb "vergessen" wurden. Aber auch weitere Merkmale - etwa Geschlecht, Wohnort oder Jahreszeit - lassen sich bei der Gestaltung berücksichtigen.
Ebenso sind Next-Best-Offer-Angebote problemlos möglich oder - im Multichannel-Handel - eine individualisierte Wegbeschreibung zur nächsten Filiale. Zuletzt sollte ein individueller Action-Getter (Rabattcode, Coupon) oder persönlicher Link (URL, QR-Code oder Bestellnummer) die Nachverfolgbarkeit sicherstellen.
Vor größere Herausforderungen werden die gängigen MASProdukte aber gestellt, wenn es um die eigentliche Herstellung der Druckvorlagen geht. Fast alle MAS haben ihre Wurzeln in der digitalen Welt und sind mit den Eigenheiten einer Druckvorlage, Formatbeschränkungen oder Portostaffeln nicht vertraut. Es gibt zwar einige Produkte (z.B. Promio.Connect), die selbst druckreife PDFs erzeugen und an eine beliebige Druckerei übertragen können. Sie ermöglichen es, den gesamten Herstellungsprozess in der eigenen Hand zu halten und Flyer, Postkarten oder Broschüren in einer eigenen Druckerei herzustellen. In der Regel ist es jedoch sinnvoller, nur die Marketing-Logik in der MAS abzubilden und den finalen Gestaltungsprozess, Druck und Versand an eine spezielle Lösung bzw. einen spezialisierten Lettershop abzugeben.
Anbindung per Schnittstelle
Dazu wird die Software dieses Dienstleisters über Schnittstellen an die Marketing-Automation-Lösung angebunden. Die MAS steuert nur die zu individualisierenden Daten aus. Dies sind beispielsweise die Adressdaten und Namen, die zu verwendenden Produktbilder und -Texte, Codes und personalisierte Links und Codes sowie die Information, welches Template der Gestaltung zugrunde liegen soll.
Größere Datenmengen (etwa Bilder) lassen sich übermitteln, indem lediglich eine URL übergeben wird, unter der die Daten bereitgestellt werden. Auf diese Weise lassen sich auch größere Marketing-Infrastrukturen einbinden, die über dezidierte Systeme zum Produktdatenmanagement (PIM), Digital-Asset-Management (DAM) oder Contentmanagement (CMS) verfügen. Die Daten können auf diese Weise aber auch einer beliebigen anderen Datenbank mit Web-Frontend oder einem Shop-System entnommen werden.
Während die MAS also weiterhin Marketing-Logik und Individualisierung steuert, übernimmt der Programmatic-Printing-Dienstleister in diesem Schritt die eigentliche Gestaltung und wandelt die Daten in personalisierte Print-Mailings um. Einen entsprechenden Service bietet etwa die Optyliz oder die Deutsche Post mit ihrer Print-Mailing-Automation an. Die Bonner haben für zahlreiche Marketing-Tools Schnittstellen und Add-ons entwickelt. Gerade erst ist eine Erweiterung für Salesforce hinzugekommen.
Neben den mehrfach erwähnten Best Next Offers oder Warenkorb- Nachfass-Mails lassen sich auch in vielen anderen Situationen individuelle Print-Mailings erstellen:
- Geburtstags-Mailings ("Herzlichen Glückwunsch")
- Willkommen-Mailings ("Herzlich Willkommen")
- Einladungen/Events ("Wir freuen uns, dich zu sehen")
- Kundenbindung ("Vielen Dank für dieses Jahr")
- Kundenaktivierung ("Werde Mitglied und spare")
- Reaktivierung ("Wir vermissen dich")
- Cross- & Up-Selling ("Wie wäre es hiermit?")
- Churn-Prevention ("Wusstest du schon?")
Mit den Werkzeugen der Dienstleister lässt sich der gewünschte Individualisierungsgrad auswählen und mit Templates aus gängigen Grafikprogrammen hinterlegen, wobei die verschiedenen Elemente im Anschluss mit den entsprechenden Daten aus der Marketing-Automation verknüpft werden. Das können zum Beispiel Rabattcodes oder Produktnamen sein.
Sobald alles freigegeben wurde und neue Datensätze eingespielt werden, werden die Mailings mithilfe der im Voraus bestimmten Regeln automatisch konfiguriert und automatisch an die Druckerei übermittelt. Nach dem Drucken gehen die Mailings direkt in die Zustellung der Deutschen Post, von wo aus das Post-Mailing innerhalb von zirka zwei Werktagen der Empfängerin oder dem Empfänger zugestellt wird.