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Rundruf: Was halten Sie von Leserkommentaren?

24.03.2016 - Sperren, moderieren oder tolerieren? Wie unsere Leserinnen und Leser mit der Kommentarfunktion verfahren würden, haben sie in unserem aktuellen Rundruf verraten.

In jüngster Zeit gehen immer mehr Medien (zum Beispiel Faz.net, Welt-Online, Spiegel-Online) dazu über, ihre Kommentarfunktion für Leser unter Online-Artikeln einzuschränken beziehungsweise verstärkt zu moderieren oder bei bestimmten Beiträgen - etwa zur aktuellen Flüchtlingsproblematik - zeitweise ganz auszustellen. Anlass seien Hass- und Hetzkommentare, die eine sachliche Debatte kaum möglich machten. Wir haben unsere Leserinnen und Leser gefragt, wie sie zu diesem Thema stehen: Wie wichtig sind Ihnen Kommentare auf Medienportalen?

Konstantin Breyer, Xpand21, Hamburg Leserkommentare online haben die Einbahnstraße klassischer Medien zu einem echten Kommunikationskanal gemacht. Inzwischen gibt es aber zwei Probleme: erstens, dass Marketing-Profis unter dem Deckmantel von Leserkommentaren bezahlte Propaganda streuen, die in der "Aufmerksamkeitsökonomie" oder auch "Aufregungsökonomie" recht wirksam sein kann. Zweitens verstärkt sich das erste Problem, weil ohne weitere Anreize nur bestimmte Leute mitmachen beim Mitmach-Web, und das verzerrt oft zusätzlich das Gesamtbild der Leserkommentare. In meinen Augen ist eine Sperre aber keine Lösung. Besser ist, zeitgemäße Foren-Software einzusetzen, die recht zuverlässig bezahlte und auch gesetzwidrige Kommentare ausfiltern kann, und zudem redaktionelle Betreuung. Denn, seien wir ehrlich, manchmal sind die Kommentare unter Artikeln lesenswerter, engagierter und fachkundiger als die Artikel selbst.

Franz Kolostori, Eyepin, Berlin Bereits zu ihrer Einführung Mitte der Neunzigerjahre fand ich die Kommentarfunktion überflüssig - daran hat sich bis heute nichts geändert. Für mich sind Kommentare meistens nur anonyme Postings von Nörglern und Besserwissern. Sie tragen selten zu konstruktiven Diskussionen bei. Die wenigen Menschen, die wirklich etwas zu sagen haben, tun dies in eigenen Artikeln und Beiträgen. Social-Media-Plattformen eignen sich meiner Meinung nach deutlich besser zum Kommentieren als Websites und Blogs. Wichtig ist vor allem, dass wir die Kommentatoren aus der Anonymität holen. Aussagen im Netz sollten dieselben Konsequenzen nach sich ziehen wie über andere Kanäle kommunizierte Statements. In den sozialen Medien funktioniert das mittlerweile schon recht gut, und die Menschen lernen langsam, dass sie für ihre Aussagen auch verantwortlich sind.

Miriam Rupp, Mashup Communications, Berlin Grundsätzlich ist es nachvollziehbar, dass bei Themen, die in der Vergangenheit bereits ein Übermaß an Hass- und Hetzkommentaren sowie illegalen Äußerungen hervorgerufen haben, die Kommentarfunktion stark eingeschränkt oder gar ganz deaktiviert wird. Der Moderationsaufwand steht hier nicht mehr in Relation zu dem Nutzen solcher Kommentare für eine sachliche Diskussion. Jedoch sollten bei solchen Themen und auch darüber hinaus Alternativen angeboten werden, unterschiedliche Sichtweisen sichtbar zu machen und diejenigen Leser zu involvieren, die an jener sachlichen Diskussion eigentlich interessiert sind. Eine Möglichkeit wäre es, mehr redaktionellen Platz für Leserartikel zur Verfügung zu stellen.

Joachim Fischer, Kontrast Communication Services, Düsseldorf Ich betrachte das Thema "Handhabung und mögliche Einschränkung von Kommentarfunktionen in Online-Medien" aus Markensicht, da auch immer mehr Marken und Unternehmen per Corporate Blogs oder Plattformen zu Publishern werden. In all diesen Medien gibt es grundlegende Kommunikationsspielregeln. Leider halten sich nicht alle User daran, vor allem bei brisanten Themen. Einzeln auf deren Kommentare einzugehen, sie zu editieren und nach Ankündigung auch zu löschen, ist bestimmt sinnvoll, bindet aber enorme Ressourcen, die nicht immer vorhanden sind. Die Kommentarfunktion zeitweise einzuschränken oder auch auszustellen ist deshalb in Einzelfällen verständlich und richtig. Das hat für mich nichts mit Zensur zu tun, sondern mit Qualität und Netiquette. Ein Online-Medium ist kein Tummelplatz für Idioten.

Aaron Keilhau, Firal, Hamburg Ohne Frage, das Recht auf Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Güter unserer Gesellschaft. Das Internet bietet ganz neue Möglichkeiten, den eigenen Standpunkt öffentlich kundzugeben - nicht nur über Online-Medien, sondern auch maßgeblich über soziale Netzwerke. Publisher müssen mit Kritik rechnen, der Journalist sitzt nicht mehr im Elfenbeinturm. Ich schätze es sehr, dass Leser mit Medienmachern und Kunden mit Unternehmen in Interaktion treten können, und denke, dass dieser Austausch auch Chancen für Innovationen bietet. Es gibt aber Grenzen, die sich in menschenrechtsverachtenden und verfassungswidrigen Hasskommentaren manifestieren. Ihnen darf keine Bühne geboten werden. In solchen Fällen halte ich es für die Aufgabe von verantwortungsvollen Medientreibenden und auch Unternehmen, Kommentare, begleitet von einer Erklärung, zu löschen.

Dr. Michael Raffle, AMC Deutschland, Bingen Kommentare lesen? Na klar! Will ich! Und ich möchte auch die Möglichkeit haben, einen Kommentar zu schreiben, wenn mir danach ist. Meinungen äußern zu können, sich mit Meinungen anderer auseinanderzusetzen ist ein elementarer Bestandteil der freien Meinungsbildung in einer freien Gesellschaft. So gesehen, verbietet sich das Schließen einer Kommentarfunktion. Wo aber nicht mehr sachlich kommentiert wird, sondern nur noch verleumdet und beleidigt, endet die Meinungsfreiheit. Hasstiraden, persönliche Angriffe, Unterstellungen oder gar Androhungen von Gewalt gegen Personen oder Gruppen sind nichts, was für mich zu einer, gerne auch kritischen, Diskussion in einer Gesellschaft gehört, sondern in der Regel nur unreflektierte Befindlichkeiten, Aggressionen und Emotionen, die andere herabsetzen und verletzen wollen. Und hierfür muss es Grenzen geben. Deshalb sind Kommentarschließungen aus meiner Sicht verständlich und leider manchmal auch erforderlich.

Lina Klespe, Die Onlinefabrik, Berlin Im Prinzip ist das Löschen hasserfüllter Kommentare eine Zensur, beziehungsweise wird es als solche wahrgenommen. Medien sollten, analog zum Ansatz der "Counter Speech", Hass- und Hetzkommentatoren eher konfrontieren als ignorieren. Das bedeutet, auch noch so inhaltsleere Argumente mit klaren Standpunkten zu widerlegen, um die Glaubwürdigkeit hasserfüllter Posts zu erschüttern. Leser, die Hassstimmen rezipieren, können so abgeholt werden und haben die Wahl, rationale Argumentation gegen die Hasskommentare abzuwägen. "Counter Speech" baut auf gesellschaftlich verankerte Normen auf. Die Konfrontation vermittelt, dass Autoren von Hasskommentaren gegen ebendiese Normen verstoßen und so auf intellektueller Ebene sanktioniert werden.

Sebastian Schwerk, Frische Fische, Dresden Schon in Zeiten des guten alten Leserbriefs galt: Wer über Themen schreibt, die emotional stark berühren, muss mit heftigen Reaktionen rechnen - egal, ob es um Fußball oder Bauprojekte geht. Und genauso wenig wie früher jeder Leserbrief von BVB-Fans zum FC Bayern veröffentlicht wurde, muss heute nicht jeder hass-erfüllte Kommentar freigeschaltet werden. Aber ermöglichen sollte man sie als wertvollen Input für Leser und Redaktion unbedingt. Eine Veröffentlichung sollte aber nur selektiv und nach Prüfung auf Sachlichkeit, Verständlichkeit und inhaltliche Dopplungen erfolgen. Idealerweise animiert man dazu, sich Mühe zu geben, zum Beispiel indem man veröffentlichte Kommentare belohnt, Stichwort Gamification. Das schreckt die Hetzer ab, die nur um des bösen Kommentars willen einen Artikel überhaupt aufrufen, und sorgt gleichzeitig für eine Aufwertung der Inhalte und der Diskussionskultur.

Sandra Schwarz, Scholz & Friends Group, Hamburg Selbst kommentiere ich eher selten, aber ich lese mit wachsendem Schrecken, welche Art von Kommentaren mittlerweile auch unter Klarnamen gemacht werden. Das ist schon schwer zu ertragen. Ich kann den Impuls der Medien verstehen, lieber abzuschalten, als zu versuchen, der Flut an Kommentaren Herr zu werden. Und trotzdem ist es eine Kapitulation. Unsere Medien sollten besser sein als das. Aussperren ist für diese Teile der Gesellschaft nur der Beweis, dass die "Lügenpresse" wirklich existiert. Wenn man es ernst meint mit der Demokratie, muss man sich auch diesen Diskussionen stellen oder sie zumindest aushalten. Dazu gehört aber eben, sie aktiv zu moderieren. Das scheitert in den Redaktionen aber wohl an den Ressourcen. Schade.

Arne König, CoreMedia, Hamburg Kein Kommentar? Dass Journalisten als Filter fungieren, wusste schon Walter Lippmann in den 1920ern. Im Gegensatz zu Leserbriefen führen heutige Kommentarfunktionen aber durch Anonymität, (Echt-)Zeit und Quantität das Mediensystem an seine Grenzen. Unsere Kunden, zu denen deutsche Medienhäuser gehören, begegnen dem durch Registrierungspflicht, Blacklists für bestimmte Begriffe und Kontrolle durch andere Leser. Eine Moderation von Kommentaren ist meiner Meinung nach unumgänglich. Üblicherweise geschieht sie nach dem Publizieren, weil der Masse an Kommentaren und dem Wunsch nach Aktualität kaum anders begegnet werden kann; dann wird depubliziert, was andere Leser oder das Content Management System markiert haben. Natürlich können Kommentare feingranular auch für einzelne Artikel abgestellt werden. Ob man das tun sollte? Kein Kommentar.

Marc Matern, East End Communications, Berlin? Im Zuge der Digitalisierung ist eine aktive und professionelle Betreuung der Medienportale durch die Unternehmen und die dazugehörigen Kommentarfunktionen für die entsprechenden Leser und Konsumenten unabdingbar. Wenn dies professionell erfolgt, sehe ich das grundsätzlich eher als eine große Chance für jedes Unternehmen sich direkt mit Ihrer Zielgruppe auszutauschen und erachte es als sehr sinnvoll. Sicherlich stellt gerade das weltpolitische Umfeld für viele Unternehmen/ Webseiten eine Herausforderung dar, sofern sich radikale Kommentare auf den betroffenen Seiten verbreiten. An dieser Stelle ist es sehr schwer ein generelles Verhalten abzuleiten und alle Kommentare sofort zu löschen. Hier muss in der Tat sorgfältig die Entwicklung beobachtet und entsprechende Maßnahmen dann individuell bestimmt und umgesetzt werden.

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