Bild: DVAG Deutsche Vermögensberatung AG
Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey
kommt zu dem Ergebnis, dass etwa 25 Prozent aller Vertriebspositionen von Frauen bekleidet werden. Noch geringer dürfte diese Zahl in Führungspositionen ausfallen. Die Gründe dafür sind so vielschichtig wie altbacken, denn lange suchten Unternehmen für den Vertrieb durchsetzungsstarke und ambitionierte Persönlichkeiten: Charakteristika also, die grundsätzlich eher Männern zugeschrieben werden. Zudem fehlt es schlicht an Stellenausschreibungen, die Frauen proaktiv ansprechen, sodass die Zahl der weiblichen Teammitglieder nur langsam ansteigt.
Das widerspricht nicht nur dem Zeitgeist und dem allgemeinen Wunsch nach mehr Gleichberechtigung. Auch aus eventueller pragmatischer Unternehmenssichtweise sprechen die nackten Zahlen deutlich für anstatt gegen eine stärkere Rolle von Frauen im Vertrieb. Die zitierte McKinsey Untersuchung beziffert, dass eine diverse Belegschaft - auch und insbesondere auf Führungsebene - in besseren finanziellen Ergebnissen resultiert. Zudem können Frauen dank Intuition und Empathie auch in schwierigen Gesprächen mit potenziellen Kunden das Ruder rumreißen und so essenziell zum Umsatz beitragen.
Wo stehen wir heute und welche Maßnahmen können wir ergreifen, um Frauen für den Vertrieb zu gewinnen? Eine mutmachende Momentaufnahme.
Vorurteile: Erkennen und gegensteuern
Vorurteile jeglicher Art sind deshalb so tückisch, weil wir sie oftmals gar nicht wahrnehmen. Dabei kann sich niemand von Ihnen freisprechen, weder beruflich noch privat. Und das ist okay! Schließlich sind die Vorurteile Altlasten unserer Gesellschaft, der Medien und des Umfelds und keine bewusste, rationale Entscheidung. Umso wichtiger ist es allerdings, die Vorurteile proaktiv aufzudecken. Nur dann können Maßnahmen zum Gegensteuern in die Wege geleitet werden.
Ein Beispiel: Eine Studie von
Lucidchart
kommt zu dem Ergebnis, dass ein Viertel der Männer im Vertrieb davon ausgeht, ihre Kolleginnen seien keinen Vorurteilen ausgesetzt. Stimmt nicht ganz: Laut der Befragung fühlen sich 67 Prozent der befragten Frauen unterschätzt, etwa 40 Prozent beklagen, ihnen würden Verhandlungsskills abgesprochen.
Kurzum: Wenn Unternehmen den Wandel proaktiv mitgestalten wollen, müssen sich Führungspersönlichkeiten und Mitarbeitende gleichermaßen den vorhandenen Vorurteilen stellen. Spezielle Workshops unter professioneller Leitung können Sales Teams dabei unterstützen. Die Ergebnisse helfen, im ersten Schritt das Bewusstsein zu schärfen und nachhaltig die Zusammenarbeit, die gegenseitige Wertschätzung und damit die Rolle der Frau im Vertrieb zu stärken.
Gender Pay Gap: Zeit, die Lücke zu schließen
Die teils drastischen Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern blieben eine der größten Hürden für Gleichberechtigung in der Arbeitswelt. Eine Erhebung des
Statistischen Bundesamtes
aus dem vergangenen Jahr stellte fest, dass Frauen in Deutschland industrieübergreifend monatlich rund 1200 Euro brutto weniger verdienen als der durchschnittliche Mann. Auch im Vertrieb klaffen teilweise deutliche Lücken. Und das, obwohl es keine Belege für Leistungsunterschiede gibt. Diese Probleme sind oft struktureller Natur, weshalb Unternehmen in ganz Deutschland dazu aufgerufen sind, die eigene Gehaltsstruktur gründlich zu analysieren und bei Ungleichheiten längst überfällige Anpassungen vorzunehmen.
Gleiches gilt für die Beförderungssysteme. Auch dort scheint es Nachholbedarf zu geben, anders ist die Ungleichheit im Management nicht zu erklären. Laut dem Statistischen Bundesamt war 2021 nur jede dritte Führungskraft eine Frau. Gleichzeitig stellte eine Studie von
Xactly
fest, dass frauengeführte Teams öfter die Verkaufsquoten (94 Prozent) erreichen als männergeführte Teams (91 Prozent). Unternehmen sollten also auch die Beförderungsprozesse auf die Probe stellen, gegebenenfalls Quoten einführen und somit nicht nur Geschlechterparität, sondern auch die eigenen Betriebsergebnisse fördern.
Frauen für den Vertrieb gewinnen - und langfristig halten
Es ist unverkennbar: Ein Umdenken hat in vielen Unternehmen bereits stattgefunden. Frauen werden vermehrt aktiv angesprochen, eingestellt und gefördert. Die nach wie vor eklatante Lücke zeigt jedoch, dass wir das Tempo an einigen Stellen dennoch erhöhen können.
Mit diesen Stellschrauben können Unternehmen punkten:
- Neutrale Sprache: Bereits die Stellenausschreibungen, aber auch den Vertriebsalltag, prägt vielerorts eine maskuline Sprache, die Aggressivität und Konkurrenzdenken suggeriert. Mit dem Einsatz neutraler Sprache stellen Unternehmen sicher, dass sie alle (potenziellen) Mitarbeitenden ansprechen und erreichen und entledigen sich gleichzeitig der oftmals toxischen Gangart innerhalb der Belegschaft.
- Einstellungsprozess: Die chronische Ungleichheit von Frauen und Männern im Vertrieb hat ihren Ursprung oft bereits im Einstellungsprozess. Unabhängig des Geschlechts sollte grundsätzlichen allen BewerberInnen die Tauglichkeit für eine Position auf Basis ihres Profils, also der Erfahrungen und des Skill Sets, zugesprochen werden. Helfen kann dabei ein sogenannter "blinder" Einstellungsprozess, bei dem das Geschlecht nicht offenbart wird, um Vorurteile gar nicht erst entstehen zu lassen.
- Förderinitiativen: Um die Herausforderungen von Frauen im Unternehmen offen anzusprechen, können Diskussionsrunden und Mentorenprogramme helfen. So bekommen Frauen eine Austauschplattform und können Ergebnisse gesammelt in die Führungsriege geben. Mentorenprogramme helfen zudem gerade juniorigen Frauen, von einem erfahrenen männlichen Kollegen oder einer weiblichen Kollegin zu lernen und eine direkte Ansprechperson für Fragen und Probleme aller Art innerhalb des Unternehmens zu haben.
- Individuelle Bonussysteme: Die Vergütung im Vertrieb ist meist an Bonussysteme gekoppelt, welche traditionell mehr Gehalt bei mehr erfolgreichen Verkäufen gewähren. Dieses System muss erweitert werden und die Mitarbeitenden individuelle Boni wählen können. Gerade heutzutage ist Geld für viele nicht das höchste Gebot, stattdessen können flexible Arbeitszeiten oder zusätzliche freie Tage die Bonussysteme aufwerten.
Von diverseren Teams profitieren letztlich alle im Vertrieb: Die männlichen Kollegen erweitern ihr Skillset und die Chance auf Erfolg in den Projekten, die bereits vorhandenen Kolleginnen gewinnen an Sichtbarkeit und Unterstützung, die Führungspositionen können auf viele Fähigkeiten und Persönlichkeiten zurückgreifen und das Unternehmen als Ganzes erhöht die Wahrscheinlichkeit für zufriedene Teams und steigende Umsätze. Warum also zögern?
Zahra Jivá
Bild: Pipedrive
ONEtoONE-Autorin Zahra Jivá ist Director of Globales Sales Strategy bei
Pipedrive
, einer Umsatz-Management-Plattform für kleine Unternehmen. Bei Pipedrive war Zahra zuletzt als Sales Manager für die EMEA und LATAM Märkte zuständig, wo sie das Geschäft skalierte und die Vertriebsteams ausbaute. Zahra hat umfangreiche Erfahrungen als Sales Managerin in der SaaS- und Reisebranche.