Versender von Geschäftsbriefen müssen sich ab 2020 auf verschärfte Regelungen und Preissteigerungen einstellen. Im Sommer hatte die Deutsche Post AG
bereits Preiserhöhungen für Dialogpost
angekündigt, im November folgten neue Bedingungen für den Versand von werblicher und nicht-werblicher Geschäftspost
, die ebenfalls höhere Kosten nach sich ziehen. Die Post hat ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) entsprechend angepasst.
Bisher konnten auch inhaltsgleiche Geschäftsbriefe mit vergünstigten Tarifen im Massenversand per Dialogpost versendet werden. Damit ist ab Januar Schluss. Künftig darf die Post nur noch für Werbesendungen diese Sonderkonditionen gewähren. Geschäftspost "mit allgemeinen oder persönlichen Informationen", die keine Werbung sind, müssen dann regulär als Brief oder Postkarte versendet werden, mit entsprechend höherem Porto. Betroffen sind davon unter anderem Markt- und Meinungsforschung, AGB-Änderungen, Reiseunterlagen, Kreditkarten, Jahres- und Geschäftsberichte, Einladungen zu Jahreshaupt-, Aktionärs- oder Mitgliederversammlungen oder auch Wahlbenachrichtigungen (s. Kasten unten).
Gericht bestätigt Beschluss der Bundesnetzagentur
Hintergrund der neuen AGB ist ein Beschluss der
Bundesnetzagentur
aus dem Jahr 2012, der zufolge die reine Inhaltsgleichheit von Briefen nicht ausreicht, um die vergünstigten Dialogpost-Tarife in Anspruch zu nehmen. Die Behörde bemängelte, dass Versender von Rechnungen mit unterschiedlichen Beträgen auf die höheren Entgelte für Teilleistungsangebote verwiesen wurden. Gegen den Beschluss hatte die Deutsche Post geklagt. Das Verwaltungsgericht Köln gab jedoch im März 2019 der Bundesnetzagentur Recht, die daraufhin die Post aufforderte, die Rabatte für inhaltsgleiche Geschäftspost bis zum Jahreswechsel abzustellen.
"Mit der Umgestaltung der Zugangsbedingungen zur Dialogpost kommt die Deutsche Post AG dieser Aufforderung nach", erklärt Pressesprecherin Ulrike Platz.
Die Bundesnetzagentur ist zufrieden.
"Versender von inhaltsgleicher Geschäftspost werden zukünftig höhere Beförderungsentgelte bei der Deutschen Post AG zahlen müssen bzw. die gleichen Entgelte wie Versender nicht-inhaltsgleicher Geschäftspost. Die Bundesnetzagentur erhofft sich damit positive Impulse für den Wettbewerb durch alternative Postdienstleister, die an die Vorgaben der Bundesnetzagentur nicht gebunden sind", so Platz.
"Entscheidung seit langem überfällig"
Für diese alternativen Postdienstleister sprechen unter anderem der Verbund
Mailalliance
und der
Bundesverband Briefdienste
. Beide begrüßen die neuen Regeln.
"Die Entscheidung, die Dialogpost wieder auf die ursprüngliche Zweckbestimmung, die Versendung von reinen Werbebotschaften zu konzentrieren, war seit langem überfällig, das Verfahren wurde bereits 2012 erstmals angestrengt", sagt Dr. Walther Otremba, Vorsitzender des Bundesverbandes Briefdienste.
"Seit sieben Jahren hat die Deutsche Post mit ihrem 28-Cent-Angebot individuelle Postsendungen zu Dumpingpreisen befördert und damit die privaten Briefdienstleister erheblich im Wettbewerb behindert." Reine Werbebriefe könnten auch weiterhin zum Preis von künftig 30 Cent versandt werden.
"Was teuer wird, sind Schreiben zur Kundenbindung im weiteren Sinne, die von der Post AG bzw. der Bundesnetzagentur im Einzelnen aufgelistet sind. Wie viele das genau sind, lässt sich zurzeit noch nicht abschätzen, aber es könnte bis in den Milliarden-Stück-Bereich gehen", so Otremba. Die Post selber macht zu den Sendungsvolumina keine Angaben.
Für die Briefdienste sieht Otremba nun
"erhebliche Chancen":
"Sie können und werden durch preisgünstige und kostengerechte Angebote dafür sorgen, dass analoge Firmenpost bezahlbar bleibt, auch im Vergleich zu elektronischen Alternativen, die in der Ansprache an die Empfänger immer noch attraktiv sind."
Auch aus Sicht des
Bundesverbands deutscher Postdienstleister (BvDP)
wird die Dialogmarketing-Branche keine großen Konsequenzen spüren.
"Für die Branche wird das Mailing DAS Werbemedium bleiben, um Kunden zu halten oder neue Kunden zu gewinnen. Hier wird es keine Einschränkungen geben - Vorteile wie Reichweite, Erreichbarkeit, Individualisierung oder Öffnungsrate bleiben ja weiterhin erhalten oder sind von der Neuregelung völlig unberührt", sagt Eugen Pink, Geschäftsführer des BvDP. Auch in der Betrachtung des Mailings in Konkurrenz zu anderen Werbemedien werde sich nichts ändern:
"Basisfragen nach Werbewirkung und Conversion Rate wird sich jeder Kunde und damit die Branche immer stellen."
Der gerichtlich auferlegte, strengere Maßstab für inhaltsgleiche Geschäftspost werde dazu führen, dass viele Kunden zunächst ihre Sendungsanlässe gründlich überprüfen -
"allein, um ab Januar Entgeltnachforderungen durch die Postdienstleister zu vermeiden", so der BvDP-Geschäftsführer.
"Weil ein Großteil der Dialogpost-Sendungen aber bereits heute eindeutig werblich ist, gehen wir davon aus, dass die Auswirkungen auch auf die einzelnen Unternehmen im Allgemeinen gering sein werden." Werbliche Sendungen dürften weiterhin "nicht-inhaltsgleich" sein und seien in der Regel eindeutig durch ihre Zielsetzung definiert:
"Werbung bleibt Werbung - und damit Dialogpost."
Genauere Definition gefordert
Doch genau dies scheint ein Knackpunkt zu sein: Die Definition, welche Post werblich ist und welche nicht-werblich. Trotz der Erklärungen und Beispiele, die die Post auflistet (siehe Kasten), erwartet Alexander Schäfer, Chief Sales Officer von
Paragon Customer Communications Germany
, Verunsicherung bei seinen Kunden.
"Erste Irritationen sind zu spüren. Eine klare Definition wäre hilfreich.". Das fordert auch Andreas Schulte, Geschäftsführer von
Abex Direktwerbung
in Hamburg.
"Für eine große Verunsicherung - das zeigen die besorgten Rückfragen unserer Kunden - sorgen die interpretationsbedürftigen Formulierungen, die die Post in ihrer Kommunikation wählt, denn welcher Mailinginhalt ist denn nicht dazu bestimmt, Kunden zu gewinnen oder zu binden. Speziell für die Kundenbindung wird ja bspw. Imagewerbung betrieben." Seine Befürchtung:
"Das wird sicherlich ebenso end- wie fruchtlose Diskussionen mit Postmitarbeitern nach sich ziehen und die teilweise zu beobachtende Selbstherrlichkeit von Entgeltsicherern eher verstärken als abmildern."
Kritik an "Salami-Taktik"
Für fragwürdig hält Schulte auch
"die Art und Weise, in der die diversen preispolitischen Schritte in diesem Jahr kommuniziert worden sind". Er bemängelt:
"Erst wird das Porto für Standardbrief um satte 14 Prozent erhöht, unter Hinweis auf die zurückgehenden Volumina im Briefbereich (so wird aus der Preis-Absatz-Funktion eine Absatz-Preis-Funktion). Dann wird die Mindestmenge für Dialogpost-Sendungen um 20 Prozent erhöht, was gerade für kleinere Unternehmen ein enormes Hindernis darstellt, und dann werden die inhaltlichen Bedingungen für Dialogpost-Sendungen geändert. Alles in allem ist ein solche preis- und produktpolitische Salami-Taktik nicht dazu angetan, das Vertrauen in das Unternehmen Post zu erhöhen."
Die Deutsche Post verweist dagegen auf die breite Kommunikation der neuen Bedingungen über Vertrieb, Filialen, Fachpresse, Webseiten sowie die schriftlichen Informationen an Bestandskunden, die in den vergangenen zwei Jahren Dialogpost-Sendungen eingeliefert haben.
"Weitere Kommunikationsunterlagen der Dialogpost sowie betroffene Kundeninformationen der Briefkommunikation (z.B. Wahlen) werden derzeit angepasst", erklärt Post-Sprecher Alexander Edenhofer auf Anfrage.
Teure Spendenquittungen
Irritiert zeigt sich auch die Fundraising-Agentur
Fundango
aus Köln. Zwar listet die Post Spendenaufrufe als dialogpostfähig auf, dennoch koste die Änderung einige ihrer Nonprofit-Kunden einen
"mittleren fünfstelligen Euro-Betrag", kritisiert Geschäftsführerin Britta Janssen. Und dies für einen Service, den sie in der Mehrzahl der Fälle nicht mal erbringen müssten, nämlich das Ausstellen von Spendenquittungen.
"Diese Umverteilung von Spenden an Hilfsorganisationen hin zur Deutschen Post AG ist skandalös. Es wird Zeit für ein Nonprofit-Porto nach österreichischem Vorbild." Post-Sprecher Edenhofer weist darauf hin, dass größere Versandmengen weiterhin zu Teilleistungskonditionen und -entgelten erfolgen können - und wirbt für eigene Produkte:
"Daneben besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die E-Post-Angebote der Deutschen Post zu nutzen."
Ulrich Fleiter von
Alphatext Direktwerbung
empfindet es dagegen als
"Frechheit, was die Bundesnetzagentur so alles beiläufig genehmigt". Die Maßnahmen bezeichnet er als
"Boykott" des Direktmarketings und plädiert für eine Rücknahme.
"Für uns wird es ab Januar sehr schwer, unsere Kunden, wenn sie keine werblichen Inhalte haben, davon zu überzeugen, Mailings als Brief zu versenden." Auch Vereine werde es hart treffen.
Ernste Konsequenzen für Lettershops befürchtet Francisco Knorr, Geschäftsführer der
Lettershop GmbH Dion Drei
. Schon die Preiserhöhungen für Massenaussendungen und vor allem die Digitalisierung hätten zu einem massenhaften Sterben von Lettershops geführt. Durch die neuen Regeln würden Unternehmen, Organisationen und vor allem Vereine zum Umdenken in der Kundenkommunikation gezwungen.
"Dies wird zu Satzungsänderungen, Änderungen der AGBs und Anpassungen in der Kommunikationspolitik führen, um Einladungen und AGB-Änderungen nicht mehr per Post zustellen zu müssen. Diese Änderungen in der Dialogpost führen meines Erachtens zu einer erzwungenen Digitalisierungsmaßnahme", erklärt Knorr. Er erwartet deshalb weitere Umsatzeinbrüche bei Lettershops. Kompensieren ließe sich das eventuell über eine Konsolidierung, um Kunden bei größeren Auflagen Rabatte beim vollbezahlten Porto zu ermöglichen.
Verschärfte Regeln auch für Automatisierung
Über die eigene Konsolidierungslizenz, externe Konsolidierungspartner oder alternative Zusteller ließen sich auch für vollbezahlte Briefe Portokosten optimieren, bestätigt Alexander Schäfer von Paragon, nach eigenen Angaben größter Anbieter im Dokumentenversand.
"Wir haben schon jetzt viel Nachfrage nach alternativen Versandformen, z.B. unter Nutzung alternativer Zustellorganisationen." Allerdings gebe es neben dem Bundesnetzagentur-Urteil auch noch eine Verschärfung der Post-AGBs in Bezug auf die Automatisierungsfähigkeit. Schäfer:
"Wir haben aktuell einige Konzepte, die seit vielen Jahren bei Kunden im Einsatz sind, der DP AG zur Prüfung vorgelegt. Mit negativem Bescheid. Dies bedeutet einen Aufpreis von 0,05 Euro pro Sendung ab Januar 2020. Auch hier drängen die Kunden auf Alternativen, um individuelle Lösungen mit dem Produktions- und Zustelldienstleister finden zu können."
Was sich ab 2020 ändert | Sendungen mit werblichen Inhalten (Dialogpost)
Definition: Sie dienen der Gewinnung und Bindung von Kunden und Mitgliedern. Sie motivieren zum Kauf oder zur Nutzung von Produkten und Dienstleistungen. Ebenso werblich sind kostenlose Angebote oder spezielle Informationen, die der positiven Darstellung von z.B. Unternehmen, Marken, Produkten oder auch Personen dienen.
Beispiele:
- Mitteilungen inkl. Gratisproben, -mustern und -werbeartikeln sowie Sachets
- Imagewerbung, Parteienwerbung
- Einladungen zu Veranstaltungen, wie z. B. Stadtfeste und Ausstellungen, oder zu Gewinnspielen
- Mitteilungen im Rahmen von Bonusprogrammen in Verbindung mit Angeboten
- Kundenmagazine
- Spendenaufrufe
- Glückwünsche
- Kundenkarten (keine Ersatzkarten)
Sendungen mit nicht werblichen Inhalten (ab 1.1.2020 Briefpost)
Definition: Schriftliche Mitteilungen, die allgemeine oder persönliche Informationen zum Hauptzweck haben.
Beispiele:
- Markt- und Meinungsforschung
- Allgemeine Kundeninformationen (AGB-Änderungen, Reiseunterlagen, Bestellbestätigungen, Preisanpassungen)
- Rückrufaktionen
- konkrete Nutzungshinweise (z.B. von Kreditkarten, Versicherungen, zu einem bestehenden Vertrag)
- Vertragslaufzeiten, -änderungen, -kündigungen
- öffentliche Bekanntmachungen oder Mitteilungen
- Jahres- und Geschäftsberichte
- Preislisten
- Bescheide
- Einladungen zu Jahreshaupt-, Aktionärs- und Mitgliederversammlungen
- Wahlbenachrichtigungen
- Zahlungsaufforderungen (z.B. Rechnungen, Mahnungen)
- Mitgliederausweise
- Publikationen (Abo- und Presseerzeugnisse)
- Mitarbeiterzeitungen und Einladungen an Mitarbeiter
- Informationen über Umfirmierungen, Geschäftsübernahmen, Firmenumzüge, u.ä.
Quelle: Deutsche Post |
Verlagerung in digitale Kanäle
Eine mögliche Lösung könnte eine Verschiebung in die digitalen Kanäle sein.
"Der Preisauftrieb von Dialogpost zu vollbezahlten Briefen ist selbst bei vollen Teilleistungsrabatten enorm. Es ist daher anzunehmen, dass kundenseitig Formate, die durch die neue Regelung betroffen sind, eingestellt oder auf rein digitale Formate umgestellt werden", meint Robert Lehmann, Head of Sales Digital Printing beim
Druckhaus Haberbeck
. Das erwartet auch Lars Mühlschlegel, Geschäftsführer von
Liebetrau Listservice
:
"Die Beschränkung der Dialogpost auf inhaltsgleiche Sendungen mit werblichem Inhalt wird unserer Einschätzung nach den allgemeinen Trend hin zur digitalen Kommunikation weiter forcieren. Letztendlich schneidet sich die Deutsche Post aber nolens volens damit ins eigene Fleisch. Man muss kein Prophet sein um zu erkennen, dass sich die aus der Änderung der AGB resultierenden höheren Einnahmen infolge rückläufiger Versandmengen schon recht bald in Verluste verwandeln werden.". Von dieser
"versteckten Portoerhöhung" sei Liebetrau nicht betroffen, da die eigenen Versandmengen für eine Frankierung als Dialogpost nicht ausreichten. Zudem berate die Dialogmarketing-Agentur überwiegend Kunden, die werbliche Dialogpost versenden.
Auch Alexander Schäfer glaubt, dass die Überlegung nach mehr Digitalisierung eine Rolle spielen wird. Für Pflichtmitteilungen wie AGB-Änderungen der Banken, Preisanpassungen der Stromversorger, Rückrufaktionen, Einladungen zu Hauptversammlungen könnte dies jedoch schwierig werden.
"Ein digitaler Kanal zum Kunden kann hier sicher nicht immer dargestellt werden." Dagegen meint Rolf Dittrich, Head of
Flyeralarm
Media, dass sich eine Verlagerung von gedruckter zu digitaler Geschäftspost bei solchen Mailings schon seit längerem vollzogen habe. Für Flyeralarm erwartet er vorerst keine größeren Auswirkungen, da die meisten Kunden die Angebote für werbliche Mailings nutzten. Im Shop könnten zudem auch Standardfrankierungen umgesetzt werden.
"Wir passen unsere AGBs an und weisen proaktiv auf die Änderung hin", so Dittrich. Zusätzlich werde der Dienstleister Kunden beraten, sollte aufgrund des Inhalts ein Dialogpost-Versand nicht mehr möglich sein.
Roland Wolff, Geschäftsführer des Adress-Dienstleisters
Business Data Solutions
, verweist auf einen möglichen Nachhaltigkeitseffekt.
"Aus rein ökologischen und ökonomischen Aspekten ist eine Verschiebung zur digitalen Geschäftspost zu befürworten." Auch sein Unternehmen erwartet kaum Konsequenzen, da die meisten Kunden Adressen für echte Dialogmarketing-Aktionen verwendeten.
"Dass der tatsächliche Bedarf an postalischen Adressen durch die vermehrte Verwendung digitaler Geschäftspost extrem sinken könnte, erachten wir als eher geringes Risiko."
Andreas Schulte von Abex erkennt in der neuen Situation auch Potenzial:
"Diese Regelung der Post stellt für uns eine Chance dar, mit unseren Kunden in einen qualifizierten Dialog einzutreten, um für eigentlich nicht-werbliche Sendungsanlässe einen werblichen Rahmen zu schaffen, der schlussendlich den Versand als Dialogpost erlaubt." Auch die Deutsche Post gibt sich gelassen:
"Marktveränderungen durch E-Substitution und Wettbewerb sind für uns seit Jahren Alltag - so sind in Deutschland mehrere hundert Briefdienstleister als Alternative zur Deutschen Post am Markt", erklärt Alexander Edenhofer. Für die Zukunft sieht sich der Konzern mit seinen Services und seiner Infrastruktur gut gerüstet.