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Crossmedia: Auf der Jagd nach den richtigen Touchpoints

04.04.2014 - Crossmedia-Experten haben erkannt, dass das statische Denken in Medienkanälen nicht mehr zeitgemäß ist. Stattdessen wird nach den einzelnen Touchpoints gesucht, mit denen die Zielgruppe in Berührung kommt, um auf die jeweilige Lebenswelt einzugehen. Dr. Michael Trautmann (Thjnk), Peter Mergemeier (Geometry Global), Alexander Ewig (Wunderman) und Benjamin Minack (Ressourcenmangel) gaben uns Einblick in ihre jeweilige Sicht- und Arbeitsweise.

Crossmedia war vor mehreren Jahren ein Buzzword, das viel versprach. Neue Techniken wie Geo-basierte Apps, QR-Codes auf Anzeigen und Plakaten oder Augmented-Reality-Effekte in Magazinen deuteten auf zahllose Möglichkeiten hin, die Kommunikation mit dem Endkunden attraktiver und direkter zu gestalten. Doch das alleinige Plus an Varianten allein verheißt noch nicht die Erfolgsgarantie für den, der die Möglichkeiten als First-Mover testet. Dadurch, dass auch die Konsumenten immer mehr miteinander verzahnte Möglichkeiten der Mediennutzung haben, werden ihre Fußabdrücke im Kommunikations-dschungel nur zahlreicher und ihre Pfade individueller, also auch schwieriger zu verfolgen.

Das Media Economics Institut aus Köln hat jüngst ein Crossmedia-Übersichtsposter erstellt (Crossmedia-poster.de). Darauf sind 14 Disziplinen zu finden (Spot, Online, Direct, Event, Messe, PR, PoS, Werbeartikel, Print, Outdoor, Mobile, Radio, Promotion und Sponsoring), die insgesamt in 50 Kategorien unterteilt sind. Diese 50 haben nochmals insgesamt 288 Bereiche, auf deren Auflistung an dieser Stelle verzichtet wird. Werber haben also heutzutage einen bunten Strauß an Möglichkeiten. Wenn es dann um die korrekte Verzahnung der erwählten Kanäle geht, wird es noch komplizierter. Darum müssen sie sich mit neuen Strategien zu helfen wissen. Dr. Michael Trautmann, Vorstand der Agentur Thjnk, war Ende 2013 Juryvorsitzender bei dem Crossmedia-Award "Neptun". Er hat sich mit Crossmedia-Arbeiten beschäftigt und mit der eigenen Agentur auch entsprechende Kampagnen umgesetzt. Seine Definition: "Für mich steht Crossmedia für die sinnvolle Verknüpfung verschiedener Kanäle beziehungsweise Kontaktpunkte mit dem Zweck, die Botschaften, die eine Marke sendet, zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Zielgruppe zu spielen. Dabei steht für mich nicht im Vordergrund, möglichst viele Medien einzusetzen, sondern möglichst die richtigen."

Leider gibt es laut Trautmann keine grundlegende Herangehensweise für die erfolgreiche Entwicklung einer Crossmedia-Kampagne. "Es hilft jedoch, ein gutes Verständnis über die Kommunikationsgewohnheiten der avisierten Zielgruppe, insbesondere für die umworbene Produktkategorie, zu entwickeln. Aus Agentursicht empfiehlt es sich, offen für Partnerschaften zu sein. Unsere erfolgreichsten Crossmedia-Kampagnen (zum Beispiel "Du bist Deutschland", "Deutschland findet Euch", s. S. 24) haben wir in starken Kooperationen entwickelt", sagt er.

Datenanalysen als Sprungbrett für

kreative Ideen
[f1]Geometry Global hat im vergangenen Jahr beim Deutschen Dialogmarketing Preis DDP in der Kategorie Crossmedia eine Auszeichnung für die Karstadt-Kampagne "Wie wir Top-50-Marken unter einen Hut brachten" gewonnen. Die Kampagne wurde am Düsseldorfer Standort entwickelt. Für Managing Director Peter Mergemeier sind Begriffe wie "360 Grad" oder "integriert" nicht mehr konform. "Crossmedia geht weiter: Wir analysieren mittlerweile die Wege der Kunden bis zum Kauf, um die Touchpoints zu identifizieren, die wirklich Einfluss auf die Kaufentscheidung nehmen. Wer sind die Interessenten, Shopper oder auch Konsumenten, wo bewegen sie sich, wann sind sie dort, und für welche Botschaften sind sie empfänglich? Das führt zu einer Optimierung der Kommunikation und zu einem effizienteren Einsatz der Budgets", sagt er. Wenn die Reise des Kunden gezeichnet ist, muss dieser mit der richtigen Botschaft erreicht werden. Eine Crossmedia-Kampagne könne laut Mergemeier auch nur über einen einzelnen Kanal funktionieren mit dem Ziel, dass Kunden die Botschaft von selbst verbreiten. Crossmedia müsse nicht möglichst viele Kanäle bespielen."Wir denken nicht mehr kanalspezifisch wie früher, als die Aufgabe klassischer Agenturen zu 80 Prozent im Bereich TV lag. Egal welcher Spezialdisziplin eine Agentur entspricht, sie muss crossmedial denken und sich fragen: `Woher kommt der Kunde, wie kann ich ihn erreichen?`", sagt Mergemeier.

Geometry Global hat dazu am Londoner Standort ein Modell mit dem Namen "Purchase Decision Journey" entwickelt, das international eingesetzt wird. Anhand von in der Agentur selbst entwickelten Werkzeugen werden dabei aggregierte Daten analysiert, um zu sehen, wo, wann und mit welchen Inhalten Zielgruppen angesprochen werden sollten. Bei der Karstadt-Kampage ging es darum, bei einer eher weiblichen Käuferschaft 50 Marken des Händlers bekannt zu machen. Hierbei war die Methode laut Mergemeier sogar "Sprungbrett für eine kreative Idee". Eine Studie aus England besagte nämlich, dass entgegen allen Klischees Männer Frauen zuerst ins Gesicht sähen. Frauen hingegen prüften den ganzen Körper anderer Frauen. Grund dafür sei das Konkurrenzdenken. Daher entschloss man sich bei Geometry Global, die 50 Marken von Karstadt auf dem Körper einer einzelnen Frau darzustellen; damit war das Key Visual geboren (siehe Bild).

Bei der Kampagnenentwicklung wurden Online-Befragungen durchgeführt, die die Kaufreise der Kunden abbilden sollten. Dabei wurde gefragt, wann Käuferinnen zum Beispiel zuletzt in einen Laden gingen und eine Marke kauften und was sie dazu bewog. Dabei kam heraus, dass TV beispielsweise kein relevanter Auslöser war. Die Kundinnen wollten eher dort mit Mode angesprochen werden, wo sie innerlich auch empfänglicher für die Botschaften waren. Daher entschied man sich unter anderem für eine Roadshow mit Models, die die Mode auch vor Ort präsentierten. Zudem gab es Anzeigen, einen Kino-Spot und eine Website. Mit Mailings wurden Bestandskunden eingeladen. Im Ergebnis wurde der Umsatz am Startwochenende um 23 Prozent erhöht. Die angeschriebenen Kunden brachten laut Agentur 28 Prozent mehr Umsatz als die Referenzgruppe. Auf der Kampagnenwebsite wurden zwei Millionen Visits im Monat verzeichnet. Das seien nahezu so viel wie auf der Hauptseite Karstadt.de.

[hl]"Data wird sexy!"[/hl][f2]"Crossmedia war vor drei bis vier Jahren ein Kernbegriff. Er ist mittlerweile aber aus Briefings verschwunden, weil das crossmediale Denken nun als selbstverständlich gilt", sagt Alexander Ewig, Geschäftsführer und COO von Wunderman Deutschland. Seine Agentur hat in der Kategorie Crossmedia beim DDP 2013 mit Bronze die höchste vergebene Auszeichnung eingefahren. Auch für ihn kommt es nicht darauf an, möglichst viele Kanäle zu bespielen. "Wenn ein Kunde sagt, die Kampagne sollte über diese und jene Kanäle laufen, dann drosseln wir und sagen `Lasst uns erst über das Ziel sprechen`", sagt Ewig. Wenn das Ziel festgelegt sei, ginge Wunderman an die Aufgabe, die richtigen Touchpoints zu finden. "Der Anspruch, die gesamte Customer Journey darzustellen, setzt sich berechtigterweise durch", sagt er. Es gehe darum, in einem strukturierten Prozess den "Whole Consumer" zu finden, ein Personamodell der Zielgruppe, das allgemein gelte. Dafür werden pro Kampagne rund fünf oder sechs verschiedene Datenquellen herangezogen, um soziodemografische oder verhaltensbasierte Eigenschaften der Zielgruppe zu erkennen. Dafür wird zum Beispiel das Internet mit Social-Listening-Tools untersucht, um einen "Footprint zu malen". Basierend auf dem dann entstandenen Bild des "Whole Consumer" werden dann die relevanten Auslöser gesucht, um die Zielgruppe am Touchpoint anzusprechen.

"Früher war das Berufsbild des Analysten klar, er kannte sich zum Beispiel mit einer bestimmten Quelle gut aus. Heute muss er mehrere Quellen untersuchen und den `Data Deep Dive` beherrschen. Manchmal gehen wir auch in die Datensätze der Auftraggeber hinein, wenn wir uns davon etwas versprechen. Data wird in jedem Fall langsam sexy", sagt Ewig.

Aktuell arbeitet Wunderman für Microsoft an der Kampagne "Hotel Mama" (siehe Seite 10). Mitte März dieses Jahres ist die Kampagne, die aus einer zentralen Website, Social-Media-Auftritten, Roadshows und Anzeigen besteht, in die zweite Phase gegangen. Die Grundidee lautet, dass Studierende im ersten Schritt des Lebens nach der Jugend noch Probleme haben, ohne das gewohnte Elternhaus ("Hotel Mama") klarzukommen. Dazu bietet die Seite Studentenleben.de (die auf Facebook rund 70.000 Likes hat) Tipps zu Finanzen, Kochen, IT et cetera. "Der Dreh- und Angelpunkt der Kampagne findet aber offline direkt an den Hochschulen statt", sagt Ewig. Es gehe darum, Studenten das Betriebssystem Windows 8 näherzubringen und früh in der Lebenswelt zu erreichen. "Wir nutzen tatsächlich die älteste Form der Kommunikation, nämlich `Live`, um digitale Themen an junge Leute heranzuführen, die ja offenbar nur digital zu erreichen sind", sagt er. Poster und Facebook-Posts dienten hauptsächlich dazu, die Präsenz an den Universitäten (hier werden zum Beispiel vor Ort Studentenwohnzimmer nachgebaut) anzukündigen. Vor Ort finde dann bewusst kein Verkauf statt. Aber Studenten werden auf spezielle Angebote hingewiesen, können an Gewinnspielen teilnehmen oder sich über Fotos am nächsten Tag auf Facebook wiederfinden. Zudem zeigen Promoter beispielsweise auch schlicht, wie Tablet-Computer in der Küche für Rezeptideen genutzt werden können. Laut Ewig kam die Tour bereits in der ersten Runde gut bei den Studierenden an. Zwischen April und Juni wird Microsoft in der zweiten Runde wieder an zehn deutschen Hochschulen zu finden sein.

[hl]"Ich will das Wort Crossmedia nicht verwenden"[/hl][f3]Benjamin Minack, Gründer & Geschäftsführer der Agentur Ressourcenmangel (Hirschen Group), tut sich mit dem Begriff Crossmedia schwer: "Unter Crossmedia verstehe ich das: De.wikipedia.org/wiki/crossmedia. Leider ist der Begriff nicht geschützt oder gar klar umrissen. Es gibt auch Menschen, die halten QR-Codes für Crossmedia, und vielleicht ist es das ja auch, nur in schlecht halt", sagt Minack. Für ihn gehört der Begriff nicht zur Agentur, er benutzt ihn auch gegenüber Kunden nicht. "Ich will ihn nicht sagen und aussprechen." Nichtsdestotrotz hat Ressourcenmangel im vergangenen Jahr eine Kampagne gestartet, die bereits einen Econ Award für integrierte Unternehmenskommunikation gewonnen hat und dabei auf einen umfangreichen Medienmix setzt. Sie soll in den kommenden fünf Jahren in Deutschland noch viel Gesicht zeigen. Dabei geht es um die Informationskampagne "Wir arbeiten für Ihr Leben gern" der Kassenärztlichen Bundesvereinigung KBV. Ausgangslage war die Tatsache, dass in Deutschland Nachwuchsmangel bei Haus- und Fachärzten herrscht. Offenbar wird die Arbeitsbelastung von Ärzten in der Bevölkerung als so hoch eingeschätzt, dass die Ausbildung nicht mehr erstrebenswert ist. Dem sollte entgegengewirkt und das "eigentlich positive Image der Ärzte" in der breiten Öffentlichkeit gefestigt werden. So gehörte es zu den Zielen, Patienten verständlich zu machen, dass weder Arzt noch Sprechstundenhilfe für lange Wartezeiten verantwortlich seien. Die zweite Zielgruppe waren politische Entscheider, Meinungsbildner und das Fachpublikum. Sie sollten von der Bedeutung der Ärzte überzeugt und zu einer positiven Berichterstattung angeregt werden. Der Nachwuchs sollte so für die Ergreifung des "schönsten Berufs der Welt" motiviert werden. Zum Einsatz kamen daher verschiedenste Medien - von der "hot minute" vor der Tagesschau, Kinospots, Anzeigen, 18/1- und CLP-Flights über hochauflagige CP-Maßnahmen wie Patientenbroschüre bis hin zu einem Online-Auftritt.

"Wir haben für die drei großen Zielgruppen der Kampagne sehr spezifisch geplant. Wo treffen wir sie, was machen sie da, was können wir ihnen in diesem Moment anbieten", sagt Minack. Nach drei Wochen ergab eine erste Evaluation eine hohe Reichweite mit guten Erinnerungswerten und eine ungestützte Verankerung der Claims in der öffentlichen Wahrnehmung. Auch die bis zu 19.000 täglichen Besucher der Seite Ihre-aerzte.de und die 250 Buchbestellungen im Kampagnenshop innerhalb der ersten zwei Wochen verdeutlichen das Interesse und die Akzeptanz der Kampagne, heißt es aus der Agentur. "Die Kampagne wird laufend begleitend evaluiert. Nicht für die Egos der Kreativen, sondern um an den richtigen Stellen besser zu werden", sagt Minack. Die Kampagne ist auf fünf Jahre angelegt und soll sich noch wandeln. Einige Kanäle sollen hinzukommen, andere verschwinden - je nach Schwerpunkt. TV soll es 2014 zum Beispiel nicht geben, dafür dann Ambient Media in Hochschulnähe. "In den ersten beiden Jahren führen CLP und Großfläche die Spendings an. Ich bin mir aber sicher, über die gesamte Kampagne hinweg wird der Anteil der Online-Ausgaben letztendlich am höchsten sein." Die Erfolgsmessung könnte schwierig werden, so Minack. "Ob die Kampagnenziele erreicht wurden, bemisst sich in diesem Falle ja auch an einer Bewusstseinsweckung für die Kampagnenthemen in der gesamten Gesellschaft und der dann hoffentlich begonnenen Arbeit an Lösungsszenarien für die Herausforderungen an das Gesundheitssystem", sagt Minack. (db)

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