Printmailing

Dialog des Monats: Warum nur, warum, du liebe ZEIT?

04.07.2024 - Man hätte die Vorzüge einer Wochenzeitung schildern können. Oder die Kompetenz des Empfangenden loben. DIE ZEIT hat sich für den Griff in die Mailing-Steinzeit entschieden.

von Joachim Graf

In früherer Zeit, als ein richtiger Mann noch ein richtiger Mann, eine richtige Frau noch eine richtige Frau und der richtige Weg zum Vertriebserfolg noch ein Standard-Printmailing war, da hat man es so gemacht.

Erstens: Anschreiben mit Aktionsangebot.
Zweitens: Involvement-Element mit Aktions-Wiederholung.
Drittens: Rückumschlag mit Vorteils-Wiederholung.
Viertens: Adressen einkaufen, ab zum Dialogdienstleister und: Bämm!

Der erste Eindruck: DIE ZEIT ist eine ehrwürdige Wochenzeitung, gegründet 1946. Vermutlich aus diesem Jahr stammt auch das Dialogmarketing-Handbuch, anhand dessen das Mailing designed worden ist.

Hauptargumentation: Sogar das inhaltliche Konzept dieses Printmailings ist schon ein paar Jahre alt und wird von den ZEIT-Marketeern regelmäßig immer wieder in Social-Media-Ads gespielt: "Mach mit bei einer kontroversen Kurzumfrage und kriegst DIE ZEIT zum Testabo-Preis".

Insoweit ist es nicht "die große Umfrage der ZEIT", wie im Betreff versprochen, sondern eine von vielen - was die Empfangenden sicher wissen. Doch abgesehen vom Einstiegsabsatz (und dem Fragebogen) ist im gesamten Mailing kein Wort mehr über "die große Umfrage". Dabei hätte man so schön das Thema Leserbindung spielen können: Wir die Redaktion und Sie, der (zukünftig) Lesende arbeiten gemeinsam an den Themen der Welt - und könnte dann noch die Qualität der ZEIT-Redaktion schildern. Aber nein. Nur: Warum statt dessen eine Bauernfängerumfrage?

Die Gestaltung: "Für nur 5 Euro 5 Ausgaben testen": Warum soll ich das tun? Es wird nicht erklärt. "Sie wurden ausgewählt", heißt es im Betreff. Warum? Es wird nicht erklärt. "Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse an", heißt es auf dem Print-Vordruck, den ich ausfüllen und per Papierumschlag zurückschicken soll. Nur: Warum haben die Machenden kein Dialog-Handbuch verwendet, in dem bereits das Internet erwähnt wird? Vielleicht sogar eines, das die Begriffe "Customer Journey" und "Touchpoints" kennt?

Die Personalisierung: Adresse und Anrede. Das wars. Ob ich Print- oder Digital-Interessent bin, ob ich Studierender bin oder nicht: Die Daten scheinen es nicht herzugeben, ich kriege sicherheitshalber mal alles angeboten. Nur: Warum keine Datenintegration, offenbar stammen die Adressen aus dem Alt-Abonnentenstamm des ZEIT-Verlags?

So hat das Mailing bei mir funktioniert: Sie werden es sich gedacht haben: Ich habe heute kein "Bämm!" für Giovanni.

Selten hat mich ein Mailing mehr geärgert als dieses - vermutlich, weil ich branchenbetroffen bin (und ich DIE ZEIT als hochwertiges redaktionelles Angebot schätze). Dialogmarketing-Versatzstücke aus der Mottenkiste, lieblos zusammengehäkelt. Da fehlen wirklich nur noch die persönliche Jahresglücksnummer und das Rubbelfeld mit garantierter Wertsteigerungs-Chance.

Abgesehen von der inhaltlichen Schimäre aus Aboangebot und Umfrage, die dieses Mailing darstellt: Es ist ein personalisierter Medienbruch, da hilft der integrierte QR-Code nur wenig. Wen die Mailing-Zielgruppe nicht schert, wem die Adresselektion offenbar egal ist und wer auf Dialog-Textbausteine zurückgreift, muss wohl auch den Responsekanal ignorieren.

zeit.de/verkehr-umfrage  

In unserer Rubrik "Dialog des Monats" stellen Marketingexperten jeden Monat eine Dialogmaßnahme vor, die ihnen aufgefallen ist. Die Rezension in diesem Monat stammt von ONEtoONE-Herausgeber Joachim Graf, der des Schreibens und Lesens zwar mächtig, aber zu beidem nicht notwendigerweise gewillt ist.

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  • Bild: Rainer Fischer
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