11.07.2019 - Ein Urteil des EuGH zum Kundenservice von Amazon schafft Klarheit für Onlinehändler in ganz Europa: Für ihre Kunden müssen sie per Telefon nicht zwingend erreichbar sein, dafür aber "schnelle" und "effiziente" Kontaktmöglichkeiten bieten.
von Frauke Schobelt
Wer hat nicht schon auf der Amazon
-Seite danach gesucht, der magischen Telefonnummer, die zum Kundenservice des Onlinehändlers führt. Weil man mit einem echten Menschen über ein Lieferproblem sprechen möchte. Oft vergebens: Amazon will zwar mit Kunden kommunizieren, aber nicht unbedingt mit ihnen telefonieren. Und das ist auch völlig legitim so, wie am Mittwoch der Europäische Gerichtshof (EuGH)
in Luxemburg urteilte.
Der EuGH hält es für zulässig, dass Onlinehändler wie Amazon Kunden keine Telefonnummer für die Kontaktaufnahme zur Verfügung stellen. Ein bestimmter Kommunikationsweg für den Kontakt mit Kunden sei nicht vorgeschrieben, entschied der Gerichtshof in seiner Auslegung einer entsprechenden EU-Richtlinie über Rechte der Verbraucher. Unternehmen seien jedoch verpflichtet, Verbrauchern eine "schnelle" und "effiziente" Kontaktmöglichkeit anzubieten, wie es in der Pressemitteilung zum Urteil
heißt. Die Informationen über diese Kommunikationsmittel müssten außerdem in "klarer und verständlicher Weise" zugänglich seien. Dies sei von grundlegender Bedeutung für die Wahrung und wirksame Durchsetzung der Verbraucherrechte, insbesondere des Widerrufsrechts.
Damit ist eine Klage der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV)
aus Deutschland gescheitert. Die Organisation war gegen Amazon vorgegangen, weil das Unternehmen aus ihrer Sicht die Kunden nicht ausreichend darüber informiere, wie sie vor Vertragsschluss Kontakt aufnehmen könnten. Eine Faxnummer fehle ganz und eine Rückrufoption finde sich erst nach mehreren Schritten. Damit verstoße Amazon gegen deutsches Verbraucherschutzrecht, so das Argument. Der von Amazon angebotene automatischer Rückruf und die Möglichkeit zu einem Internetchat beurteilte der VZBV als unzureichend. Der EuGH weist jedoch darauf hin, dass der Umstand, dass eine Telefonnummer erst nach einer Reihe von Klicks auf der Internetseite verfügbar ist, nicht impliziert, dass der Kundenkontakt dadurch nicht klar und verständlich ist.
Auch in den Vorinstanzen waren die deutschen Verbraucherschützer mit ihrer Klage gescheitert. Im Zuge dieses Rechtsstreit hatte der Bundesgerichtshof (BGH)
den EuGH um eine endgültige Klärung gebeten. Das Urteil ist daher bedeutsam für Händler in ganz Europa. Bereits im Februar hatte ein Generalanwalt des EuGH in seinem Gutachten angeführt, dass Deutschland nach EU-Recht Firmen einen Kundenservice per Telefon nicht vorschreiben dürfe. Nun wurde die deutsche Regelung gekippt, weil sie nicht mit der europäischen Richtlinie über die Rechte der Verbraucher vereinbar sei.
Das Urteil bewertet die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) trotz der Niederlage positiv: "Es ist eine gute Nachricht, dass Unternehmen in jedem Fall sicherstellen müssen, dass sie für Verbraucherinnen und Verbraucher bei Bedarf schnell erreichbar sind. Auch wenn hierfür nicht zwingend eine Telefonnummer anzugeben ist, müssen sich alternative Kontaktmöglichkeiten daran messen lassen, ob sie der Anforderung, schnell und effizient zu sein, standhalten. Denn nur so können Anbieter im Internet das vom EuGH geforderte hohe Verbraucherschutzniveau garantieren", sagt Heiko Dünkel
, Rechtsreferent beim VZBV.
Konkret heißt es nun in der Pressemitteilung zum EuGH-Urteil, dem Gerichtshof erscheine es "unverhältnismäßig", ein Unternehmen wie Amazon unbedingt zu verpflichten, Verbrauchern eine "Telefonnummer zur Verfügung zu stellen oder gar einen Telefonanschluss, Faxanschluss oder ein E-Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können". Wobei hier die Betonung auf "neu" liegt: Unternehmen, die den Kundenkontakt per Telefon ermöglichen, sollten dies auch weiterhin tun.
Amazon selbst ist mit seinem Kundenservice auch ohne Telefon bisher ganz gut gefahren. Das Unternehmen ist mit Abstand der größte Onlinehändler Europas, die Kunden bestellen wie wild auch ohne Telefonsupport. "Eine Telefon-Hotline ist kein Garant für guten Kundenservice", sagt auch Solvemate
-Gründer Erik Pfannmöller
, der die Gelegenheit nutzt, um für KI-basierten Kundensupport zu werben. "Viele Unternehmen scheuen die hohen Kosten, die ein 24-Stunden-Kundenservice per Telefon verursacht. Jeder von uns hat schon einmal Erfahrungen mit langen Warteschleifen gemacht, wenn die Hotline von zu vielen Kunden gleichzeitig kontaktiert wurde. Virtuelle Assistenten bieten Abhilfe: Die meisten Kundenanfragen wiederholen sich ständig und ihre Beantwortung kann daher problemlos automatisiert werden." Die Mitarbeiter im Kundenservice könnten sich hingegen auf komplexere Anfragen konzentrieren.
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