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Bei der Personalisierung ist im B2B-Markt noch "viel Luft nach oben", wie Absolit-Geschäftsführer Dr. Torsten Schwarz euphemistisch erklärt. Seine Studie über die Personalisierungsmaßnahmen deutscher Unternehmen kommt zum Schluss: Nur ein Drittel der Kanäle wird personalisiert.
Von sieben abgefragten Kanälen für den Kundendialog (E-Mail, Print-Mailings, Website/ Shop/ App, Social Ads, Programmatic, Messenger/ SMS und Instore/ POS) werden durchschnittlich gerade einmal etwas mehr als zwei Kanäle (2,4) personalisiert bespielt.
E-Mail ist dabei klarer Spitzenreiter - nahezu alle Befragten (93 Prozent) setzen hier auf eine kundenzentrierte Kommunikation. Sämtliche weiteren Kanäle werden dann von noch nicht einmal mehr der Hälfte der Befragten für einen individualisierten Kundendialog genutzt - bei Print-Mailings und Katalogen sind es gerade mal 45 Prozent. Mehr als die Hälfte der Unternehmen liefern überhaupt nur in Online-Kanälen auf die Adressaten zugeschnittene Inhalte aus.
Dr. Torsten Schwarz seufzt: "Selbst große Unternehmen mit entsprechenden personellen Ressourcen lassen viel Potenzial liegen. Ganz zu schweigen von der Fortschreibung der Personalisierung von der Online- in die Offline-Welt und umgekehrt. Das ist äußerst fahrlässig, wenn man bedenkt, dass Personalisierung heute zu den zentralen strategischen Erfolgsfaktoren von Unternehmen zählt - egal ob bei der Leadgenerierung, der Kundengewinnung oder der Kundenbindung."
Vor allem B2B-Unternehmen haben einen großen Nachholbedarf, was die Personalisierung ihrer Kundenkommunikation angeht - vor allem, wenn man in die Kanäle außerhalb der eigenen Website schaut. Da ist Ulrich Gursky, Head of Communication bei SSI Schäfer Shop die Ausnahme. Der B2B-Versender hat mit seinem programmatisch produzierten Katalog im vergangenen Jahr den Award "Katalog des Jahres" des Branchendienstes Versandhausberater gewonnen (ONEtoONE 1-2/2022). Ulrich Gursky versteht die Personalisierungs-Zurückhaltung der B2B-Branche nicht: "Das Gießkannen-Prinzip eignet sich aus meiner Sicht nicht mehr, um im Wettbewerb bestehen zu können. Es ist auch nicht mehr zeitgemäß. Im Fokus steht für uns Relevanz. Je relevanter ich bei meinen KundInnen ankomme, desto besser. Das ist nichts Neues, aber der aktuelle Stand der Technik bietet hier immer bessere Möglichkeiten."
Immerhin: B2B-Kunden erwarten heutzutage die Personalisierung von Werbemaßnahmen und personalisierte Angebote in Onlineshops - da sind sich fast alle Befragten des B2B E-Commerce Konjunkturindex des IFH Köln einig. Aus Unternehmenssicht wirkt Personalisierung auf mehreren Ebenen: Zum einen wird Personalisierung als besondere Serviceleistung zur Einkaufserleichterung für KundInnen, zum anderen als wichtiges strategisches Instrument zur Optimierung der Kundenbeziehung angesehen.
Das Mantra "B2B wird B2C" führt in die Irre
B2B-Unternehmen wird von Dienstleistern, Agenturen und Beratern oft empfohlen, sich an B2C-Unternehmen zu orientieren, wenn es um Personalisierung geht. Laut einer Studie des Linkedin Marketing-Thinktanks The B2B Institute sind 73 Prozent der weltweit befragten 1.600 B2B-MarketingleiterInnen der Auffassung, dass die kreativen Kampagnen von B2B-Marken zunehmend mit denen von Verbrauchermarken mithalten können.
Mehr als zwei Drittel (65 Prozent) der Befragten stimmen der Aussage zu, dass Kaufentscheidungen im B2B-Bereich genauso stark von Emotionen bestimmt werden wie im B2C-Bereich. Rund zwei Fünftel (40 Prozent) setzen in ihren Kampagnen zunehmend auf Storytelling, Emotionen und Humor.
?Das Gießkannen-Prinzip eignet sich nicht mehr, um im Wettbewerb bestehen zu können.?
(Ulrich Gursky, Head of Communication , SSI Schäfer Shop)
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Doch dieses Mindset führt in die Irre. Denn anders als im B2C-Bereich müssen B2B-Unternehmen nicht nur eine Kundin oder einen Kunden im Blick haben, sondern die Bedürfnisse verschiedener Stakeholder. Während B2C-Nutzende für sich, für die Familie oder die Freunde einkauft, richtet sich das B2B-Marketing an verschiedene Mitarbeitende im Unternehmen, die für den Betrieb Ressourcen und Produkte erwerben. In der Regel ist bei solchen Entscheidungen mehr als eine Person beteiligt, sodass im B2B-Marketing mehrere Zielpersonen in verschiedenen Rollen berücksichtigt werden müssen. Das können beispielsweise beim Marketing für ein Marketing-Softwareprodukt, neben Marketing-Entscheidungstragende IT-Verantwortliche und EntscheiderInnen im Bereich Legal sein. B2B-Marketing muss all diese Personengruppen gleichermaßen ansprechen. Die Zielgruppe ist damit vielschichtiger als im B2C-Commerce.
Der Vorteil: Damit sind die Personalisierungs-Anknüpfungspunkte in Business-to-Business-Märkten auch deutlich vielfältiger als in Endverbrauchermärkten. Andererseits herrscht in der B2B-Kommunikation eine schwierigere Datenlage als im B2C-Commerce, was auch die Personalisierung mittls First-Party-Data erschwert. Während im B2C-Commerce Daten über private Geräte massenweise gesammelt werden können, ist dies bei geschäftlich genutzten Endgeräten deutlich schwieriger. Darüber hinaus verschwimmt heute oft auch die Nutzung privater und geschäftlicher Endgeräte. Das erschwert damit die saubere Trennung von relevanten Daten, insbesondere bei Anbietern, die gleichzeitig B2B- als auch B2C-Zielgruppen adressieren.
Zero-Party-Data statt First-Party-Data
Datenbasierte und automatisierte Prozesse sowie Personalisierung - im B2C-Bereich gang und gäbe - gewinnen im B2B-Marketing an Bedeutung, wie eine Studie von Innofact im Auftrag der Münchner Unternehmensberatung Cloudbridge Consulting zeigt. Demnach zählt die Marketing-Automation sowie die Digitalisierung von Marketing und Vertrieb zu den wichtigsten Themen, die Unternehmen in den kommenden Monaten beschäftigen.
Dafür müssen B2B-Unternehmen jedoch dringend mehr Datenwissen aufbauen, wie Robin Heintze von Morefire betont. "Es muss ein Verständnis dafür entwickelt werden, wie man Daten bekommt, wie man sie verarbeitet und zusammenführt. Diese Kompetenz fehlt noch in vielen Unternehmen." Auch sei die Infrastruktur oft nicht vorbereitet, es gibt viele Datensilos. "Daran müssen die Unternehmen sehr intensiv arbeiten, damit Marketing und Vertrieb datenbasiert bessere Entscheidungen treffen können." Daher müssten auch Vertriebsmitarbeitende den Mehrwert von Daten verstehen und lernen, ein CRM zu bedienen.
B2B-Unternehmen müssen sehr viele Informationen sammeln, die langfristig für eine gute Kundenbeziehung relevant sind: Was ist deren Geschäftsmodell? Mit welchen Anlagen und Maschinen wird gearbeitet? All diese Daten müssen gesammelt und gepflegt werden. Ganz viele Daten lassen sich nicht über First-Data-Systeme abgreifen, wie das bei klassischen B2C-Onlineshops oft sehr gut funktioniert. Stattdessen muss man die KundInnen dazu bewegen, die Daten als Zero-Party-Data selbst zu hinterlassen. Wo potenzielle EinkäuferInnen ein Interesse haben, sich die Prozesse zu optimieren, Präferenzen anzulegen und Merklisten zu generieren, da entstehen auch Datenquellen, die für die Personalisierung genutzt werden können - sowohl auf Website, Shop oder Procurelemnt-System als auch in EMail-, Printmailing- und Katalogkommunikation.
Der zweite Ansatz hin zu einem guten Kundendatenbestand ist der eigene Vertrieb. Wie Laura Ameskamp, COO der B2B-Online-Marketing-Agentur Kyto anmerkt: "Früher wurde der Wert von Vertriebsmitarbeitern auch daran gemessen, was für Erfahrungen und Kundenkontakte sie mitbringen. Im CRM kann man dieses Wissen reproduzieren." Jeder wisse dann theoretisch, was die KundInnen für Themen haben, welche Anlage sie nutzten, wann der nächste Messebesuch ansteht oder ganz persönlich, wie die Kinder heißen. "Das macht manche, herkömmliche Vertriebsprozesse ersetzbarer und schafft neue Chancen." Chancen, um in der B2B-Personalisierung den Luftraum oben zu verkleinern.