Für viele Werbungtreibende war die Nähe zur Hörerschaft bislang das wichtigste Argument, um Podcasts für ihre Markenkommunikation einzusetzen. Doch die neue Grundlagenstudie 'Podcast Code' zeigt nun, dass dies nicht unbedingt der ausschlaggebende Faktor für den Erfolg von Podcasts ist. Das haben die Mediaplus Group
und September Strategie & Forschung
im Rahmen eines mehrstufigen qualitativen und quantitativen Studienprojekts in Kooperation mit der University of Florida
herausgefunden.
Podcasts, so die Erkenntnis des Forscherteams, können vielfältige Emotionen auslösen, und nicht immer ist es Nähe. In manchen Fällen erweisen sich Emotionen wie Attraktion, Relevanz oder sogar Stress als deutlich wirkungsvoller. Um das Markenprofil eines Unternehmens mit einem Podcast zu stärken, gelte es also herauszufinden, wie die Menschen emotional darauf reagieren. Ein 'Emotional Check' der drei Forschungspartner durchleuchtet in einem mehrstufigen Studiendesign, das eine Verknüpfung von Emotionsdaten und Marketing- und Media-KPIs erlaubt, welche Emotionen Podcasts bei den HörerInnen auslösen und wie man diese strategisch für die Markenkommunikation nutzen kann.
Unter die Lupe kamen Unterhaltungspodcasts (z.B. "Lästerschwestern", "Fest & Flauschig") und Wissenspodcasts (unter anderem "Zeit Geschichte", "Lage der Nation"). Auch der Corporate Podcast der Direktbank ING
wurde untersucht.
Stufe 1: Insgesamt 100 Testpersonen ließen sich dafür verkabeln. Wie sich Herzschlag (EKG), Hautleitwert (EDA), Gesichtsmuskeln (EMG) und Pulsvolumen (PVA) beim Hören der Audiobeiträge verändern, bildet die Basis für die Berechnung von sieben marktrelevanten emotionalen KPIs: Attraktion, Sympathie, Relevanz, Reflexion, Nähe, Vertrauen sowie Stress.
Stufe 2: In tiefenpsychologischen Interviews ermittelte September im Anschluss, welche Emotionen hinter den körperlichen Reaktionen stecken.
Stufe 3: Explizite Daten aus dem von der University of Florida entwickelten Fragebogen wurden im Anschluss mit den implizit erhobenen Daten aggregiert.
Stufe 4: Auf Basis aller Erkenntnisse gab es dann eine deutschlandweite Repräsentativbefragung mit 900 Personen, um Podcasts hinsichtlich ihrer Marken- und Werbewahrnehmung sowie ihrer Rolle in der Consumer Journey zu bewerten.
Die wichtigsten Learnings
Podcasts können viele Bedürfnisse erfüllen
Podcasts bieten eine Rückzugsoption, eine Auszeit und Erholung von der visuellen Überreizung. Sie sind je nach Tageszeit und gewünschter Stimmung Pausenfüller, Lebensbegleiter und Einschlafhilfe. Gerade weil sie nur einen Sinn bedienen, nehmen HörerInnen den Inhalt konzentrierter wahr und haben mehr Raum für die eigene Fantasie, z.B. was die Vorstellung des Speaker-Settings betrifft. Podcasts vermitteln Freiheit und Sicherheit in einem: Freiheit, weil eine scheinbar ungescriptete Erzählkultur gelebt wird und es keinen starren Ablauf gibt. Zugleich fühlen sich HörerInnen sicher in der emotionalen Verfassung, mit der sie aus dem Podcast kommen. Zitat aus einem der Interviews: "Ich werde mindestens einmal lachen."
Podcasts geben Bestätigung und moralische Orientierung
Egal ob sie vordergründig zur Information oder Unterhaltung dienen, Podcasts liefern zuverlässig Emotionen. Der Wissensfaktor ist oft nur die Legitimation, das gute Gefühl, Zeit sinnvoll genutzt zu haben, im Gegensatz etwa zu Musik-Streaming, durch das man sich eher nebenher berieseln lässt. Podcast sind allerdings nicht so verbindlich wie ein (Hör-)Buch, man kann jederzeit aussteigen oder wechseln, muss sich nicht wie beim Buch durchkämpfen. Ein Podcast kann darüber hinaus als moralischer Kompass dienen, viele HörerInnen suchen entweder nach Bestätigung der eigenen Handlungen oder Problemlösungen. Der Inhalt ist dabei nur Mittel zum Zweck, Träger für die gewünschten Emotionen. Gezieltes Mood-Management entsteht erst durch den Host, der Stimmung und Dynamik vorgibt. Für die Podcast-Hosts und deren Gäste heißt das, sie müssen eine klare (moralische) Haltung vorleben und bereit sein, Persönliches preiszugeben, auch Dinge, die man sonst lieber nicht anspricht.
Podcast ist ein Begleiter und Freund
Man fühlt sich dem Podcast und seinen SprecherInnen sehr nah, fast als säße man am gleichen Tisch. Dennoch ist es ein Teilhaben ohne Verpflichtung. Dem Gespräch lauschend holt man sich Gemeinschaft. Das Ganze jedoch komplett unverbindlich, ohne etwas dafür tun zu müssen. ZuhörerInnen müssen nicht Stellung beziehen und sind dennoch Teil einer Gemeinschaft.
Podcast ist nicht gleich Nähe
Die hervorgerufenen Emotionen unterscheiden sich signifikant je nach Genre. Sympathie, Attraktion und insbesondere Nähe werden häufiger durch unterhaltungsbasierte Podcasts hervorgerufen. Bei den Wissenspodcasts lässt sich vornehmlich ein besonderes Maß an Reflexion beobachten. Der Vergleich zwischen "Lästerschwestern", "Zeit Verbrechen" und "Fest & Flauschig" zeigt, dass man Podcasts nicht einfach nach Genre belegen kann. So sorgt Lästern und Stänkern weniger für Nähe, dafür aber für viel Stress und Reflexion. Der Comedy-Podcast "Fest & Flauschig" hingegen hat eindeutige Peaks bei Attraktion, Sympathie und Nähe. Verbrechen als ein belastendes Thema, mit dem man sich eher weniger identifiziert, erzeugt wenig Sympathie, dafür aber starke Reflexion.
Emotionalen Code knacken und Erwartungshaltung verstehen
Diesen
"emotionalen Code" gilt es bei der Umfeldplanung zu berücksichtigen: Werbungtreibende sollten Podcasts deshalb
"nicht blind für Nähe" buchen und
"sich dann über einen negativen Kontext-Effekt" wundern, kommentiert Jens Barczewski
, General Manager Mediaplus Insights. So seien Marken und Produkte, die etwas Lautstärke brauchen, in einem Podcast wie den "Lästerschwestern" gut aufgehoben.
"Marken, die ihren Kunden näherkommen wollen, passen in einen ,Plauderpodcast', halten sich aber bitte fern von der Crime-Time. Dieses Genre wiederum aktiviert und löst Aufmerksamkeit aus", so Barczewski.
"Das kann das Markenprofil schärfen. Wie andere Medien lassen sich Podcasts also sehr gezielt und umfeldorientiert belegen."
Die im Podcasts erzeugten Emotionen ließen sich zudem sehr zuverlässig und bei jeder neuen Folge abrufen, so ein weiteres Fazit der Studie. Der Content sollte daher immer auch sehr eng an die Erwartungshaltung seines Publikums geknüpft werden. Damit liefere der Podcast gewollte Emotionen quasi auf Knopfdruck.
"Podcasts gehören derzeit wohl zu den meist gepriesenen Medienformaten, sie waren aber bislang auch das meist missverstandene Medium", erklärt Oliver Spitzer
, Geschäftsführer September Strategie & Forschung. Er rät:
"Wer mit Podcasts die richtige Zielgruppe erreichen will, sei es als Publikum oder KonsumentInnen, muss wissen, welche Emotion der Podcast wirklich auslöst und welche Bedürfnisse und Erwartungshaltungen diese Emotionen stützen. Einmal definiert, sollte man der Linie dann auch treu bleiben, denn HörerInnen verzeihen es auf Dauer nicht, wenn die gewünschten Emotionen nicht erfüllt werden - dann wechseln sie zum nächsten Podcast."