In der Corona-Krise ist das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die Medien gestiegen. Der Anteil derjenigen, die den Medien vorwerfen, die Bevölkerung systematisch zu belügen, ist dagegen gesunken. Das sind erste Ergebnisse einer repräsentativen Befragung für die Langzeitstudie 'Medienvertrauen', die vom Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)
und dem Institut für Sozialwissenschaften der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
durchgeführt wird. Die Fachzeitschrift 'Media Perspektiven'
berichtet vorab über die jüngste Erhebungsrunde.
Die Ergebnisse basieren auf einer repräsentativen Telefonumfrage, die das Meinungsforschungsinstitut IFAK im November und Dezember 2020 durchgeführt hat. Befragt wurden 1.207 BürgerInnen ab 18 Jahren.
Wie nachhaltig dieses gestiegene Vertrauen ist, muss sich jedoch erst zeigen. Seit Januar kann sich das Stimmungsbild erneut verändert haben, parallel zur wachsenden Unzufriedenheit mit dem politischen Krisenmanagement. Am Ende des Jahres 2020 stimmten jedenfalls 56 Prozent der Befragten der Aussage zu: "Wenn es um wirklich wichtige Dinge geht - etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale und Krisen -, kann man den Medien vertrauen." In den Vorjahren lag dieser Wert zwischen 41 und 44 Prozent, im Jahr 2015 sogar nur bei 28 Prozent. In der Coronakrise ging der Informations- und Orientierungsbedarf in der Bevölkerung offenbar mit wachsendem Vertrauen in die Medien einher. Nur 16 Prozent der Deutschen sagten im Jahr 2020, man könne den Medien "eher nicht" oder "überhaupt nicht" vertrauen, 28 Prozent äußerten sich ambivalent ("teils, teils").
"Lügenpresse"-Vorwurf verliert an Zustimmung
Gesunken ist der Anteil an Menschen, die extrem kritisch bis feindselig auf die etablierten Medien blicken: Insgesamt bejahten 11 Prozent der Deutschen die Aussage, dass die Bevölkerung in Deutschland von den Medien systematisch belogen werde. In den Vorjahren lag die Zustimmung zwischen 13 und 19 Prozent. Zwei Drittel weisen den "Lügenpresse"-Vorwurf in der neuen Befragung zurück - dies ist der bisher höchste gemessene Wert in der Langzeitstudie. Eine ähnliche Tendenz zeigt sich bei anderen Aussagen. So stimmten im Jahr 2020 nur noch 15 Prozent der Aussage zu: "Die Medien arbeiten mit der Politik Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren." 2019 waren es 23 Prozent. Insgesamt weisen mehr Menschen als in den vergangenen Jahren Aussagen zurück, die den Medien absichtliche Manipulation vorwerfen.
Zwischen Orientierung und Verdruss: Zufriedenheit mit Corona-Berichterstattung
Der Berichterstattung der etablierten Medien zur Corona-Pandemie bringen 63 Prozent der Deutschen großes Vertrauen entgegen. Lediglich 12 Prozent schätzen die Berichterstattung als nicht vertrauenswürdig ein, 23 Prozent ordnen sich in der Mitte ein.
Fast zwei Drittel, nämlich 65 Prozent, der Befragten gaben an, die Medienberichterstattung helfe ihnen dabei zu verstehen, was gerade passiert. Nur 16 Prozent stimmten dieser Aussage nicht zu. Allerdings finden 26 Prozent, dass Informationen fehlen, und 21 Prozent haben den Eindruck, dass Medienberichte den Informationen widersprechen, die sie aus anderen Quellen erhalten haben. Ein Viertel der Deutschen findet die Berichterstattung zu Corona übertrieben. Diesen stehen 47 Prozent gegenüber, die das nicht so sehen. Bei vielen Menschen zeigt sich allerdings ein Überdruss am Thema und der medialen Berichterstattung: 40 Prozent finden, dass die Medien zu viel über Corona berichteten, 34 Prozent teilen diesen Eindruck nicht, 25 Prozent beziehen hier keine klare Position ("teils, teils").
Vertrauen in Mediengattungen bleibt stabil
Beim Vertrauen in unterschiedliche Mediengattungen zeigen sich in der Corona-Krise die gleichen Muster wie in den Vorjahren. Das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist mit 70 Prozent am größten (in den Vorjahren lag es zwischen 65 und 72 Prozent). Danach folgen Regionalzeitungen - diesen vertrauen rund zwei Drittel der Deutschen (Vorjahre: 63 bis 65 Prozent). Überregionalen Tageszeitungen vertrauen 56 Prozent der Bevölkerung (Vorjahre: 49 bis 55 Prozent). Das private Fernsehen mit 23 Prozent und Boulevardzeitungen mit 7 Prozent werden auch in der Corona-Krise nicht als besonders vertrauenswürdige Medien wahrgenommen.
Zwar genießen auch in der Corona-Zeit dieselben Mediengattungen wie in den vergangenen Jahren das Vertrauen der Menschen, anders als beim allgemeinen Vertrauen in die Medien zeigt sich aber kein großer Vertrauenssprung. Dieser Befund spreche dafür, so die StudienautorInnen, dass die Orientierungsleistung der Medien in unsicheren Krisenzeiten zwar als Ganzes gewürdigt wird, einzelne Angebote oder Gattungen dabei aber nicht hervortreten.
Geringes Vertrauen in Social-Media-Angebote
Social-Media-Angebote werden von den meisten Deutschen auch in der Corona-Krise nicht als vertrauenswürdige Nachrichtenquellen angesehen. Nur 5 Prozent der Befragten vertrauen Nachrichten auf sozialen Netzwerken (Vorjahre: 3 bis 10 Prozent). Nachrichten auf Videoportalen finden 10 Prozent vertrauenswürdig (Vorjahre: 4 bis 8 Prozent). Und alternative Nachrichtenseiten halten 14 Prozent der Bürgerinnen und Bürger für vertrauenswürdige Nachrichtenquellen (Vorjahre: 12 bis 14 Prozent). Auch geschlossene Gruppen auf Messenger-Diensten, deren Rolle in der Corona-Pandemie kontrovers diskutiert wird, halten nur 5 Prozent der Bevölkerung für vertrauenswürdige Nachrichtenquellen. Mit 53 Prozent weisen diese unter den Social-Media-Angeboten den höchsten Anteil an Befragten auf, die diese Nachrichtenquelle als nicht vertrauenswürdig empfinden.