Dialogmarketing

Print-Mailings per Knopfdruck: Warum Dialogmarketer keine Konkurrenz von der Post fürchten

09.04.2019 - Mit ihrer neuen Self-Service-Plattform für Print-Mailings adressiert die Deutsche Post vor allem kleinere Unternehmen, die keine Agentur und Druckerei für ein Print-Mailing beauftragen möchten. Dialogmarketer sind skeptisch.

von Christina Rose

Die Deutsche Post   hat vor Kurzem eine Self-Service-Plattform für Print-Mailings   gestartet. Mit dieser sollen auch Anwender ohne Dialogmarketing-Vorkenntnisse in wenigen Schritten ein erfolgreiches Mailing planen und umsetzen können. Der Service richtet sich vor allem an kleinere Unternehmen, die keine Agentur und Druckerei für ein Print-Mailing beauftragen möchten. "Das sieht nach einem klassischen Beispiel von Disintermediation aus. Es geht also darum, den Vermittler der Dienstleistung auszuschalten und das Hauptgeschäft gerade in der Produktion selbst zu tätigen", kommentiert Prof. Nils Hafner von der Hochschule Luzern Wirtschaft   .

Prof. Dr. Nils Hafner (Bild: Hochschule Luzern)
Prof. Dr. Nils Hafner

Wolle man beurteilen, wie ein solcher Ansatz das Direktmarketing in Deutschland verändert, müsse man die Sache aus drei Perspektiven anschauen, so der Experte: "Die Idee der Post funktioniert nämlich nur, wenn der Kunde genau weiß, was er will und er mit den Indesign-Vorlagen, die die Post liefert, auch umgehen kann. Genau da bin ich mir nicht sicher. Je nach Fähigkeiten der angepeilten kleinen und mittleren Kundschaft kann es sein, dass sehr viele Serviceanfragen und Beschwerden bei der Post eingehen, wenn etwas schief läuft."

"Schlechte User Experience"


Die Kernfragestellung aus Perspektive der Post werde also sein, ob sie die Personalressourcen und die Kostenstruktur hat, solche Anfragen auch effizient beantworten zu können. "Aus Sicht des Kunden ist das Kreativpotenzial der eigenen Marketingmitarbeiter der limitierende Faktor dieses Zusammenarbeitsmodells", so Hafner. "Sind die Mitarbeiter kreativ genug und haben die notwendigen Indesign-Fähigkeiten sowie (natürlich) eine Indesign-Lizenz, spricht dem direkten "Shopping" bei der Post eigentlich nichts entgegen."

Aus Sicht der Agenturen heißt das jedoch: Für genau solche Kunden sollte man selbst einen Webshop aufbauen, empfiehlt er: "Sicher gelingt dabei mit den gängigen Webshoplösungen und ein wenig Aufwand ein Ergebnis, welches das Potenzial hat, den Ansatz der Post in Sachen User Experience zu übertreffen. Der ist nämlich nicht wirklich nutzerfreundlich."

Für Dr. Markus Gräßler , Managing Director von GKK Dialog     , sei "grundsätzlich jede Initiative zu begrüßen, die das Dialogmarketing populär und seinen Wert für die Unternehmen deutlich macht". Deswegen drücke er der Post die Daumen und sei auf die User Journey in dem Tool gespannt. Erst dann könne man das Bedrohungspotenzial für Agenturen wirklich beurteilen. "Websites kann man sich heute schon im Self-Service zusammen klicken und Digitalagenturen wachsen trotzdem. Insofern sehe ich unserer angeblichen 'Überflüssigkeit' noch gelassen entgegen", so Gräßler.

Marco Kersch (Bild: AZ Direct)
Marco Kersch


Laut Marco Kersch , Mitglied der Geschäftsleitung bei der Bertelsmann-Tochter AZ Direct     sei der Service "ein guter Schritt, um auch kleinen und mittleren Unternehmen einen einfachen Einstieg in den Kanal Direct-Mail zu ermöglichen". Gerade größere Kunden würden jedoch weiterhin individuelle Kampagnenkonzepte nutzen, um die bestmögliche Performance bei ihren Mailings zu erzielen, schätzt Kersch.

Dr. Markus Gräßler (Bild:  gkk DialogGroup GmbH)
Dr. Markus Gräßler

Helmut Hartinger , Geschäftsführer des Dialogmarketing-Dienstleisters Sommer & Goßmann     , hat angesichts des neuen Services ein Déjà-Vu. Er hat 1999 bei seinem damaligen Arbeitgeber GHP eine Plattform namens 'DialogWorld' (Mailing-Plattform) entwickelt und aufgebaut. Erste Kunden waren damals Viessmann, Renault, DKV Versicherung und Victoria Versicherung (heute ERGO). Auch die Post hatte seinerzeit einen ähnlichen Service namens 'MailingFactory' entwickelt. Die MailingFactory   richte sich an kleinere und mittelständige Unternehmen, die auf vorgefertigte Layouts und Gestaltungsvorschlage zurückgreifen wollen, um ihre Kommunikationsbedürfnisse auf gewohntem Wege zu erfüllen, wie Alexander Edenhofer, Sprecher der Deutschen Post DHL Group erklärt. Dafür werde auch ein Layout-Editor im Buchungsprozess bereitgestellt sowie eine Auswahl von zielgruppenindividuellen Vorlagen. Im Unterschied dazu sei der Print-Mailing-Planner mit einer modernen IT-Infrastruktur auf die Buchungsbedürfnisse von Internet Pure Playern ausgerichtet, die wenige bis keine Vorkenntnisse im Bereich Mailingversand haben: "Kunden wird damit ein schneller Buchungsweg geboten mit gleichzeitiger Convenience, die Zustellqualität und damit Response-Rate der Mailings zu verbessern durch eine integrierte Adressprüfung." Mittelfristig würden die Serviceangebote durch die neue Infrastruktur funktionale Erweiterungen erfahren und Synergien nutzen können, so Edenhofer.

Hartingers Ansatz dagegen war (bei GHP mit der DialogWorld) und ist es nun bei S&G mit dem 'MedienButler' einer Zentral-Organisation ein Tool an die Hand zu geben, um deren dezentralen/abteilungsübergreifenden Prozesse zu digitalisieren. "Dies als Maßanzug für die Kundenbedürfnisse abgestimmt und angepasst", so Hartinger. Hier habe man seit auch bereits erste Erfolge bei den eigenen Kunden verzeichnen können. Das Thema Mailing sei hier eine Ergänzungsmöglichkeit, aber es ist nicht der Fokus. Diesen Weg werde man bei S&G Media-Management weiter verfolgen.

"Es bedarf mehr als eines Online-Tools"


Der nun gemachte Ansatz der Deutschen Post mit der alternativen Plattform sei wohl die Thematik zu vereinfachen, schätzt Hartinger: "Die KISS-Formel anzuwenden ist grundsätzlich gut, aber ohne Hinführung (Beratung) zum Thema Dialogmarketing wird dieser Ansatz aus meiner Sicht wieder scheitern." Menschen der Generation Z und Pure-Online-Player das Thema Dialogmarketing näher zu bringen, bedürfe mehr als ein Online-Tool. Die Beratung/Hinführung - auch in die Begriffswelt - werde ein Online-Tool nicht alleine leisten.

Helmut Hartinger (Bild: Sommer & Goßmann)
Helmut Hartinger

Ein weiteres Problem der Branche ist laut Hartinger, dass Dialog-/Print- Know-how verloren geht und die Nachwachsende Generation Z mit dem Thema Print nicht viel anzufangen weiß. Gut ausgebildete Postkundenberater werden aktuell in den Ruhestand verabschiedet und auch viele Kreativ-Agenturen haben keine Print-Produktionsabteilung mehr und das Thema Print-Dialogmarketing steht dort nicht im Fokus. Dies obwohl das Print-Dialogmarketing im aktuellen Mediamix der Costumer-Journey "an einigen Stellen durchaus seine Berechtigung hat und Dialogmarketingaktionen erfolgreich und nachhaltig sind", betont er. Für die Umsetzung im Print-Dialogmarketing sei ein breites Wissen für die Adressthematik, Kreation und Produktion erforderlich, welches leider immer mehr im Markt schwinde. Bei S&G setze man deshalb auf Ausbildung, um dieses Know-how weiter zu erhalten.

Einsamer Rufer in der Wüste


In diesem Zusammenhang empfindet er auch die Schließung des SVI-Instituts der DP AG   als "sehr fatale Entscheidung". Betriebswirtschaftlich sei dies für die Post wahrscheinlich sinnvoll gewesen, mittelfristig aber sei dies für die Branche und das Segement Dialogpost bei der Post negativ. Demm im SVI sei die Grundlagenarbeit für den Medienkanal Dialogmarketing geleistet worden, welchen die Branche dringend gebrauchen könnte, um das Thema auch Pure-Playern und nachwachsenden Marketingmitarbeitern und -leitern näher zu bringen. "Eine Neuausrichtung und Anpassung an die sich verändernden Markt Gegebenheiten hätte dem SVI sicher gut getan, aber die Schließung war aus meiner Sicht die falsche Entscheidung", merkt Hartinger an. Er glaubt, dass erst jetzt die Generation Z und Pure-Player die Notwendigkeit von Print, dem Dialogmarketing (Mailing) erkennen und hofft, dass es noch nicht zu spät ist dem Markt mit Fachleuten zu bedienen: " Ein einsamer Rufer in der Wüste sein macht auch keinen Spaß!"

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