Datenstrategie

Daten im Mittelpunkt der Unternehmensstrategie

21.09.2023 - Nichts ist so wertvoll wie aussagekräftige Daten. Deswegen sollten Sie nichts dem Zufall überlassen, sondern bei der Erhebung strategisch vorgehen.

von Dominik Grollmann

Unternehmen müssen wissen, wie ihre Kundinnen und Kunden ticken, wollen ihre Marketingmaßnahmen exakt berechnen, ihre Angebote für eine bessere Customer Experience bestmöglich personalisieren und ihre Produkte an die tatsächliche Nutzungsgegebenheiten anpassen. Für alle diese Aufgaben braucht es Daten. Dabei geht es um das große Ganze (Einkommen, Geschlecht, Kontaktdaten, Einkaufshistorie) ebenso wie die Feinheiten (Öffnungszeitpunkt der E-Mail, Browser-Version, Internet-Geschwindigkeit).

Nichts scheint in der modernen Welt so wertvoll wie der Rohstoff Daten. Paradoxerweise wird zugleich nichts so sehr überschätzt, wie die Macht der Daten. Denn: Mit der falschen Strategie kann ein Unternehmen ein Meer an Daten sammeln und keinerlei Profit daraus schlagen. Oft liegt das daran, dass die gesammelten Daten im entscheidenden Moment unzugänglich, unzureichend aufbereitet oder veraltet sind. Manchmal sind sie aber auch einfach irrelevant und verfügen über eine lächerlich geringe Aussagekraft. Im schlimmsten Fall können Daten sogar die User Experience verschlechtern: Weil niemand gerne seine Daten herausgeben lassen will, die Personalisierung übergriffig wirkt oder sogar - besonders fatal - falsch ist. Merke: eine falsche Anrede ist schlimmer als gar keine Anrede.

Keinesfalls sind Daten das neue "Gold", wie manchmal behauptet wird. Denn das würde bedeuten, dass schon geringe Mengen wertvoll sind und sie einen dauerhaften Wert hätten. Wenn, dann muss man Daten wie Rohöl betrachten. Nur wenn sie konstant und zuverlässig fließen, sind sie von Nutzen. Nicht jede Art der Förderung ist sinnvoll. Und bei falscher Lagerung oder Verarbeitung entsteht für das Unternehmen sogar ein Gesundheits- oder mindestens Entsorgungsproblem.

Moderne Unternehmen brauchen Daten, damit der Motor läuft - zuverlässig, konstant und in hoher Qualität. Um das sicherzustellen, bedarf es einer Strategie. Dies gilt umso mehr, als durch die Initiativen von Software-Herstellern und Gesetzgebern viele Datenquellen bei weitem nicht mehr so ergiebig sprudeln, wie noch vor wenigen Jahren. Kern jeder Datenstrategie muss es sein, Zuverlässigkeit und Qualität der Datenquelle zu sichern.

Datenquellen lokalisieren


Die erste Herausforderung besteht darin, überhaupt eine erschließbare Quelle zu identifizieren. Viele Ansatzpunkte scheiden schon wegen gesetzlicher Vorgaben aus. Geschäftsmodelle, die auf 3rd-Party-Data basieren, sind ohnehin vom Aussterben bedroht. In den allermeisten Fällen dürfte daher eine Strategie gewählt werden, die darauf abzielt, First-Party-Data zu erheben. Darunter versteht man Daten, die vom eigenen Unternehmen erhoben und zu eigenen Zwecken verarbeitet werden. Beispielsweise Daten für eine Nutzungsstatistik der Website.

Aber selbst diese Daten sind bedroht: Denn auch für die Erhebung von First-Party-Data kann eine Zustimmung des Nutzers oder der Nutzerin notwendig sein. Letztlich ist das immer dann der Fall, wenn die Daten nicht zwingend zur Nutzung der Website notwendig sind. Allein aufgrund dieser Bestimmung ist die Rate der ausgespielten Cookies um bis zu 80 Prozent eingebrochen - entsprechender Verlust an messbaren Daten.

Deswegen gilt: Je enger die zu messenden KPIs an eine wesentliche Funktion der Website gekoppelt sind, desto eher darf der dazugehörige Wert auch zustimmungsfrei erhoben werden. Für eine Warenkorb- oder Merkzettelfunktion ist es beispielsweise unerlässlich, die Nutzerin oder den Nutzer eindeutig zuordnen zu können. Darüber lässt sich nebenbei auch feststellen, wann diese Nutzerin oder dieser Nutzer die Website zuletzt besuchte.

Auf die wichtigen Daten konzentrieren


In der Mehrzahl der Fälle wird sich der Marketer allerdings limitiert fühlen. Ohne Einverständnis des Nutzers bzw. der Nutzerin kann nicht einmal mehr der Klickpfad über mehrere Sessions hinweg getrackt werden. Gerade Methoden des Behavioral Targetings, die das Klickverhalten der NutzerInnen auswerten, geraten so an ihre Grenzen. Die Zeiten, als man einfach "so viele Daten wie möglich" sammeln konnte, sind endgültig vorbei. Bedeutet im Umkehrschluss: Nie war es wichtiger als heute, genau zu wissen, welche Daten für das eigene Geschäftsmodell entscheidend sind. Denn mal ehrlich: Nicht jeder Sockenverkäufer muss wissen, ob und wie viele Hunde im Haushalt seiner KundInnen leben (was bei einem Metzger allerdings schon wieder anders aussehen kann).

Je schwerer es ist, an Daten zu gelangen, desto wichtiger ist es, genau zu wissen, welche Daten benötigt werden. Welches Geschäftsmodell und welches Marketingziel wird konkret verfolgt? Geht es darum, eine kanalübergreifende Customer Experience zu ermöglichen? Soll eine Echtzeit-Personalisierung eingebaut werden? Oder eine langfristige Kundenbeziehung etabliert und verbessert werden? Warenkorbabbrecher zurückgewonnen werden? Praktisch jedes Ziel kann erreicht werden - aber die Prioritäten sollten klar sein.

Aus den Geschäftszielen lässt sich relativ einfach ableiten, welche Daten benötigt werden. Je nach Geschäftszweck könnten das etwa Daten zur Customer Journey, zur Zielgruppe, Einkaufshistorie oder soziodemografische Daten sein. In jedem Fall sollten die gewünschten Informationen priorisiert werden. Den höchsten Stellenwert haben dabei naturgemäß die Daten, die für die bislang erfolgreichsten Marketing-Maßnahmen benötigt werden. Danach folgen in absteigender Reihenfolge die Daten für weitere Aktivitäten.

Auch der Consent ist ein Conversionziel


Entsprechend dieser Liste lässt sich eine Strategie entwickeln, wie man an diese Daten gelangen kann. Das Vorgehen kann sich dabei an einer klassischen Customer-Journey orientieren. Das Ziel - die Conversion - besteht darin, die erforderlichen Datenpunkte zu sammeln. Da dafür fast immer die aktive Zustimmung der Nutzerin und des Nutzers notwendig ist, müssen sie und er auf diese Reise begleitet werden, das heißt: Aktiv dazu ermutigt werden, ihre/seine Zustimmung abzugeben.

Das höchste Conversionziel besteht darin, die Kundin bzw. den Kunden zur Erstellung eines Accounts oder der Nutzung einer App zu bewegen. In diesem Moment wird gängigerweise eine Nutzungsvereinbarung geschlossen, in der sich eine umfangreiche Datenerhebung und -verarbeitung rechtssicher festlegen lässt. Noch wichtiger: Der Marketer kann davon ausgehen, dass der Nutzer oder die Nutzerin nicht nur formal, sondern auch tatsächlich damit einverstanden ist. Denn auch wenn sich die wenigsten AnwenderInnen eine solche Vereinbarung genau durchlesen, so ist ihnen doch klar, dass mit der Erstellung eines Kundenkontos auch eine Datenspeicherung und -verarbeitung verbunden ist.

Am besten lockt der Benefit


Dass dieses Modell immer noch gut funktioniert, zeigt die Tatsache, dass viele KundInnen gerne an einem Loyalty-Programm teilnehmen, obwohl sie zugleich großen Wert auf Datensparsamkeit legen. Allerdings muss für die Kundinnen und die Kunden der (gefühlte) Vorteil die (gefühlten) Kosten in Form von Arbeit und Mühe übersteigen. Kostenlos ist Kundentreue nicht zu haben - auch wenn nicht immer ein pekuniärer Vorteil geboten werden muss.

Aus diesem Grund muss man ehrlicherweise zugeben, dass ein Kundenbindungsprogramm nicht immer der Weisheit letzter Schluss sein kann. Kosten und Aufwand sind hoch, es will kontinuierlich betreut werden und es gibt keine Garantie dafür, dass es funktioniert.

Trotzdem kann aber die zugrundeliegende Mechanik kopiert werden. Letztlich geht es darum, dem Kunden bzw. der Kundin einen Nutzungsvorteil zu bieten, der ihn bzw. sie überzeugt, einer Datenspeicherung zuzustimmen (etwa indem er/sie einen Account anlegt) und die vom Marketer benötigten Informationen preiszugeben.

Explizit vs. Implizit - die Kundin und den Kunden aktiv beteiligen


Letztlich können auch niederschwellige Anreize genügen, um die Kundin und den Kunden zur Datenfreigabe zu bewegen. Denn nicht immer müssen Kundendaten und -interessen implizit (also durch Auswertung des Einkaufs- und Klickverhaltens) abgefragt werden. Auch eine explizite Abfrage ist möglich. Der Unterschied zwischen beidem:

  • Eine implizite Erhebung nutzt Daten, die die BesucherInnen unbewusst und nicht absichtlich zur Verfügung stellen. Diese Art der Erhebung umfasst die Beobachtung und Verfolgung von Benutzeraktivitäten und -verhalten. Detaillierte Informationen und Daten darüber, wie der Besucher oder die Besucherin mit der Website interagiert, werden gesammelt und analysiert. Daraus werden die benötigten Informationen gewonnen.

    Eine implizite Personalisierung ist wirkungsvoll, hat aber auch zwei wesentliche Nachteile: In der Regel liegen Annahmen zugrunde und es werden Wahrscheinlichkeiten berechnet. Dies kann zu Fehlern führen. Das Geschlecht des Besuchers zum Beispiel wird falsch errechnet, wenn ein Mann ein Geschenk für seine Frau sucht. Außerdem fühlen sich BesucherInnen leicht ausgeforscht, weil sie ihre Daten nicht freiwillig preisgegeben haben und keine Kontrolle über die Weitergabe haben. Kommt die Engine dann noch zu einem falschen Ergebnis, entsteht ein sehr negatives Erlebnis.

  • Im Unterschied dazu basiert die explizite Erhebung auf Daten und Informationen, die von der Kundin oder vom Kunden freiwillig und absichtlich zur Verfügung gestellt werden. Durch die explizite Befragung und Ermutigung zum Informationsaustausch können Marken eine Vielzahl von Daten erhalten, darunter auch solche, die sie durch Verhaltensanalysen nur schätzen konnten.

    Dabei kann es sich um demografische Daten wie geografische Lage, Geschlecht, Alter, Geburtsdatum, Familienstand, Anzahl der Personen im Haushalt oder sogar Monatseinkommen oder um Informationen zum Lebensstil wie Sport, Hobbys, Essen, Freizeitaktivitäten oder Urlaubsinteressen handeln.

Interaktion bedeutet Information


Nun dürfte es in der Praxis wenig Sinn machen, den KundInnen einen Fragebogen über ihre Interessen ausfüllen zu lassen. Die wenigsten dürften daran teilnehmen wollen.

Eine explizite Personalisierung liegt aber auch dann vor, wenn beispielsweise ein Shopbetreiber der Kundschaft verschiedene Optionen zur Personalisierung der Website anbietet. Wenn sich bestimmte Sortimente im Menü verbergen oder hervorheben lassen, wenn sich bestimmte Filter (Marke, Preis, Stil) auf die Produkte anwenden lassen, wenn sich bestimmte Themenwelten (Heimwerker, professioneller Handwerker) an- und abwählen lassen oder verschiedene Newsletter (Hunde, Katzen, Kleintiere) abonnieren lassen, kann der Händler wesentliche Informationen daraus gewinnen.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, der Kundin und dem Kunden im Anschluss an eine Bestellung mehrere Prospekte als Paketbeilage zur Auswahl zu stellen, die sich an verschiedene Käufertypen richten. Auch Content auf der Website kann gezielt genutzt werden, um mehr über Stil, Ausrichtung oder Familiensituation der KundInnen zu erfahren. Selbst Geburtstagsgrüße, Adventskalender, Rabattcodes - nahezu jede Interaktion kann so gestaltet werden, dass sich Rückschlüsse auf die Kundschaft ziehen lassen.

Wichtig ist allerdings, dass immer Top-Down vorgegangen wird: Im Mittelpunkt stehen die anfangs definierten und priorisierten KPIs. Die Personalisierungsoptionen werden anschließend gezielt so entwickelt, dass sie der Ermittlung einer gesuchten Information dienen. So lässt sich auch relativ feststellen, ob Aufwand und Nutzen in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen. Denn zum Selbstzweck sind die Optionen nie da. Einzige Ausnahme: Wenn sie zur Erstellung eines Accounts führen. Das ist schließlich das höchste Conversion-Ziel bei jeder 1st-Party-Data-Strategie.

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    Peter von Bredow
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