Digital Markets Act

"Historischer Schritt": Reaktionen auf den Digital Markets Act

25.03.2022 - Auf Twitter gibt es viel Zustimmung nach der Einigung der EU-Institutionen zum Digital Markets Act, aber auch Kritik und Warnungen vor zu viel Optimismus. Weitere Stimmen zum DMA haben wir hier gesammelt:

von Frauke Schobelt

Mit dem Digital Markets Act (DMA) will die EU für mehr Wettbewerb und faire Wettbewerbsbedingungen im Digitalmarkt sorgen und große Tech-Konzerne stärker regulieren   . Mit dem am Donnerstag Abend erzielten Kompromiss ist der Weg dafür schneller frei als erwartet. Die betroffenen Tech-Riesen wie Apple, Facebook und Google laufen dagegen schon seit Monaten Sturm. Apple   etwa sieht eine Bedrohung des Datenschutzes, wenn NutzerInnen Apps auch am Apple-Store vorbei auf ihr iPhone laden können.

Auf Twitter gibt es viel Zustimmung und Applaus für die Einigung ("Das Ende des digitalen Wilden Westens ist nah"), aber auch kritische Stimmen, die etwa ein Ende der End-to-End-Verschlüsselung in Messengerdiensten befürchten. Andere glauben, dass die Ressourcen zur Durchsetzung der Maßnahmen nicht ausreichen und warnen vor zu viel Optimismus.

Weitere Stimmen aus dem Markt:

Bundeskartellamt: "Zentrale Rolle bei der Aufsicht über große digitale Plattformen"

Auf Twitter   äußert sich Andreas Mundt , Präsident des Bundeskartellamtes   : "Der DMA ist ein wichtiger Baustein, um gegen große Digitalkonzerne künftig effektiver und vor allem schneller vorgehen zu können. Wir haben uns sehr entschieden dafür eingesetzt, dass nationalen Wettbewerbsbehörden auch künftig eine zentrale Rolle bei der Aufsicht über die großen digitalen Plattformen zukommen wird. Und wir freuen uns, dass wir damit letztlich Gehör gefunden haben und in Deutschland die neuen Regeln im GWB zu großen Digitalkonzernen weiter einsetzen können." Im Verbund der europäischen Wettbewerbsbehörden führe das Amt schon heute viele wichtige Verfahren in der Digitalwirtschaft und könne dies jetzt fortsetzen. "Die Verabschiedung der DMA bringt uns dafür neuen Rückenwind und wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit den Europäischen Wettbewerbsbehörden."

BDZV und MVFP: "Historischer Schritt zum Schutz der freien Presse"

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV)   und der Verband der Zeitschriftenverleger, der Medienverband der freien Presse (MVFP) (ehemals VDZ   ) begrüßen den ausgehandelten Kompromiss. "Die bis zuletzt umstrittene Verpflichtung von Google und Facebook zu diskriminierungsfreien und fairen Zugangsbedingungen ist ein womöglich historischer Schritt zum Schutz der freien Presse im digitalen Zeitalter, den wir der Standhaftigkeit des Europäischen Parlaments zu verdanken haben", heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. "Es kommt nun darauf an, dass die Kommission diese Bestimmungen mit der nötigen Schnelligkeit und Konsequenz zur Anwendung bringt und sich nicht von den Digitalmonopolen ins Bockshorn jagen lässt."

Die Begrenzung der Basisverpflichtung zu diskriminierungsfreien und fairen Zugangsbedingungen auf Suche, soziale Netzwerke und App-Stores könne allerdings nur ein erster Schritt sein, so die Verbände. Andere ebenso mächtige Gatekeeper wie etwa Amazon oder Chrome müssten sobald als möglich in diese Verpflichtungen einbezogen werden. Anderenfalls bestehe die Gefahr, dass der Digital Markets Act sein Ziel für weite Bereiche der digitalen Wirtschaft nicht erreichen könne. "Nichts ändert sich schneller als die digitale Plattformökonomie, und in nichts sind die Monopole so erfinderisch wie bei der Bevorzugung eigener Produkte oder unfairen Bedingungen für alle", erklärten BDZV und MVFP. "Deshalb muss hier so schnell wie möglich nachgebessert werden, wenn die EU nicht Gefahr laufen will, in vielen Fällen ohne Handhabe dazustehen."

VAUNET: "EU-Regelung darf effektive nationale Maßnahmen nicht ausbremsen"

Auch der Verband Privater Medien (VAUNET)   begrüßt die getroffene Einigung im politischen Trilog zum Digital Markets Act (DMA). Mit dem Gesetz über digitale Märkte gehe die EU einen wichtigen und überfälligen Schritt zur effizienteren Regulierung internationaler Tech-Plattformen, die als Gatekeeper unmittelbar auch auf die Geschäftsmodelle und Erreichbarkeit der Angebote auf Medien- und Werbemärkten Einfluss nehmen. Dazu Claus Grewenig , Vorstandsvorsitzender des VAUNET und Bereichsleiter Medienpolitik bei RTL Deutschland: "Der DMA trifft die DNA wesentlicher Anliegen der Medienunternehmen gegenüber Plattformen: Zugang zu Daten, neutrale Nutzungsmessung oder Maßnahmen gegen Selbstbevorzugung plattformeigener Angebote sind essenzielle Voraussetzungen zur Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen. Im Bereich der Interoperabilität der AdTech - also der Öffnung von Schnittstellen zu digitalen Werbetechnologien der Plattformen - wäre allerdings ein deutlich weitreichender Aufschlag möglich und nötig gewesen." In der Abstimmung der neuen EU-Regeln mit den bestehenden Plattforminstrumenten der Mitgliedstaaten sei nun abzusichern, dass effiziente Mechanismen auf nationaler Ebene nicht durch das DMA-Verfahren ausgebremst werden. Freiräume zur Anwendung nationaler Kartellgesetze, wie des §19a GWB, müssten konsequent genutzt werden, um den Wettbewerb vor allem auch in den nationalen Medienmärkten sicherzustellen. Dies setze voraus, dass dem Bundeskartellamt die notwendigen personellen und technischen Ressourcen bereitgestellt werden.

ZAW: "Verstöße konsequent und zügig verfolgen"

Der ZAW Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft   sieht das Gesetz über Digitale Märkte als Versuch der EU, die stetig wachsende Marktmacht digitaler Tech-Plattformen auch im Bereich der digitalen Werbung einzuhegen. "Der DMA ist ein beachtlicher Schritt, des multiplen Marktversagens Herr zu werden", sagt ZAW-Hauptgeschäftsführer Bernd Nauen . "Es ist der Wille zu erkennen, Fairness, Angemessenheit und Neutralität digitaler Intermediationsleistungen zu sichern. Dafür benötigen Publisher und Vermarkter auf der einen und Werbungtreibende und ihre Marktpartner auf der anderen Seite vor allem Zugang zu Daten. Außerdem muss eine unabhängige Nutzungsmessung gewährleistet sein. Der im politischen Trilog gefundene Kompromiss scheint hier in die richtige Richtung zu gehen. Mit Blick auf die Zukunft sollte allerdings die Basisverpflichtung zu diskriminierungsfreien und fairen Zugangsbedingungen rasch ausgeweitet werden."

Die neuen Regelungen des DMA alleine seien jedoch nicht ausreichend. "Die Einigung auf EU-Ebene ist erst dann ein Erfolg, wenn Verstöße hiergegen konsequent und zügig verfolgt werden und auch nationale Kartellverfahren, insbesondere auf Grundlage des neuen § 19a GWB, weiterhin betrieben werden."

"Schicksal des freien und offenen Internets steht am Scheideweg"

Sarah Sihelnik, Country Director DACH von Quantast   , hält die Gesetzgebung für notwendig, um die anhaltende Dynamik des digitalen Ökosystems zu gewährleisten. "Die Regulierung sorgt nicht nur dafür, dass Unternehmen aller Größen gleiche Wettbewerbsbedingungen vorfinden, sondern auch dafür, dass die Entscheidungen der Verbraucher in Bezug auf Datenschutz und Zustimmung respektiert und eingehalten werden. Damit Unternehmen und Verbraucher florieren können, brauchen wir Branchenstandards, die einen gesunden Wettbewerb und den Verbraucherschutz fördern." Dies seien Fragen von entscheidender Bedeutung, denn "das Schicksal des freien und offenen Internets steht am Scheideweg", so Silelnik. Quantast beobachte "einen besorgniserregenden Trend" bei der Konsolidierung der Werbebudgets in den Händen einer Handvoll von Tech-Giganten. "Die 'Walled Gardens' der Tech-Giganten beanspruchen weiterhin einen unverhältnismäßig hohen Anteil der Werbebudgets, mit denen die Schaffung originärer Inhalte durch die Vielzahl der verschiedenen Publisher, die das offene Internet ausmachen, besser finanziert werden könnte. Dadurch wird es für Werbetreibende schwieriger, die vielfältigen Inhalte zu finanzieren, auf die wir alle angewiesen sind, wenn es um Nachrichten und Informationen geht - mit erheblichen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Wir müssen der Werbung im offenen Internet Priorität einräumen und die unabhängigen Verleger unterstützen, die das Internet zu der unglaublichen und vielfältigen Ressource machen, die es ist".

Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland: "Chance, weltweit zum Taktgeber zu werden"

Dr. Björn Herbers , Partner und Rechtsanwalt im Brüsseler Büro der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland   : "Die EU hat den Digital Markets Act in Rekordtempo verhandelt und hat jetzt die Chance, bei der Regulierung von digitalen Gatekeepern weltweit zum Taktgeber zu werden. Der finale Gesetzesentwurf ist sehr ambitioniert und geht an vielen Stellen noch über den ursprünglichen Kommissionsvorschlag hinaus. Damit schreibt die EU die wettbewerblichen Spielregeln für Plattformmärkte neu." Das Parlament habe sich mit wichtigen Forderungen, wie der Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Virtual Assistants und Browsern und der Interoperabilität bei Messaging Diensten, durchgesetzt. An anderen Stellen, wie den Schwellenwerten für die Gatekeeper Definition, habe es EU-typische Kompromisse gefunden: "Hier hat man sich mit der Marktkapitalisierung von 75 Milliarden Euro beziehungsweise 7,5 Milliarden Euro Jahresumsatz praktisch in der Mitte getroffen." Herbers hebt hervor: "Insgesamt hebt die EU jetzt ein Gesetz aus der Taufe, das einen weiten Anwendungsbereich hat, sehr umfassende 'Dos und Don'ts' vorschreibt und auch im Verfahrensrecht nachgeschärft wurde, so zum Beispiel bei Anti-Umgehungsregeln, der Einbindung von Drittparteien und der Meldung von Fusionen an die Kommission."

Der CMS-Kartellrechtler sieht erhebliche Auswirkungen auf Geschäftsmodelle in Plattformmärkten, die EU erhoffe sich dabei starke positive wettbewerbliche Effekte. "Unternehmen, die mit großen Plattformen zusammenarbeiten, können faire und diskriminierungsfreie Nutzungsbedingungen in App Stores verlangen, ihnen wird auch mehr Wahlfreiheit zum Beispiel bei Zahlungsdiensten eröffnet." In Online-Werbemärkten werde der DMA mehr Transparenz für Werbetreibende und Verleger schaffen, so Herbers. Auch Zugangsrechte zu den Datenschätzen der Tech-Giganten sehe der DMA vor. "Schließlich will die EU mit Interoperabilität den Wettbewerb im Bereich IoT und bei Messengerdiensten stärken und hofft, dass hier neue Geschäftsfelder entstehen. Interoperabilität war ein Schlüsselanliegen des Parlaments: Hier sollen Verbraucher direkt von echten Alternativen zu Gatekeeperdiensten profitieren. Auch zum Beispiel neue Regeln zu Preisvorgaben auf Plattformen haben direkten Einfluss auf den digitalen Alltag."

Bundesverband IT-Mittelstand: "Öffnet Tür zu fairem Wettbewerb"

Als "Meilenstein auf dem Weg in ein digital souveränes Europa", bezeichnet der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi)   die erzielte Einigung zum DMA. Für die mittelständisch geprägte Digitalwirtschaft öffne das Gesetz die Tür zu einem offeneren Markt und einem fairen Wettbewerb. Der Digital Markets Act ermögliche es, die digitale Transformation unabhängiger, nach eigenen Regeln und mithilfe europäischer Technologien zu gestalten. "Lange konnten große Tech-Konzerne ihre dominante Stellung am Markt durch Lock-In-Effekte zementieren und so die Entwicklung der digitalen Transformation maßgeblich bestimmen. Mit dem DMA müssen sich diese 'Gatekeeper' fortan in Europa einem fairen Wettbewerb um das beste Produkt stellen", erklärt Frank Karlitschek , Vizepräsident des BITMi. Für die Unternehmen des IT-Mittelstands bedeute dies mehr Teilhabe bei der Gestaltung der digitalen Transformation. So müssten sich Messenger-Dienste in Zukunft auch für andere Anbieter öffnen und Kommunikation anwendungsübergreifend ermöglichen. Auf neuen Geräten müssen dem Anwender nun außerdem Auswahlmöglichkeiten über die vorinstallierten Browser oder E-Mail-Programme gegeben werden. "Insgesamt wird die digitale Souveränität dadurch auf allen Ebenen massiv gestärkt: Staat, Wirtschaft und Gesellschaft profitieren durch den verbesserten Wettbewerb um das beste Produkt künftig von mehr Innovation und Auswahlmöglichkeit zwischen digitalen Lösungen", so Karlitschek.

Entscheidend werde es nun sein, die Durchsetzung des neuen Regelwerks sicherzustellen. Der BITMi begrüßt daher die Möglichkeit der Kommission, den Gatekeepern bei Verstößen empfindliche Sanktionen aufzuerlegen. "Wichtig ist, dass dies konsequent umgesetzt wird und dafür ausreichende Ressourcen zur Verfügung stehen."

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