Mit der Einigung, die Donnerstag Nacht vom Europaparlament verkündet wurde
, macht der Digital Markets Act (DMA) einen großen Schritt nach vorne. Das Gesetz ist Teil des Digital-Paketes, das Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager
im Dezember 2020 angeschoben hatte, um die Gesetze und Regeln in Europa den Realitäten in der digitalen Welt anzupassen. Vor allem das auf die analoge Welt ausgerichtete Wettbewerbsrecht galt mit seinen oft jahrelangen Verfahren als nicht mehr zeitgemäß für den schnelllebigen digitalen Markt und wenig effektiv. Für EU-Verhältnisse wurde der DMA in Rekordzeit verhandelt, die vorliegende Fassung sieht die bislang umfassendste Regulierung großer Internetunternehmen vor.
Mit dem DMA will die EU die enorme Marktmacht von Digital-Riesen wie Google
, Meta
und Amazon
beschränken und mehr Wettbewerb herstellen. Es zielt vor allem auf Unternehmen, die für gewerbliche Nutzer ein wichtiges Zugangstor zum Endverbraucher sind. Betroffen sind Digitalunternehmen, die entweder einen Jahresumsatz von mindestens 7,5 Milliarden Euro oder eine Marktkapitalisierung von mindestens 75 Milliarden Euro haben. Zudem müssten sie mindestens einen sogenannten zentralen Plattformdienst mit mindestens 45 Millionen aktiven Nutzern und 10.000 aktiven gewerblichen Nutzern monatlich betreiben. Dazu zählen auf jeden Fall die GAFAM (Google
, Amazon
, Facebook
, Apple
und Microsoft
). Aber auch Tiktok
oder Konzerne wie Booking.com
könnte es treffen. Von zehn bis 15 Tech-Unternehmen ist die Rede, die unter den DMA fallen könnten. Die Kommission kann auch kleine Unternehmen als Gatekeeper einstufen, wenn sie eine oder auch mehrere Internet-Plattform kontrollieren.
Welche Regeln künftig gelten
Für diese "Gatekeeper" gelten künftig bestimmte Verbote und Vorgaben, die sich im Wesentlichen aus Kartellfällen der vergangenen Jahre speisen:
- Die Konzerne dürfen eigene Produkte und Angebote nicht mehr bevorzugt gegenüber denen der Konkurrenz behandeln (Self-Preferencing). Die DMA soll also künftig Fälle wie diese verhindern: Google hatte sein Preisvergleichsportal Shopping in seiner eigenen Suchmaschine systematisch besser platziert und damit die Konkurrenz benachteiligt.
- Sie dürfen keine "unfairen Bedingungen" für gewerbliche Nutzer festlegen
- Sie dürfen von App-Entwicklern nicht mehr verlangen, dass sie bestimmte Dienste (z. B. Zahlungssysteme oder Identitätsanbieter) nutzen, um in App-Stores gelistet zu werden. Das wird unter anderem Apple vorgeworfen. Sie müssen zudem App-Entwicklern einen fairen Zugang zu den Zusatzfunktionen von Smartphones (z.B. NFC-Chips) ermöglichen.
- Nutzer sollen vorinstallierte Apps auf Geräten öfter löschen und Standardeinstellungen einfacher ändern können.
- Große Unternehmen dürfen die Daten aus verschiedenen Quellen künftig nur noch mit ausdrücklicher Nutzereinwilligung zusammenführen. Gibt es diese Zustimmung nicht, müssen Nutzer die Programme weiter nutzen können.
"Das schafft echte Alternativen zwischen 'mit allen Daten bezahlen' oder keine Dienste nutzen zu können", zitiert das
'Manager-Magazin'
den CDU-Europaabgeordneten Andreas Schwab
, der den DMA für das Parlament verhandelt hat.
Verstößt ein Gatekeeper gegen diese Regeln, riskiert er eine Geldstrafe von bis zu 10 Prozent seines weltweiten Gesamtumsatzes. Im Wiederholungsfall kann eine Geldstrafe von bis zu 20 Prozent des weltweiten Umsatzes verhängt werden. Nach systematischen Verstößen könnte die EU-Kommission unter anderem auch Fusionen für einen bestimmten Zeitraum verbieten oder strukturelle Maßnahmen wie eine Zerschlagung anwenden.
Mehr Kommunikation zwischen Messengern
Neu ist auch die Interoperabilität von Messengern. WhatsApp und iMessenger können künftig dazu verpflichtet werden, sich auch für die plattformübergreifende Kommunikation mit kleineren Diensten zu öffnen. Kleinen Firmen wie Signal oder Threema bleibt die Entscheidung, sich für andere Dienste zu öffnen, dagegen selbst überlassen. Für Gruppenchats soll diese Funktion aber erst in den kommenden Jahren kommen. Eine vom Parlament geforderte Verpflichtung zur Interoperabilität für soziale Netzwerke wird es dagegen nicht geben.
"Die Einigung läutet weltweit eine neue Ära der Regulierung im Technologiebereich ein", sagt Andreas Schwab in einer EU-Mitteilung.
"Das Gesetz über digitale Märkte setzt der immer größer werdenden Dominanz der großen Technologieunternehmen ein Ende. Von nun an müssen sie zeigen, dass sie auch einen fairen Wettbewerb im Internet ermöglichen. Die neuen Regeln werden dazu beitragen, dieses Grundprinzip durchzusetzen. Europa sorgt damit für mehr Wettbewerb, mehr Innovation und mehr Auswahl für die Nutzer." Der DMA werde Maßstäbe dafür setzen, wie die digitale Wirtschaft der Zukunft funktioniert. Es liege nun an der Europäischen Kommission, die neuen Regeln schnell umzusetzen.
"Als Europäisches Parlament haben wir dafür gesorgt, dass die DMA sofort greifbare Ergebnisse liefern wird: Die Verbraucher werden die Wahl haben, die Kerndienste von Big-Tech-Unternehmen wie Browser, Suchmaschinen oder Messaging zu nutzen, und das, ohne die Kontrolle über ihre Daten zu verlieren. Vor allem vermeidet das Gesetz jede Form der Überregulierung für kleine Unternehmen. App-Entwickler erhalten völlig neue Möglichkeiten, kleine Unternehmen erhalten mehr Zugang zu geschäftsrelevanten Daten und der Online-Werbemarkt wird fairer", so Schwab.
So geht es weiter
Die vorläufige Einigung bedarf noch der Zustimmung des Rates und des Europäischen Parlaments, dies gilt jedoch als Formalie und könnte Anfang 2023 erfolgen. Die Verordnung muss dann innerhalb von sechs Monaten nach ihrem Inkrafttreten umgesetzt werden. Anschließend gilt noch eine Übergangsfrist von sechs Monaten. Ab 2024 wird es also vermutlich ernst.
Zu dem Digitalpaket gehört neben dem Gesetz über digitale Märkte auch das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA), über das noch verhandelt wird. Es soll gesellschaftliche Fragen wie den Umgang mit illegalen Inhalten im Netz regeln. Auch ein pauschales Verbot personalisierter Werbung oder ein komplettes Verbot personalisierter Werbung für Kinder und Jugendliche ist darin geplant.
Erste Reaktionen zum Digital Markets Act lesen Sie hier
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