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von DDV Deutscher Dialogmarketing Verband e. V.
Da war schon Tante Emma klar: Der direkte Draht zur Kundschaft ist Gold wert. Wer die Käuferinnen und Käufer im eigenen Laden hat, kann sie besser beraten, kann ihnen zusätzliche Produkte anbieten, baut eine gute Beziehung zu ihnen auf und kennt irgendwann ihre Vorlieben. Genau das machen sich seit einigen Jahren Hersteller und Marken zunutze: Direct-to-Consumer lautet das Motto, das mehr Insights, mehr Umsatz und mehr Kundenbindung verspricht.
Erst mit der Digitalisierung bot sich Herstellern die Chance, den unmittelbaren Kontakt zu Konsumenten zu pflegen: der eigene Online-Shop oder Social Commerce via Facebook
, Insta
, TikTok
& Co sind einfacher zu bewerkstelligen als der Aufbau eines Filialnetzes. Allerdings sind die Anforderungen an den E-Commerce auch nicht zu unterschätzen: einen Online-Shop zu etablieren, ein tadelloses Fulfillment, eine Top-Logistik und einen Highend-Service auf die Beine zu stellen, ist anspruchsvoll, aufwändig und kostspielig. Auch sollte sich jedes Unternehmen gut überlegen, ob es die Partnerschaft mit dem Handel aufs Spiel setzen will - die Händler sind naturgemäß nicht amüsiert, wenn Hersteller ihnen über eigene Kanäle Konkurrenz machen.
D2C-Kundschaft hat andere Ansprüche an Qualität und Service
Trotzdem starten immer mehr Unternehmen das digitale Direktgeschäft. Dabei sind die Ansprüche der Kundschaft an D2C-Shops andere als jene, die sie an Händler stellen: Laut der von United Internet Media (UIM) in Auftrag gegebenen Studie "Relevanz des E-Mail-Postfachs bei D2C" erwarten die Befragten in Online-Shops von Marken oder Herstellern eher qualitativ hochwertige Produkte und einen guten Kundenservice, bei Händlern oder Marktplätzen dagegen eher günstige Angebote und hilfreiche Bewertungen.
D2C beschränkt sich nicht auf bestimmte Sortimente. Die IFA zum Beispiel meldet aktuell im Beitrag "Entwicklung des Direktverkaufs (DTC) 2024", dass sich die technische Konsumgüterbranche durch D2C-Strategien erheblich verändert. Auch dort heißt es: "Insgesamt sind Preis und Verkaufsförderung - nach wie vor die wichtigsten Kaufkriterien. Sie sind beim D2C-Kauf im Vergleich zum gesamten Einzelhandelsmarkt jedoch relativ gesehen weniger wichtig."
Die IFA beruft sich auf eine GfK-Studie. Der zufolge messen Kunden, die direkt kaufen, bestimmten Faktoren eine größere Bedeutung bei als Verbraucher, die im Einzelhandel gekauft haben - dazu zählen der Kundendienst nach dem Kauf, sachkundige Mitarbeiter und detaillierte Produktinformationen. Das deute darauf hin, "dass diese Verbraucher glauben, dass die Hersteller ihre eigenen Produkte am besten kennen und daher einen besseren Beratungsservice bieten können". Außerdem schätzen D2C-Kunden die Exklusivität, denn oft sind Produkte in Marken-Shops früher zu haben als im Handel.
First-Party-Daten bieten enorme Möglichkeiten
Allerdings ist das D2C-Geschäft kein Selbstläufer: Beiersdorf zum Beispiel erlitt mit seiner 2021 gelaunchten personalisierten Gesichtspflegemarke Own (Only What's Needed) eine Bauchlandung und stellte den Shop nach rund einem Jahr wieder ein. "Wir haben bei Own den Fehler gemacht, mit einer neuen Marke zu starten", das mache den Online-Direktvertrieb ungleich schwerer, sagte Beiersdorf-Chef Vincent Warnery damals dem Handelsblatt.
Trendige Start-ups hängen die Großunternehmen mit ihren traditionellen Marken aber tatsächlich oft ab: Wer sich mit hippen Produkten und einer guten Social-Media-Strategie ins D2C-Geschäft wagt, hat insbesondere bei jungen Zielgruppen gute Erfolgschancen. Wer es dann noch versteht, die generierten First-Party-Daten über Kaufverhalten, Warenkörbe, Abbrecherquoten, Wiederkaufraten etc. pp. intelligent für individuelle Kundendialoge, maßgeschneiderte Kauferlebnisse, personalisierte Angebote und eine zielgruppenorientierte Produktentwicklung zu nutzen, der dürfte im D2C-Business beste Geschäfte machen.
Holger Schibbe ist Head of Performance Products & Cooperations von United Internet Media (UIM) und Stellvertretender Vorsitzender des Kompetenz-Centers Digitaler Dialog im DDV.
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"Ein großer Vorteil ist der Datenschatz"
Herr Schibbe, wie entwickelt sich der D2C-Markt derzeit?
Holger Schibbe: Laut Zahlen vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh) gingen 2023 zwar die Umsätze der D2C-Vertriebe von 3,24 auf 2,88 Milliarden Euro zurück. Trotz des Minus liegt das aktuelle Niveau aber 62 Prozent über dem Wert vor Ausbruch der Pandemie 2019. Es handelt sich also um eine vorübergehende Delle in einem Wachstumsmarkt. Das bestätigt die Studie "Digital Dialog Insights" der Hochschule der Medien in Stuttgart und UIM: 85 Prozent der befragten Marketing-Expertinnen und -Experten erwarten, dass Marken den D2C-Vertrieb weiter ausbauen. Dafür spricht die stärkere Präsenz der Brands im digitalen Alltag: Online-Shops, Anwendungs-Videos, digitaler Dialog - alles ist in wenigen Klicks erreichbar.
Welche Vorteile bietet denn der direkte Kundenkontakt den Herstellern?
Holger Schibbe: Die Hersteller haben mehr Markenkontrolle und bestimmen selbst die Möglichkeiten der direkten Interaktion sowie die Touchpoints. Neben den höheren Margen liegt einer der größten Vorteile im Datenschatz: D2C-Player wissen, was, wann, wie und mit welcher Werbung gekauft wird. Mit dem Feedback lassen sich Angebote entwickeln und die Hersteller können schneller auf Trends reagieren.
Wie wird sich der digitale Kundendialog weiterentwickeln?
Holger Schibbe: Der digitale Dialog ist bereits effizient und stark skalierbar. Künftig hebt KI die Automatisierung auf ein neues Level. Der größte Vorteil ist die Personalisierbarkeit, zum Beispiel mithilfe von direkter Anrede, interessanten Neuheiten, speziellen Rabatte, ergänzenden Angebote oder Informationen über nahe gelegene Filialen. Die gesamte Customer Journey - von der Registrierung und Newslettern über Bestellbestätigung und Sendungsverfolgung bis zum Feedback - wird damit zur individuellen Reise.