Mehrmals hat Google
der Werbung mittels Drittanbieter-Cookies schon den Garaus angedroht, jüngste Deadline ist nun das 3. Quartal 2024. Die Sache ist aber kompliziert. Erste Ankündigungen zum Aus für sogenannte Third-Party-Cookies gab es schon vor mehr als zehn Jahren, ein Aufschub folgte dann dem nächsten.
ONEtoONE 2/2024 - Programmatic Printing
Die Zeit brauchte Google offenbar dringend, um eine alternative Infrastruktur aufzubauen. Privacy Sandbox nennt der Konzern seine cookielose Neuerung, warnt auf seinem gleichnamigen Blog aber, Stand April 2024, immer noch davor, dass sich alles noch jederzeit ändern könne. "Die Privacy-Sandbox-Vorschläge befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsphasen", heißt es dort. "Der Zeitplan kann sich ändern und wird monatlich aktualisiert." Worum es Google letztlich geht, sind "neue datenschutzfreundliche APIs und andere Technologien" zu entwickeln, die "wichtige Anwendungsfälle" auch ohne die Unterstützung durch Drittanbieter-Cookies funktionieren lassen. Warum sind letztere so wichtig? Sie ermöglichen es Unternehmen, User-Innen über Werbe-Cookies überall dorthin folgen, wo sie weitere Werbung platziert haben und lassen sich darüber immer wieder mit genauen Angaben zu deren Verhalten identifizieren.
Google bereitet Privacy Sandbox vor
Besuchte Seiten, Dauer des Aufenthalts und Clicks werden anonym abgespeichert und bei kommenden Werbemaßnahmen berücksichtigt. UserInnen, so das Versprechen, erhalten dank Third-Party-Cookies weit relevantere Anzeigen und Spots ausgespielt als ohne. Die Frage ist nun: Was kommt nach Third-Party-Cookies? Wie vermeiden Unternehmen es, ihre potentiellen KundInnen gleich von vorneweg zu nerven? Die Privacy Sandbox verspricht alle Datenschutzregelungen einzuhalten (ein ewiger Vorwurf an Third-Party-Cookies ist ja, dass sie unter dem Deckmantel der Anonymität letztlich Stalking betreiben, selbst nach bereits erfolgtem Kauf), aber weiter effektiv relevante Werbeausspielungen zu ermöglichen. Ein paar Details hat Google bereits bekannt gegeben.
Token vs. Bots und Cyberangriffe
Da sind zum einen die sogenannten Private State Tokens, die Menschen und Bots oder böswillige Angreifern auseinander halten. Regelmäßige Anmeldungen auf Websites lassen diese obige Token für den Browser ausstellen, was dazu führt, dass anderen Websites eine menschliche BesucherIn bestätigt wird. Eine andere Neuerung sind Topics API, Kategorien, die der Browser aus dem Suchverlauf herausdestilliert und stets wiedererkennt. Vor allem Topics sollen personalisierte Werbung weiter möglich machen.
Aufwendige Customer Data Platforms
Dann gibt es noch die sogenannte Protected Audience API, ein Remarketing-Angebot, dass Websites die Möglichkeit gibt, Google nach Besuchen vorzuschlagen, den BesucherInnen auf ihrem weiteren Weg durch das Internet ihre Werbung anzuzeigen. Die API geht noch weiter: Websites erhalten dadurch die Möglichkeit, Google mitzuteilen, welche Werbung angezeigt werden soll und für wie viel Geld. Ein Algorithmus in Chrome rechnet dann aus, welche Werbung wo ausgespielt werden soll.
Unabhängig von Google bieten Customer Data Platforms (CDPs) die Möglichkeit, Werbung aus eigenen Kräften personalisiert auszuspielen. Präzise und detaillierte Daten von KundInnen zu sammeln, ist aber gar nicht so einfach. Vor allem ist es aufwändig. Daten aus unterschiedlichen Quellen müssen zusammengeführt und miteinander verglichen werden, um Dubletten zu vermeiden und den jeweils aktuellsten Stand zu identifizieren. Es hilft nichts - wer auf diesen Weg der Personalisierung setzt, muss moderne CDP-Anbieter nutzen. Und die sind nicht gerade billig. Tealium, SAP, Salesforce und Bloomreach heißen einige der Unternehmen, die Personalisierung per CDP ermöglichen.
Semantische Werbung zielt daneben
Immerhin interessengesteuert ist die Möglichkeit, Werbung nach semantischen Kriterien zu schalten. Sportkleidung auf Webseiten mit Sportberichterstattung, Mode auf solchen über Mode. Personalisiert ist sie dann natürlich nicht, aber Contextual Advertising wird immer auf Menschen treffen, die über ihre Interessen angesprochen werden können. Allerdings: Genauso wahrscheinlich ist es, dass dabei nicht die richtige Altersgruppe, Demografie oder Geschlecht angetroffen wird, die Streuverluste also hoch sind.
Retail Media kann teuer werden
Deutlich treffsicherer ist da schon Retail Media: dort werben also, wo die eigenen KundInnen mit Sicherheit anzutreffen sind. Denn die Anbieter von Retail Media arbeiten mit First-Party-Daten, also mit exakten und detaillierten Angaben zu den gewünschten KundInnen. Werbekampagnen sind damit so gut wie streuverlustfrei. Wer die 25+-StudentInnen in Berlin-Neukölln erreichen will, wird das ebenso problemlos erreichen, wie nur die 45+- Skifahrer in Bayern mit seiner Werbung anzusprechen. Nur: Dank der Bidding-Verfahren kann das teuer werden.
Programmatic Printing ist da deutlich günstiger und zudem fast genau so schnell wie Online-Werbung. Von dem Entschluss, Werbemittel zu drucken und per Post auszusenden bis zur Ankunft im Briefkasten der Zielgruppe vergehen im Idealfall nur 24 Stunden.
Personalisierte Werbung kostet mit Programmatic Printing am wenigsten
Das Budget dafür ist überschaubar, der Aufwand ebenso, die KPIs sind klar definiert. Das Beste: Voll adressierten Postkarten und Briefen müssen VerbraucherInnen nicht erst zustimmen. Die DSGVO erlaubt es dabei nicht nur, eigene Kundenadressen mit Werbung anzuschreiben, sondern auch extern zugekaufte. Wo solche zu haben sind und welche Leistungen von den Adresshändlern im Detail zu erwarten sind, darüber informiert der Info-Kasten.
Auf das Konto der programmatisch gedruckten Werbemittel geht natürlich auch die haptische Wirkung des Papiers, die Aufmerksamkeit und Konzentration nach wie vor deutlich besser fördern als ein ständig sich verändernder und zur Veränderung aufrufender Bildschirm. Wie sehr Menschen Wertigkeit und Glaubwürdigkeit des Mediums Print schätzen, zeigen Studien immer wieder. Die Wirkung speziell von Printmailings hat zuletzt die Deutsche Post mit dem Collaborative Marketing Club in der CMC Print-Mailing-Studie 2023 untersucht.
20 Prozent der Printmailing-Adressaten besuchen den beworbenen Shop
Demnach sorgen Werbebriefe nachweislich für mehr Traffic in Online-Shops: Rund jeder fünfte Bestandskunde sucht nach deren Lektüre die beworbenen Internetkaufhäuser auf. Durchschnittlich erzielen Printmailings eine durchschnittliche Konversionsrate von 5,4 Prozent. Und: Bestandskunden geben nach Erhalt eines Werbebriefs im Schnitt 10 Prozent mehr bei ihrer nächsten Bestellung aus als bei der vorhergehenden.
1 Euro Einsatz, 9 Euro Umsatz
Hinzu kommt, dass Printwerbung per Post hoch profitabel ist. Der Return on Advertising Spend liegt bei über 900 Prozent vor Retoure. Jeder Euro, der für Printmailings eingesetzt wird, kommt also neunfach zurück. Ein Grund dafür: Gedruckte Werbesendungen werden lange aufbewahrt. Fast die Hälfte aller Bestellungen (47 Prozent), die darauf zurückzuführen sind, landen erst nach mehr als fünf Wochen im Auftragsordner der Onlineshops.
Torsten Grüske, Vice President Produktmanagement Dialogmarketing, Deutsche Post AG, bekräftigt: "Das Print-Mailing erweist sich somit für den E-Commerce als wirksames Werbemittel, das für mehr Traffic - und damit im Idealfall auch für mehr Umsatz - im Online-Shop sorgt." Und Christian Hain, Gründer und Geschäftsführer,
Collaborative Marketing Club - CMC GmbH
, sagt: "Das Bestandskundenmarketing rückt angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch stärker in den Fokus: Print-Mailings sind hier zweifelsohne ein wichtiger und effektiver Marketingkanal. Die Ergebnisse der RFM-Analyse zeigen deutlich, wie wichtig es für Online-Shops ist, aus Einmalkäufern dauerhafte Bestandskunden zu machen."
Kurz nach dem Kauf im Online-Shop wirken Printmailings am besten
Eine RFM-Analyse gibt Aufschluss über die Kaufwahrscheinlichkeit verschiedener Zielgruppen-Segmente. Leitend sind die Kennziffern Recency, Frequency und Monetary Value. Print-Mailings, belegt die Studie, wirken in der Bestandskundschaft dabei vor allem dann besonders gut, wenn sie kurz nach dem letzten Kauf verschickt werden. Und: Je häufiger eine Kundin oder ein Kunde kauft, desto wirksamer sind aktivierende Print-Mailings.
PP-Anwendung
Cross- und Up-Selling
Die Digital Print Group, ein Print Service Provider mit mit mehreren Online-Shops, druckt unter anderem Bücher, Loseblattwerke, Kataloge, technische Dokumentationen, Magazine und Gutscheine. Cross-Selling: KundInnen, die in dem Webshop meinekartenmanufaktur.de eine individualisierte Einladungskarte gekauft haben, wurden nach einigen Wochen mit einem hochindividualisierten Printmailing erneut angesprochen. Darin wurden sie an ihren Kauf erinnert und auf die passenden Fotokalender im Onlineshop fotokalender.com hingewiesen, die mit den Bildern der Feier gestaltet werden können. Up-Selling: BestandskundInnen, die in den vergangenen zwölf Monaten nichts mehr gekauft haben, sollten aktiviert werden. Wer einen Wandkalender gekauft hat, erhielt Empfehlungen für weitere Formate wie Terminplaner. Als weiteren Kaufanreiz neben den personalisierten Empfehlungen gab es in den Mailings aufgedruckte individualisierte Gutschein-Codes, die später auch der Erfolgskontrolle dienten.
Response-Steigerung
Die Orion Versand GmbH betreibt seit 1981 ein Kataloggeschäft mit Erotikartikeln. Anfangs noch unter dem ursprünglichen Namen Beate Uhse Versand, später dann unter dem heutigen Firmennamen Orion Versand, weil die Sexshop-Pionierin den Distanzhandel aus ihrem Unternehmen ausgegliedert hatte. Seit 2023 setzt Orion Versand auf Programmatic Printing. Verschickt wurden zuerst Karten, Wickelfalzflyer und 16-Seiter. Der Warenkorbumsatz, den Orion über die Klappkarte in individuellen Ausführungen erzielte, lag um 35 Prozent höher, als jener, der mit herkömmlicher Werbung per Post erreicht wurde. Auch der Umsatz mit Produkten direkt aus der Programmatic-Printing-Kampagne heraus war deutlich höher als der mit konventionell beworbenen Artikeln: um 60 Prozent. Für eine zweite Sendung wurde die Recommendation Engine zu Testzwecken so parametrisiert, dass nicht mehr der reine Absatz im Vordergrund stand, sondern der Umsatz, der mit den beworbenen Produkten erzielt wurde. Ergebnisse liegen noch nicht vor.
Warenkorbabbrecher
Styleboom ist mit dem Online-Shop Seventyseven auf Cross- und Upselling durch das Vorschlagen ganzer Outfits spezialisiert und warb damit lange erfolgreich auf Social Media. Doch dann funktionierte der Kanal immer weniger gut, weil Wettbewerber aus dem asiatischen Raum die sozialen Netzwerke mit exorbitant hohen Werbebudgets fluten. Über die Empfehlung seines ERP-Anbieters D&G Software stieß Styleboom auf Smartcom, einen Beratungs- und Prozessspezialisten für 1:1-Kundenkommunikation, der dem Unternehmen Wege aufzeigte, wie es seine First-Party-Daten gewinnbringend einsetzen konnte: ganz ohne Opt-in und dennoch N=1 individualisiert - Programmatic Printing. Das Resultat: Seventyseven konnte die Cost per Order um 74 Prozent gegenüber der bisher eingesetzten Online-Werbung senken, bei einer Konversionsrate für Warenkorbreaktivierungen von mehr als 21 Prozent, ein sensationeller Wert. Der Weg: Bis zu 2500 hochgradig individualisierte Direct Mailings gingen täglich automatisiert an WarenkorbabbrecherInnen, die häufig gekauft und wenig retourniert haben.
Gewinnspiele
Wer kauft, wird belohnt - das ist die Devise beim Schweizer Händler-Netzwerk Sport 2000. Wenn die Ware bezahlt ist, reicht der Verkäufer im Sportfachgeschäft seinen KundInnen neben der Quittung auch noch ein Gewinnspiellos. Während Gewinnspiele früher, mit der alten Drucktechnologie, erst ab einer Million Exemplare wirtschaftlich waren, erfolgt die Produktion heute problemlos auch mit kleineren Stückzahlen. Pro Jahr produziert die Druckerei Kyburz bis zu 53.000 Lose für rund 150 verschiedene Geschäfte von Sport 2000. Jeder Händler ist auf dem vierseitigen Gewinnlos mit Namen und Adressen versehen, zusätzlich ist der jeweilige Titelsponsor aufgedruckt. Kein Los kommt zweimal vor, jedes ist ein Unikat. Ein Kinderspiel für Programmatic Printing und ein Anreiz für KundInnen, den Laden erneut zu betreten. Je höher die Kundenfrequenz, desto höher natürlich auch der Umsatz, denn KundInnen, die zu Hause das Los zusammen mit ihren Einkäufen auspacken und dabei auf einen Gewinn stoßen, kommen wieder, um sich das Geschenk abzuholen - und kaufen vielleicht wieder ein.