Konsumverhalten

Weniger Wir-Gefühl: Wie sich das Verbraucherverhalten verändert

25.06.2021 - Seit Beginn der Coronakrise haben sich die Einstellungen und das Konsumverhalten der Deutschen stark verändert. Was ihnen heute wichtig ist:

von Frauke Schobelt

In nun bereits 30 Wellen hat die Radar-Studienreihe der Agenturgruppe Pilot   die Einstellungen und das Konsumverhalten der Deutschen in Corona-Zeiten dokumentiert und dabei tiefgreifende Veränderungen beobachtet. Sie zeigen, was sich in den Einstellungen und im Verhalten der Menschen seit Beginn der Pandemie verändert hat und wie sich die Deutschen im 'neuen Normal' einrichten. Für die Online Panel Studie werden regelmäßig 1000 Personen befragt.

Die wichtigsten Trends in Kürze:

  • Grüne Themen sind im Aufwind
  • Hybrides Shopping etabliert sich
  • Mediennutzung wieder auf Normal-Maß
  • Zunehmender Trend zur Ich-Fixierung
  • Markenkommunikation ist auch in Krisen steuerbar

Die Relevanz des Klima-Themas ist demnach in den vergangenen Wochen rasant gestiegen und in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Menschen nehmen ökologische Inhalte deutlich aufmerksamer wahr als noch vor einem Jahr. Beim Start der Radar-Studienreihe zu Beginn der Coronakrise lag der Wahrnehmungswert für Klimathemen noch bei 14 Prozent. In der aktuellen 30. Welle (Erhebungszeitraum: KW 24) ist das Klima mit 51 Prozent an die zweite Position geklettert und hat das Top-Thema Wirtschaft überholt.


Einstellungen: Green Shopping mit Einschränkungen

Die aktuelle Befragung zeigt, dass mit dem Sommer und den fallenden Inzidenzzahlen die Sorgen deutlich zurückgehen und die Optimismuskurve wie auch die Ausgabenbereitschaft im Gegenzug ansteigen. Je stärker die Kaufkraft, desto lockerer sitzt auch der Geldbeutel. So liegt die Bereitschaft, mehr Geld auszugeben, bei den Menschen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von über 3000 Euro bei 67 Prozent, während die Befragten mit einem geringeren Budget nur bei 34 Prozent liegen (Welle 1; KW 12/2020: 20 Prozent vs. 2 Prozent).

Corona hat beim Konsumverhalten ein Umdenken weiter forciert: 44 Prozent der Radar-Befragten gaben an, dass ihnen während der Pandemie klar geworden sei, "dass ich früher zu viel und zu gedankenlos konsumiert habe und deshalb künftig viel bewusster Produkte oder Marken auswählen werde". Noch beschränkt sich das Nachhaltigkeitsbekenntnis allerdings maßgeblich auf die Klassiker Nahrungsmittel und Verpackungsmaterial, die den Befragten zu 35 Prozent und 27 Prozent unter ökologischen Aspekten am wichtigsten sind. Mit am wenigsten wird dieses Kriterium bei der Auswahl des Urlaubszieles in Betracht gezogen (am unwichtigsten: 15 Prozent).

Als stabil über die gesamte Radar-Zeitreihe erweisen sich die nachhaltigen Einstellungsitems beim Kauf von Lebensmitteln: Hier geben durchschnittlich 63 Prozent der Befragten an, dass sie auf regionale Herkunft achten und 50 Prozent auf die Nachhaltigkeit von Produkten. Für 40 Prozent ist das Bio-Siegel ein wichtiges Kaufargument. Deutlich wird in der Analyse aber auch, dass man sich ein "grünes Gewissen" auch leisten können muss. So liegen die Werte in den kaufstärkeren Zielgruppen (mehr als 3000 Euro HHNE) klar höher als bei den einkommensschwächeren Segmenten, beim Bio-Siegel sogar um 28 Prozent. "Regional Shopping und nachhaltiger Konsum haben sich im Verbraucherverhalten manifestiert und werden weiter an Bedeutung gewinnen", prognostiziert Pilot-Geschäftsführerin Martina Vollbehr .

Konsum: Hybrides Shopping etabliert sich durch Corona

Das Einkaufsverhalten pendelt sich auf ein neues Normal ein - als hybrides Shopping. Der Kauf per Click konnte während der Pandemie breitere Zielgruppen erschließen, die vor Corona mit virtuellen Warenkörben noch nicht so vertraut waren. Social Shopping via Instagram & Co. hat sich etabliert. Immerhin 38 Prozent der Befragten stimmten dem Item zu "Ich habe meine Lust am Online-Shopping entdeckt und werde das auch in Zukunft viel häufiger tun als vor der Corona-Krise".

Im Gegenzug sind aber auch die Begehrlichkeiten nach realem Offline-Social-Shopping gestiegen - gerne flankiert durch Instagram-Posts, die die Anprobe-Sessions im Kreis der Freundinnen auch für die abwesenden FollowerInnen dokumentieren. Martina Vollbehr: "Online-Shopping hat einen wahren Boost erfahren, aber es kann den Kauf vor Ort nicht ersetzen. Klar hat sich wiederum auch gezeigt, dass sich der stationäre Handel viel stärker zu einem Ort der Inspiration wandeln muss."

Mediennutzung im Sommerloch

Der Lockdown hat die Mediennutzung in die Höhe schnellen lassen und beispielsweise das lineare wie non-lineare Fernsehen sowie Streaming befeuert. Diese Mehr-Nutzungs-Effekte flauen nun ab und die Kurven nähern sich wieder dem Vor-Corona-Verlauf an. Martina Vollbehr: "Mögen Bewegtbildangebote quantitativ die Favoriten sein, so qualifiziert sich die Presse für die Markenkommunikation unverändert über Orientierung, Information und Glaubwürdigkeit. Damit kann jedes Medium eine individuelle Wirkung für das Branding entfalten, wenn es zielgerichtet eingesetzt und inszeniert wird."

Gesellschaft: Mehr ICH als WIR

Corona hat unsere Gesellschaft verändert. Auch jenseits extremer Phänomene wie Verschwörungstheorien und Corona-Leugnertum sind Tendenzen zu beobachten, die das Gemeinschaftsgefüge nachhaltig verändern: Das Wir-Gefühl ist deutlich geschwunden. Zeigten sich 70 Prozent der Radar-Befragten in Welle 1 noch davon überzeugt, dass die Corona-Krise uns als Gesellschaft zusammenschweißen wird, so ist dieser Wert auf mittlerweile 33 Prozent in Welle 30 abgesackt.

In der vorliegenden 30. Welle wurden auch gezielt Items abgefragt, die auf tiefgreifendere psychologische Veränderungen durch die Pandemie schließen lassen:
  • "Größere Menschenansammlungen machen mir ein ungutes Gefühl, deshalb werde ich dies auch weiterhin vermeiden" stimmten 70 Prozent der Befragten zu.
  • "Ich freue mich jetzt viel mehr über schöne Erlebnisse als vor der Zeit der Corona-Krise" stimmten 69 Prozent der Befragten zu.
  • "Mir ist nun viel bewusster, wie wichtig meine Familie für mich ist und verbringe deshalb mehr Zeit mit ihr" stimmten 67 Prozent der Befragten zu.
  • "Im Freundes- und Bekanntenkreis wurde über die Corona-Pandemie sehr heftig und kontrovers diskutiert. Inzwischen meide ich lieber solche Auseinandersetzungen" stimmten 48 Prozent der Befragten zu.
  • "Mein Arbeitsalltag hat sich stark verändert und ich werde auch künftig viel häufiger von zuhause aus arbeiten" stimmten 32 Prozent der Befragten zu.

In Bezug auf das Impfmanagement zeigen sich über 60 Prozent der Befragten unzufrieden. 45 Prozent befürworten, dass Geimpften mehr Rechte eingeräumt werden sollten. Die Quote der Impf-Verweigerer liegt konstant bei 15 Prozent. 41 Prozent der Deutschen plädieren für die Abschaffung der Maskenpflicht, wobei sich vor allem jüngere Zielgruppen (18- bis 29-Jährige) stärker für eine Beibehaltung aussprechen (42 Prozent).

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