Casestudy

Poetry trifft Künstliche Intelligenz - und ein Drucker findet neue Zielgruppen

25.06.2024 - Von geprompteten Kunstwerken bis hin zu persönlich designten Plakatkampagnen: Auch für Druckerzeugnisse hält die generative Künstliche Intelligenz einige Wow-Momente bereit.

von Irmela Schwab

Was passiert, wenn die Dynamik eines Poetry Slam auf Künstliche Intelligenz trifft? Das Kommunikationsunternehmen Stämpfli   aus Bern hat es ausprobiert: Bei mittlerweile bereits zwei Ausgaben eines "Prompt Battles" versammelte sie im vergangenen Oktober und jetzt wieder im März jeweils 16 Kreative und Künstler, die sie - wie bei einem Poetry Slam - im Turnier-Modus gegeneinander antreten ließ. Die Aufgabe: unterschiedliche Motive, die das Publikum auswählt, in Sekundenschnelle zu visualisieren. Als Werkzeug dafür griffen sie auf das generative Bild-KI-Tool Dall-E zurück. "Das KI-Turnier sorgte in der ausverkauften Berner Location Cinematté für beste Unterhaltung", freut sich Caspar Loesche, Kommunikationsleiter bei Stämpfli.

Technische Umsetzung der Kampagne zum Prompt Battle

Um das Prompt Battle zu bewerben hat Stämpfli neben Plakaten auch Flyer produziert und darauf die individuellen KI-generierten Bildmotive der Stämpfli-Mitarbeiter abgebildet. Dazu wurden die Flyer und Plakate in Indesign gestalterisch vorbereitet und dann per Script mit den von der KI generierten Bildern zusammengeführt. Dies wurde dann als PDF mit vielen hundert Seiten exportiert. Während Stämpfli die kleineren Flyer auf der Inkjet-Bogendruckmaschine Canon varioPRINT iX3200 direkt druckte, wurden die größeren Plakate mit A2-Format an einen Partner weitergegeben.

Und das nicht nur für einen Abend: Die Druckerei, die in der siebten Generation im Familienbesitz geführt wird, hat es im Vorfeld des "Prompt Battle" ausprobiert, was im Bereich Individualisierung mit KI machbar ist. Mit moderner Digitaldruck-Technologie gelingt es, die einzelnen Motive via InDesign-Skript zu überführen und in den Druck zu senden.

"Eine Sache von Minuten", erklärt Loesche. Um für das KI-Turnier zu werben, wurde 2023 das Wahrzeichen der Schweizer Hauptstadt, der Bär, im Weltall visuell inszeniert. Mithilfe der KI erstellten sie 700 Motive von Astronauten-Bären in jeweils unterschiedlichen Kunststilen, die in Bern auf Plakaten zu sehen waren. Für die zweite Ausgabe des Prompt Battle im März 2024 wurde das Motiv des Astronauten-Bären dann zu einem Space Zoo erweitert und gleichzeitig die Community involviert: Stämpfli-Mitarbeitende prompteten an einem eigens eingerichteten Prompt Booth in der Eingangshalle des Berner Hauptsitzes 175 verschiedene Motive. Weil die Plakate mit den Namen ihrer Kreateure versehen waren, konnten die Motive - als die Plakate schließlich in der Stadt aushingen - einzelnen Kolleginnen und Kollegen zugeordnet werden. Was dann den internen Slack-Chat heiß laufen ließ.

Neben der Aufmerksamkeit zeigt das KI-Turnier auch, wie man die Öffentlichkeit in einzelne Kampagnen einbinden und dabei viele individuelle Motive kreieren kann. "Eine Plakatkampagne beispielsweise hat dann unterschiedliche Aspekte und sieht nicht immer gleich aus, bleibt aber wiedererkennbar", so Loesche. Denkbar sei es außerdem, die Kreateure, die bei der Motiv-Erzeugung mitgeholfen haben, aufzurufen: "Finde dein Plakat und gewinne!", spinnt der Stämpfli-Sprecher den Faden weiter. "Auf diese Weise lässt sich spielerisch zwischen digital, Print und der Community springen." Den Bruch zwischen analog und digital sieht er dabei als unproblematisch an - unter der Voraussetzung: "Die einzelnen Bestandteile müssen auch losgelöst voneinander funktionieren."

Stämpfli selbst hat den internen Wissensaufbau bereits vor einem Jahr begonnen: In mehreren Brownbag-Sessions berichteten einzelne Mitarbeitende, wo sie beim Thema KI gerade stehen und was die Herausforderungen in ihren Bereichen sind. "Designer zeigten den Stand der Bildgenerierung, die Bildabteilung jenen der Bildbearbeitung, Entwickler sprachen über den Einsatz beim Coden, das Lektorat über Textarbeit. Dadurch konnten wir eine Grundlage schaffen und darauf aufbauend integrieren wir jetzt KI in unseren Arbeitsalltag und haben mehrere Projekte aufgesetzt, die weitere Anwendungen entwickeln."

Um ihren Kunden aus Verlagen, Verbänden und werbungtreibenden Unternehmen den spielerischen Umgang mit neuen Technologien zu zeigen, hat Stämpfli das Erfolgsbeispiel beim halbjährlichen Kundenevent "IMPULS", einem Barcamp für Verbandskommunikation, im März vorgestellt. Für Loesche und seine Kolleginnen und Kollegen steht fest: "KI wird Kommunikation und Marketing beeinflussen, verändern oder gar revolutionieren."

Die "Prompt Battle" etwa soll dazu anleiten, wie das Beste aus den Welten analog und digital, Retro und Avantgarde genutzt werden kann. Durch die Digitalisierung hat sich letztlich auch das Traditionsmedium Print weiterentwickelt. So ist der Druck von Hunderten von Motiven - wie es beim Berner Bären der Fall war - keine große Hürde mehr. "Für Unternehmen, die ihre Zielgruppe mit eigenen Kundenmagazinen ansprechen, aber auch für Verlage entstehen damit neue Möglichkeiten, ihre gedruckten Produkte nach Zielgruppensegmenten zu personalisieren und damit noch wertschätzender auf sie zuzugehen", so Loesche. "Das Format macht wirklich Spaß und Lust darauf, mit KI umzugehen", findet Loesche. Mittlerweile hätten sogar schon Unternehmen angeklopft, die einen solchen Wettkampf intern nutzen wollen, um KI spielerisch einzuführen und Berührungsängste abzubauen. Und abgestimmt wird selbst beim digitalen Prompt Battle noch ganz bewusst analog, mit gedruckten Abstimmungskarten.

Dass Print für diese wertschätzende Kommunikation steht, bemerkte man bei Stämpfli auch bereits im Vorfeld des IMPULS-Kundenevents. Über ein postalisches und digitales Mailing konnten sich die rund 1.000 Eingeladenen anmelden. Explizit absagen konnten sie allerdings nur über Rücksendekarten in Schriftform. "Überraschenderweise machten davon viele Gebrauch. Die meisten schrieben sogar persönliche Zeilen dazu", berichtet Loesche. Das hat Stämpfli in ihrer Strategie, verschiedene Kanäle der Kommunikation zur Verfügung zu stellen, noch bestärkt. "Will ich schnell kommunizieren, mache ich das über den digitalen Kanal. Will ich etwas dazu sagen, wähle ich Print", erklärt der Kommunikationschef. Wichtig ist ihm dabei vor allem, von der Entweder-oder-Denke abzusehen.

Einzelne Zielgruppensegmente personalisiert ansprechen

Mit dem Zukunftsthema der Individualisierung beschäftigt sich die Druckerei schon länger. Vor gut 20 Jahren erschien für einen Kundenanlass ein erstes Magazin, das im Editorial den jeweiligen Namen des Empfängers und Bilder vom Event enthielt. "Vor dem programmatischen Digitaldruck war das natürlich noch ein vergleichsweise höherer Aufwand", klärt Loesche auf.

Über das Personalisierungstool von Stämpfli können die Leiter der Filialen des Reiseanbieters Kuoni ihre eigenen Reiseangebote erstellen - und damit das zentrale Marketing erheblich entlasten. Basierend auf ihrer Kundendatenbank können sie die einzelnen Angebote ganz auf die Präferenz ihrer jeweiligen zuschneiden, die von Stämpfli gedruckt werden. (Bild: Stämpfli AG)
Über das Personalisierungstool von Stämpfli können die Leiter der Filialen des Reiseanbieters Kuoni ihre eigenen Reiseangebote erstellen - und damit das zentrale Marketing erheblich entlasten. Basierend auf ihrer Kundendatenbank können sie die einzelnen Angebote ganz auf die Präferenz ihrer jeweiligen zuschneiden, die von Stämpfli gedruckt werden.

Kuoni: Reiseangebote für unterschiedliche Vorlieben erstellen

Der internationale Reisekonzern Kuoni aus Zürich hat sich ebenfalls an Stämpfli gewandt, um sein zentrales Marketing zu entlasten. Dabei geht es vor allem darum, Schaufensterwerbung und Flyer in den 80 Reisebüros je nach Gebiet und Saison flexibel anzupassen. Jede Filiale kann selbst entscheiden, welche Angebote sie in die Auslage nehmen möchte. Dazu hat Stämpfli ein Personalisierungs-Tool kreiert: Die dazugehörigen Texte und Bilder werden im vorgegebenen Kuoni-Layout erstellt und anschließend direkt in Druck gegeben. "Innerhalb weniger Tage senden wir die gedruckten Angebote dann an die Filialen", schildert Loesche. Nicht nur für Reisebüros bringt das eine große Entlastung der Marketingabteilung: "Wer viele Filialen hat, wie zum Beispiel Versicherungen, Restaurantketten oder Apotheken kann über den personalisierten Druck viele verschiedene Angebote erstellen - und damit den Geschmack seiner Kunden punktgenau treffen."

Projekt-Steckbrief Reiseangebote
Auftraggeber: Kuoni
Zielgruppe: B2C
Dienstleister: Stämpfli AG

Projekt-Steckbrief Prompt Battle
Auftraggeber: Stämpfli AG
Zielgruppe: B2C
Dienstleister: Stämpfli AG

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  • Bild: Sven Müller
    Sven Müller (AutLay - Automatisches Layout GmbH)

    Data has a better idea: Das Wissen über Ihre Kunden richtig nutzen, um den Wert Ihrer Printanstöße zu maximieren

    Im Print ist oftmals noch die Massenkommunikation der Standard - das wirkt beim Versender und beim Empfänger oft nicht mehr zeitgemäß und hat einen negativen Einfluss darauf, wie der Kommunikationskanal in der heutigen Zeit wahrgenommen wird.

    Schade ist dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass werbetreibende Unternehmen immer mehr Wissen über ihre Kundinnen und Kunden aufbauen, was eine gute Grundlage für eine werthaltige, Kontext-bezogene und individualisierte Printkommunikation darstellen würde. Allerdings wird das Wissen aktuell (wenn überhaupt) meist in digitalen Kanälen verwertet.

    Der Vortrag gibt einen Überblick darüber, welche Informationen Werbetreibende über ihre Kundinnen und Kunden haben (können) und welche Ebenen der Printkommunikation sich damit auf die Empfänger(-innen) des Werbemittels zuschneiden ließen. Dabei gibt es deutlich mehr Möglichkeiten als "nur" die Auswahl der Inhalte / Produkte zu individualisieren.

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