28.03.2006 - Die neue Lust am Alten kennzeichnet einen Trend, der im Retro-Look eine Synthese eingeht: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Anything goes.
830.000 Cebit-Besucher können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Sehnsucht der nächsten Jahre nicht High-Tech, sondern High-Touch heißt. Die Menschen lechzen nach Sinnhaftigkeit. Und die Sehnsucht nach Verplüschung ist umso größer, je vernetzter Wirtschaft und Technik das Denken beeinflussen. Je mehr Technologie, desto mehr spirituelle Gegenbewegung: Gentechnik - nein. Feng Shui - ja. Erst recht seit dem 11. September. Auf der Suche nach dem Moment, als die Gesellschaft entgleiste, spult man die Geschichte rückwärts ab. Es besteht zwar immer noch ein Verlangen nach Bonsai-Formen des Fortschritts und der Optimierung alltäglicher Dinge. Aber gleichzeitig wächst die Furcht vor dem Desaster, das aus der Summe entstehen könnte.
Viele flüchten aus dem Gestern über das Vorgestern in das Vorvorgestern. Eine neue Lust am Alten kennzeichnet die Retro-Bewegung. Teenager sitzen mit beigen Pullundern und brav gescheitelten Frisuren auf ihrer Vespa, als wären sie einem Fellini-Film entsprungen. Hollywood predigt spiri tuellen Lifestyle mit Zen-Medita tion und Ayurveda-Massage. Der Dalai Lama ist ein Popstar. Und Tony Blair zitiert bei jeder Rede vor dem Parlament aus der Heiligen Schrift. Kundenmitwirkung führt dazu, dass diese Emotionen ins Produktdesign einfließen. Nachdem der ganze Designprozess computerisiert ist, heißt die Parole nicht mehr "Mach es neu", sondern "Lass es alt aussehen". Wertbeständigkeit ist gefragt. Bezug zu Herkunft und Machart. Die guten alten Dinge, mit denen Manufactum mit 400.000 Kunden über 100 Millionen Euro Umsatz macht.
Während noch vor ein paar Jahren die Wohnmaschinen der Zukunft wie Flugzeuge aussahen, präsentiert uns die Architektur heute Häuser mit dem Kokon des Pflanzendschungels. Nach einem Jahrzehnt, in dem Frauen Stunden damit verbrachten, sich unnahbar und androgyn zu stylen, schicken die Designer verträumte Hippiemädchen auf den Laufsteg, die in Hängekleidern und Schlaghosen den Flower-Power-Gospel hauchen. Und statt des Weltautos der Futuristen beschert man uns beim Genfer Automobilsalon den Akino von Chrysler mit Sofa, Überwurfdecken und Bambusfußboden.Der Feng-Shui-Microcar der Desig-nerin Akino Tsuchiya ist nur ein Beispiel für die Kommerzialisierung der Emotionen, die in Zukunft eine zentrale Bedeutung im Marketing einnimmt. Denn die Zeit der nützlichen, aber seelenlosen Produkte ist vorbei. Der Kampf auf den Märkten der Zukunft dreht sich nicht mehr um konkrete Produkte, sondern um die Besetzung von Symbolen. Umso wichtiger werden die Statements um das Produkt und neue qualitative Schlüsselwerte, für die Marketing und Werbung bisher nicht die Kompetenz hatten. Denn Kommerzialisierung der Emotionen bedeutet auch, dass es nicht reicht, den Menschen zu sagen, wie viel Prozent Erdbeeren die Marmelade enthält. Sondern dass sie auch wissen wollen, wer diese Erdbeeren gepflückt hat. Und was man sich dort für Geschichten erzählt.
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