05.05.2021 - Digitale Kanäle, Marketingautomation und physische Werbung: Wo Dialog-Dienstleister die Zukunft sehen.
von Frauke Schobelt
Viele klassische Mediabudgets sind in der Coronakrise stark zurückgefahren oder ganz eingestellt worden. "Viele Kunden nutzen daher die Zeit zur Selbstreflexion und erfinden sich ganz neu", sagt Daniel Mundt
, Geschäftsführer der A+S DialogGroup
. Seine Agentur verzeichnet eine höhere Nachfrage bei Konzeption, Kreation und Programmierung: "Aber auch Datenbereinigung und Anreicherung ist sehr stark gefragt." Slavisa Gasic
hingegen, Geschäftsführer von Servicepro
, stellt einen deutlichen Anstieg an Projekten im Zusammenhang mit Marketing- Automation und -Cloud-Lösungen fest. "Aus unserer Sicht sind diese Themen inzwischen in der breiten Masse der Unternehmen angekommen und der Bedarf an externer Unterstützung ist groß."
Dies bestätigt Aljoscha Lachmann
, Teamleiter Enterprise Solution & Consulting bei Inxmail:
: "Derzeit geht es den meisten Kunden um drei wichtige Punkte: Ressourcen, Zeit und Geld zu sparen." Entsprechend gefragt seien Produkte und Services, die das fördern. So benötigten viele Unternehmen Consulting und eine Analyse ihres EMail-Marketings, um interne Prozesse zu optimieren. "Andere wollen auch, dass wir kreative Mailing- Strecken für sie anlegen und versenden - was dann unter dem Punkt Mailing-Management läuft." Viele Kunden wünschten sich zudem eine nahtlose Integration in ihre Systemlandschaft, die vorzugsweise mit dem CRM-System interagiert. "Das Wichtigste ist heutzutage, schnell zu agieren und keine komplexen Prozesse zu durchlaufen."
Der Trend zu digitalen Kampagnen spiegelt sich auch in den Kundenanfragen wider, die bei der Dialogmarketing-Agentur Jahns and Friends
eingehen: "Das reicht von Plattformen für Kundengewinnung oder -bindung bis hin zu Kampagnen zum Thema Permission- Marketing", erzählt Vorstandsvorsitzende Kirsten Gabriel
. Auch Social-Media-Kampagnen und Beratung rund um Customer Centricity seien gefragt. "Bei Letzterem geht es vor allem um die Auflösung von Datensilos, die inzwischen viele Unternehmen als zentrale Hürde identifiziert haben." Steigendes Kundeninteresse an Social-Media-Management erlebt auch Markus Gräßler
, Geschäftsführer der gkk Dialoggroup
. Stark gefragt seien auch Multichannel-Dialogmarketinglösungen: "Covid-19 hat wie ein Brennglas gewirkt und das Zusammenwachsen von Marketing-, Vertriebs- und Servicekommunikation befördert."
Im Fokus der Dialogkunden bleibt jedoch auch der Touchpoint Briefkasten. Dirk Görtz
, Vice President Dialogmarketing bei der Deutschen Post
, berichtet von vielen Anfragen aus dem E-Commerce. Vor allem volladressierte Werbesendungen seien gefragt. Unternehmen fokussierten sich so in der Krise auf die Bestandskundenansprache. "Am Anfang der Krise gab es einen Postkartenboom - vielleicht, weil Werbetreibende ein 'Hallo' absetzten und vielleicht auf den (neuen) Online-Shop hinweisen wollten. Seit Dezember werden relativ vermehrt Kataloge eingesetzt." Auch Alexander Schäfer
, Chief Sales Officer, Paragon Customer Communications Germany
, bestätigt einen verstärkten Trend zur physischen Kommunikation: "Der Postbriefkasten ist im Vergleich zu den elektronischen Briefkästen der Kunden überschaubar und 'begreifbar' gefüllt." Getrieben durch den ECommerce-Boom seien auch Paketbeileger stark gefragt.
Jeanette Kuhlendahl
, Geschäftsführerin von Dialoghaus
, sieht hier besonders Verbundwerbekonzepte gefragt, über die Mediakosten geteilt werden können, um mit den vorhandenen Budgets mehr Reichweite zu erzielen. Der Onlinehandel setze das postalische Mailing verstärkt in der Kundenbindung ein. Besonders im Fokus: "einfache DIN-lang-Mailings mit Anschreiben und Gutschein, umfangreiche Selfmailer mit integriertem Katalog und Druckprodukte mit individuellen Kaufempfehlungen für jeden Kunden - Stichwort Programmatic Printing", so Kuhlendahl. Diesen Trend bestätigt Michael Schiffer
, Geschäftsführer von Michael Schiffer Dialog
. "Derzeit werden insbesondere individualisierte Kundenansprachen auf Basis von Programmatic Printing in Verbindung mit automatisierten Workflows nachgefragt."
Für Daniel Mundt , A+S DialogGroup , wird die "Entpersonalisierung im Onlinemarketing die größte Herausforderung im Dialogmarketing-Mix werden". Klassisches Print - voll-, teil- und unadressiert - wird ihm zufolge deshalb sowohl in der Neukunden- als auch in der Bestandskundenwerbung wichtiger. "Dafür gilt es aber auch, die crossmedialen Kommunikationskonzepte entsprechend anzupassen und in Richtung Programmatic Printing weiterzuentwickeln."
Auch im EMail-Marketing gewinnt die Automation an Bedeutung. "Viele unserer Kunden beschäftigen sich aktuell sehr stark mit den Themen Kundenbindung und -rückgewinnung und fragen Leistungen aus diesem Kontext nach, wie zum Beispiel Beratung bei der Erstellung passender Marketing-Automation-Kampagnen", erklärt Sebastian Pieper
, Head of Marketing beim Technologie- Anbieter Artegic
. Dazu gehörten etwa Reaktivierungs- und Loyalty- Kampagnen. Piepers Hypothese: "Der Kampf um Aufmerksamkeit im digitalen Raum hat wegen Corona zugenommen. Zu Beginn der Corona-Krise stand dagegen die Neukundengewinnung im Vordergrund."
Die wachsende Bedeutung der Kundenbindung in Zeiten der physischen Distanz bestätigt auch Rasmus Giese
, CEO von United Internet Media
. "Deshalb beobachten wir vermehrt Kampagnen zur Lead-Generierung, insbesondere mit dem Ziel von Newsletter- Anmeldungen." Auch Branding-Formate seien gefragt.
Laut Carsten Diepenbrock
, neuer Geschäftsführer von AZ Direct
, nehmen Marketing-Automation und Personalisierung gerade "gewaltig an Fahrt auf", da sie zur Effizienzsteigerung beitragen. "Kampagnen werden immer genauer an der Customer Journey ausgerichtet, die Anforderungen mit Blick auf Treff-Genauigkeit und Effizienz nehmen zu. Das führt uns zielgerade zur Marketing- Automation", ergänzt Dirk Görtz
, Deutsche Post. "Mit dem Print- Mailing haben wir diese Brücke über Schnittstellen und digitale Identifier bereits geschlagen." Analysen mithilfe von Künstlicher Intelligenz in der Marketing-Automation seien der "nächste logische Schritt", so Görtz. Da stehe die Branche noch am Anfang.
Bereits kurz nach dem ersten Lockdown habe sich abgezeichnet: "Wer sehr nah an seinen Kunden ist, kann eine Krise überstehen", betont Aljoscha Lachmann
, Inxmail. "Anders ausgedrückt: Hochpersonalisierte Mailings im richtigen Kontext zur richtigen Zeit haben eine sehr hohe Erfolgsquote. Diese direkte Eins-zu-eins- Kommunikation sollte Ziel jeder EMail-Marketing-Kampagne sein."
Eine hohe Adressqualität und Consumer Insights zählen dabei für Carsten Diepenbrock, AZ Direct, zu den Must-haves, um steigenden Kundenansprüchen gerecht zu werden. Im EMail-Marketing gewinnen auch Aspekte wie Datensicherheit und Zustellbarkeit immer mehr an Bedeutung, meint Aljoscha Lachmann von Inxmail. "Nur wer seine Daten rechtskonform beschafft und verarbeitet, wird bei seinen Kunden punkten - Stichwort: Vertrauen." Die Zahl der Unternehmen steige, die diese Themen nun ernster nehmen.
Grundsätzlich müsse sich jedoch noch mehr die Erkenntnis durchsetzen, wie hoch der Beitrag von Dialogmarketing zum Unternehmenswert ist und welchen Stellenwert Daten hier einnehmen, betont Kirsten Gabriel
and Friends. Sie verweist auf eine Studie, die der Deutsche Dialogmarketing Verband gemeinsam mit der Universität Kassel durchgeführt hat. Als Erfolgsfaktoren im Dialogmarketing identifiziert die Analyse ein kundenorientiertes Mindset sowie systematische Kundendatengewinnung und -analysen. "Gerade beim letzten Punkt offenbarten sich aber auch deutliche Schwächen. So gaben viele der Befragten an, dass die systematische Verknüpfung von internen und externen Kundendaten und -quellen tendenziell nur mäßig ausgeprägt sei."
Immer mehr im Kommen sind Crosschannel-Strategien, die Print und Online miteinander verknüpfen, um die Werbewirkung zu erhöhen. Für Rasmus Giese "starke Treiber für das Dialog-Marketing" - neben Automatisierung und Künstlicher Intelligenz. Carsten Diepenbrock berichtet von einer steigenden Nachfrage nach Consumer-Adressen, "bei denen vermehrt die Verbindung aus Direct Mail und flankierenden Online-Marketing Maßnahmen zu einem zusätzlichen Lift in der Performance führen". Auch Direct-Mail Retargeting, also die Verlängerung von online Media in adressiertes offline Targeting, funktioniere am Markt sehr gut.
Bei Transaktionsmails habe Corona "für einen Anschub gesorgt", sagt Sebastian Pieper von Artegic. Nicht nur habe die Zahl an Online-Bestellungen deutlich zugenommen, auch Offline Anbieter standen teilweise vor der Herausforderung, neue digitale Prozesse zu schaffen, etwa für Click&Collect in Baumärkten. Damit stieg auch die Anzahl versendeter Transaktionsmails wie Bestellbestätigungen, Versandbestätigungen, Abholbenachrichtigungen, digitale Rechnungen. Für Pieper der Schritt in die richtige Richtung: "Unternehmen haben mittlerweile erkannt, wie wichtig Transaktionsmails als Touchpoint zum Kunden sind, da die Aufmerksamkeit extrem hoch ist." Auch individualisierte Inhalte, Cross- und Upsells, Integration von CRM-Daten oder Realtime-Funktionen (Ablageort ändern, usw.) würden künftig verstärkt in Transaktionsmails zu sehen sein.
Ein Thema, das die Marketingbranche in den nächsten Monaten besonders fordern wird, ist die "drohende Cookieless Future" im Online-Advertising, so Carsten Diepenbrock. "Sicherlich wird man marktseitig beobachten müssen, wie sich die Themen von Google Chromes 3rd Party Cookies, Apples IDFA und anderen entwickeln. Der Display-Markt wird sich verändern und es werden neue Optionen entstehen." Sein Rat an Werbungtreibende: "Bleiben Sie unbedingt auf dem Laufenden."
Wie sich der Markt entwickelt, sei noch nicht absehbar, sagt auch Dirk Görtz, Deutsche Post. Viele Marktteilnehmer arbeiten daran, neue Identifier zu entwickeln. "Zukunftsweisend sind dabei sicher offene Systeme wie die European Net-ID." Was die Branche jedoch deutlich länger beschäftigen werde als die Cookie-Diskussion, seien die Folgen der noch anhaltenden Corona-Pandemie.
Für Jeanette Kuhlendahl von Dialoghaus ist die Besonderheit in diesen Zeiten, "dass nach Jahren der relativen Stabilität so vieles auf einmal zusammenkommt, wenn auch nicht alles unvorhersehbar war: Rechtliche Restriktionen wie die Cookie-Einverständnisse, massive bürokratische Anforderungen durch die DSGVO, Corona mit sehr branchenspezifischen Auswirkungen mit Gewinnern und Verlierern." Für viele Werbungtreibende spiele auch der Brexit eine relevante Rolle. Sie ist sich sicher: "Flexibilität und Agilität wird das sein, was alle DialogmarketerInnen in den kommenden Monaten und Jahren stärker als jemals zuvor benötigen werden."
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