Der Chief Digital Officer der Jochen Schweizer MyDays Group
, Carlos Anthony Yniguez, gibt es in seinem Vortrag auf der im Juni stattfindenden Konferenz "Rethink Connected Customer 360°"
unumwunden zu: Noch vor drei Jahren hielt er nicht viel von Printmailings: Zu aufwendig, zu mühsam in der Abstimmung mit Dienstleistern, keine Ahnung von Kundensegmenten - so sei sein Bild von diesem Kanal gewesen. Längst wurde er eines Besseren belehrt: "Printmailings sind für uns extrem lukrativ. Ich wundere mich, dass dies nicht viel mehr Unternehmen nutzen." Yniguez schwärmt von hohen Conversionraten, steigenden Warenkorbwerten und Revenues per Address (RpA). Die Gruppe verschickt für ihre Marken Jochen Schweizer und MyDays personalisierte Mailings basierend auf Geolocation, getriggert nach Anlässen, genderspezifisch und sortiert nach Kaufwahrscheinlichkeit. Die intern entwickelte KI-getriebene Datenanalyse sorgt bei den Adressaten für eine hohe Treffgenauigkeit - und "planbaren Umsatz".
Der Anbieter von Erlebnisgutscheinen gehört damit zu den immer mehr werdenden Unternehmen, die gedruckte Werbung wieder zu schätzen wissen. Auch große Onlinehändler fördern deren Renaissance. "Viele Pure-Player, die mich vor Jahren noch ausgelacht haben, kommen heute und wollen gedruckte Kataloge und Mailings", berichtet Karl-Heinz Graf, Geschäftsführer der Agentur GV Kommunikation
. Crossmediales Dialogmarketing sei "der Erfolgsgarant. Das zeigen die Responsezahlen meiner Kunden." Ohne gedruckte Werbemittel gehe es nicht im Dialogmarketing. Für effektive Kundenbindung sei "das haptische Erlebnis unabdingbar", so Graf. Mit dieser Auffassung ist er nicht alleine, wie unsere Umfrage unter Dialog-Experten zeigt. Folgende Trends treiben die Entwicklung 2020 voran:
Trend: Automatisierung und Individualisierung
Der Trend aus den Vorjahren
"weg vom Gießkannen-Prinzip hin zur 1:1 individualisierten Kommunikation" setze sich auch in der gedruckten Dialogwerbung weiter fort, sagt Nik Bockmann, Geschäftsführer von Campaign und Leiter des Marktbereichs Direkt Marketing der
Bertelsmann Printing Group (BPG)
. Die Grundlage dafür haben Unternehmen selbst geschaffen, die über immer mehr Kundendaten verfügen und seit Jahren in Customer Data Platforms investieren.
"Was im Online-Marketing schon seit geraumer Zeit praktiziert wird, überträgt sich jetzt immer stärker auf den Printkanal", so Bockmann.
Werbetreibende realisierten mehr und mehr, dass sie ihre Datenschätze gewinnbringend nutzen können, indem sie ihren Zielgruppen maßgeschneiderte Angebote und Kaufimpulse senden - und das nicht mehr mit hohen Streuverlusten wie früher, bestätigt Michael Schiffer, geschäftsführender Gesellschafter der Agentur
Michael Schiffer Dialog
.
"Kunden fragen diese Individualisierung immer stärker nach - und das nicht nur bei Direct-Mailings, sondern auch bei Katalogen, Adressträgern und Beilagen."
"Viele Stars der Online-Werbung - Recommendation-Marketing, Nextbest- offers oder Dynamic Coupons - können jetzt auch in der gedruckten Dialogkommunikation gewinnbringend eingesetzt werden", argumentiert Schiffer. Dabei gelten Regeln der Online-Welt auch analog: Basierend auf den spezifischen Charakteristika eines Kunden oder Interessenten und seiner Kauf-bzw. Interessenshistorie erhalte dieser individuelle Angebote in gedruckter Form. Und dies führe zu
"fulminanten Uplifts".
Dass die Individualisierung von gedruckter Dialogpost den Absatz steigert, bestätigt auch Markus Gräßler, Managing Director der Agentur
GKK Dialog/IPS Dialog
. Mit Digitaldruck stehe eine Technik zur Verfügung, mit der selbst kurzfristig Promotionkampagnen für spezifische Märkte und Zielgruppen aufgesetzt werden können.
"Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt, praktisch alles kann digital bedruckt werden - unabhängig von Größe und Auflage".
Im B2B-Bereich erziele der Einsatz von Print-to-Weblösungen in personalisierten Mailings große Erfolge, weiß auch Jeanette Kuhlendahl, Geschäftsführerin der Agentur
Dialoghaus
: Durch einen hohen Personalisierungsgrad werde eine virtuelle persönliche Beziehung zu den Adressaten geschaffen. Die begleite sie professionell zum Call-to-Action:
"Hier sehen wir noch viel Potenzial durch individuellere Konzepte erfolgreich Neukundengewinnung auch über Printwerbung zu steuern."
Trend: Triggerbasierte Anstöße der Kommunikation
Die Digitalisierung des Printmailings, also die automatisierte, datengetriebene Aussteuerung physischer Mailings, werde die Branche nachhaltig verändern, prognostiziert Dirk Görtz, Vice President Dialogmarketing,
Deutsche Post
. Über Schnittstellen wird das Printmailing in die digitale Wertschöpfungskette und damit in die Datenwelt integriert. Dadurch kann auch gedruckte Werbepost triggerbasiert ausgelöst werden: durch Website- oder Shopbesuch oder eine Online-Interaktion mit einem Bestandskunden.
"So lassen sich alle Möglichkeiten der Daten-Analyse bis hin zum Einsatz Künstlicher Intelligenz ausschöpfen - und das wird nicht nur das Dialogmarketing in den nächsten Jahren prägen", sagt Görtz. Die Zeiten, in denen Unternehmen weit im Voraus sämtliche Kampagnen planen konnten, gehören immer mehr der Vergangenheit an, betont auch Nik Bockmann.
"Dies erfordert eine Automatisierung sämtlicher Prozesse auch in der gedruckten Dialogwerbung."
So ist es heute möglich, Printprodukte wie Postkarten oder Selfmailer zu standardisieren und die Inhalte zu individualisieren.
"Steigende Conversion Rates bestärken uns in diesem Trend. Zudem lassen sich damit enorme Skalierungseffekte erzielen", sagt Bockmann. Auch Alexander Schäfer, Chief Sales Officer von
Paragon Customer Communications
, glaubt, dass die triggergesteuerte Dialogwerbung zukünftig eine große Rolle spielen wird:
"Die zielgerichtete Nutzung von eigenen Daten, deren Anreicherung und die Nutzung weiterer Informationen, z.B. aus dem Surfverhalten im Internet, lassen die richtige Botschaft zur richtigen Zeit zu einem conversionstarken, haptischen Erlebnis werden.". Im Marketing werde die gedruckte Dialogpost neu gedacht:
"Weg vom lange geplanten Massenmailing mit fixen Terminen, hin zu einer hochindividuellen, emotionalen und relevanten Ereignis-Kommunikation."
Trend: Mehr Arbeit an der Qualität der Daten
Bei der dafür nötigen Datenbasis sehen Dialogdienstleister aber durchaus noch Luft nach oben:
"Individualisierung ist einer der größten Hebel, den wir in diesem Bereich in den nächsten Jahren zur Verfügung haben werden", meint Markus Gräßler.
"Diesen können wir aber nur umlegen, wenn das Data-Driven und Customer Oriented Mindset auch beim Kunden vorhanden ist." Und daran hapert es noch in vielen Unternehmen.
"Natürlich steigt die Nachfrage nach voll personalisierten und individualisierten Druckprodukten", bekräftigt Karl-Heinz Graf.
"Allerdings, und da staune ich oft, sehen die Datenbanken, selbst großer Handelsunternehmen, noch aus, wie vor 20 Jahren. Hier drückt der Schuh gewaltig."
Trend: Prozessvereinfachung
Die Dienstleister stellen sich auf die steigende Nachfrage ein und treiben sie mit neuen Services und Tools voran. So spiele die Vereinfachung der Prozesse eine wichtige Rolle, erklärt Dirk Görtz, Deutsche Post.
"Je niederschwelliger das Angebot, desto eher sind Werbetreibende bereit, dieses auszuprobieren. Einfache Lösungen punkten am Markt." So werde etwa das Selbstbuchungstool, der Print-Mailing-Planner für kleine und mittlere Unternehmen, verstärkt nachgefragt.
"Wir nehmen insgesamt wahr, dass das Interesse am Printmailing wächst, dass Werbetreibende den Kanal vermehrt testen." Gefördert werde dies durch Dienstleister, die das Printmailing in die Marketing-Automation integrieren und so eine datengetriebene Aussteuerung ermöglichen.
"Davon versprechen sich Werbetreibende zum einen die zielgenauere Ansprache ihrer Kunden, zum anderen aber auch Einsparungen bei Ressourcen sowie Effizienz-Vorteile", so Görtz. Diese Einbindung sei auch die Basis, um Printmailings in das Programmatic Advertising zu integrieren.
"Schon jetzt werden mehr als die Hälfte der Kampagnen in Deutschland programmatisch gebucht - Tendenz schnell steigend", so Görtz. Das birgt Potenzial auch für Print.
Trend: Druck-Innovation
Technologische Innovationen im Drucksegment treiben das Dialogmarketing voran. Vorreiter sind vor allem die Online-Druckereien, so Dirk Görtz.
"Web-to-Print- Lösungen vereinfachen den Prozess, auch kleinere Kunden können sich so dem Print-Mailing nähern, ohne große Herausforderungen bewältigen zu müssen." Auch für Michael Schiffer ist der
"Digitaldruck 4.0" eine Grundlage für die Print-Renaissance:
"Während der Vollfarb-Digitaldruck aus seinen Anfängen in vielen Köpfen noch als langsam, qualitativ eingeschränkt und teuer' stigmatisiert ist, hat es mittlerweile eine echte Revolution gegeben. Mit modernster Digitaldruck-Technologie sind wir heute in der Lage, deutlich über 100.000 vollindividualisierte A4-Seiten in Offsetqualitätzu drucken - pro Stunde."
Dadurch könnten auch große Kampagnen in kurzer Zeit individualisiert und verschickt werden.
"Der Hochgeschwindigkeitsdigitaldruck von der Rolle ist nicht aufzuhalten", sagt Alexander Schäfer. Da im datengetriebenen Dialogmarketing Volumen nicht vorab geplant werden, sondern sich aus triggergesteuerten Anlässen automatisiert ergeben, sei
"eine hohe Flexibilität gefordert. Egal ob 1.000 oder 100.000 Sendungen: Nach Datenerhalt sollten idealerweise Produktion und Postauslieferung gleichtägig erfolgen." Dies sei durch die neue Technologien mittlerweile möglich.
Trend: Nachhaltigkeit
Daniel Mundt, Geschäftsführer der Agentur
A+S Dialog
beobachtet noch einen weiteren Trend: Vielen Kunden sei CO2-Sensibilität, Nachhaltigkeit und Umweltschutz wichtig. Die Lösung:
"Pergamin oder Maisstärke statt Plastikfolie. Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft oder gleich aus schnell wachsendem Gras. Kundenausweise und Gutscheinkarten aus verstärkter Kartonage, bewusst nicht foliert, aber dennoch mit der gewohnten Haptik einer Kreditkarte."
Trend: Wertige "Printfluencer"
"2020 wird Printwerbung wichtige Impulse für Kaufentscheidungen geben", ist Jeannette Kuhlendahl von Dialoghaus überzeugt. Neben den klassischen Produkten seien immer häufiger auch
"außergewöhnliche Printideen" gefragt. Ihr Rat: Um sichtbarer zu werden, sollten Marketingverantwortliche
"kreativer und mutiger werden, und mit Veredelungen den potenziellen Kunden auch ein haptisches Erlebnis bieten". Ein Trend, der sich laut Karl-Heinz Graf 2020 weiter verstärken wird.
"Da häufig die Auflagen kleiner, aber zielgerichteter sind, wird mehr und mehr eine schicke Veredlung der Druckprodukte nachgefragt. Es geht immer noch um den Aufmerksamkeitsgrad im Briefkasten." Veredelungen wie Lacke oder Stanzungen könnten zudem zunehmend in den Druckmaschinen direkt angebracht werden.
"Das senkt die Kosten enorm."
Printprodukte, verknüpft mit digitalen Services, können ihrerseits das Gesamtkonzept veredeln.
"Printfluencer - wertige, authentische, zum Dialog auffordernde Printprodukte, gerne verknüpft mit Augmented Reality, KI-gestützter Personalisierung oder QR-Codes mit personalisierter Landingpage - spielen wieder eine zentrale Rolle und unterstützen den datengetriebenen Dialogmarketingansatz", ist Daniel Mundt überzeugt:
"Offlinewerbemittel geboostet mit interaktiven Citylights, Socia-Media- Marketing und adaptives Retargeting auf allen Kanälen sind dann die Kür."
Der Digitaldruck, voll- und teilautomatisiert, verknüpft mit
"ausgefeiltem Datenmanagement", biete heute
"außerordentlich spannende, vielfältige Möglichkeiten für kundenzentrierte und somit fast zwangsläufig rentable Marketingkommunikation", so Mundt. Dies ist gleichzeitig Gewinn und Herausforderung für die Dialogmarketer: Zum einen gelte es standardisierte Produktionsverfahren, etwa für Selfmailer, zu definieren, erklärt Alexander Schäfer. Zum anderen müssen kreative oder veredelte Produkte im Finishing umgesetzt werden.
"Die Vielfalt ist der große Mehrwert: Intelligente und emotionale Inhalte aus dem Digitaldruck kombiniert mit kreativen, haptischen Produkten. Das ergibt für den Empfänger eine im Onlinemarketing nicht darstellbare gefühlte Wertschätzung."