Mikro-Trends im datengestützten Marketing: Auf den nächsten Level

12.09.2022 - Der Fokus im datengetriebenen Marketing wandelt sich klar von Third- zu First-
Party-Daten. Auf Marketingverantwortliche kommen damit deutlich kleinteiligere Aufgaben zu. ONEtoONE hat die Mikro-Trends identifiziert.

von Christina Rose

Mit Ende der Third-Party-Daten wird für Marken und Werbungtreibende die Investition in ein First-Party-Daten gesteuertes Ökosystem grundlegend, das plattformübergreifend funktioniert. Und auch wenn Google gerade wieder den Ausschluss von Third-Party-Cookies in seinem Chrome-Browser um ein weiteres Jahr verschoben hat, sollten Unternehmen dringend eine First-Party-Datenstrategie etablieren, fordern ExpertInnen.

Die eine Lösung, die Cookies künftig ersetzen wird, wird es kaum geben. Konsens herrscht aber darüber, dass eine solide First-Party-Datenstrategie zur tragenden Säule des Marketings wird. Der entscheidende Punkt hierbei: Unternehmen benötigen dazu zwingend die Einwilligung der UserInnen. Fingerprinting, Advertising IDs, Google Chromes FLoC-Technologie oder auch Login-Allianzen auf Single-Sign-on-Basis wie Net-ID und Verimi, ersetzen Third-Party-Cookies.

Trend 1: Gut integriertes Smarketing

Marketing und Sales verschmelzen zunehmend zum Smarketing, prognostiziert Martin Philipp, Managing Director von SC Networks. "Dabei geht es nicht nur darum, Systeme zu integrieren, um übergreifende Datenflüsse zu ermöglichen, sondern auch um eine Verzahnung der Teams und Touchpoints, wodurch lückenlose Kundenerfahrungen entstehen."
Wen es betrifft: Mittelstand, Marketing und Vertrieb

Trend 2: Individualisierung in der Kundenansprache

Individualisierung spielt laut Dirk Görtz, Vice President Produkt-Marketing & Kommunikation, Post & Paket Deutschland, in der Kundenansprache eine immer wichtigere Rolle. "KundInnen erwarten Angebote, die an ihren Bedürfnissen orientiert sind. Ermöglicht wird das durch die Marketing-Automation, über die Kampagnen hochindividualisiert und automatisiert nach Kundenmerkmalen ausgesteuert werden. Das erhöht die Relevanz, die Wirkung - und die Effizienz."
Wen es betrifft: E-Commerce, Agenturen, Marken

Trend 3: Full-Funnel Tracking - Daten-Insourcing mit der Macht der "Owned" Plattformen

Wenn Third-Party-Cookies online nicht mehr funktionieren, geht der Fokus auf die First-Party-Daten. Und das ist nach Einschätzung von Robin Holzbach, Head of Strategy bei Altavia, auch richtig so. "Zahlreiche Unternehmen entwi­ckeln bereits ihre Strategien für mehr Kundendaten und errichten Content-Walls, sodass bestimmte Inhalte nur nach vorheriger Anmeldung / Login verfügbar sind, oder bieten Anreize für die Nutzung von 'Owned-Kanälen' oder arbeiten verstärkt am Tracking von Käufergruppen. Diese Entwicklung ist notwendig, um uns zu einem sauberen und transparenten Full-Funnel-Tracking zu bringen." Von der ungestützten Markenbekanntheit bis zur Retention Rate, von Wechselwirkungen der Touchpoints bis zum Footfall im Store sollte alles konsolidiert werden und übergeordnet in den Zusammenhang gestellt werden - Next-Level Big Data für HändlerInnen und Marken.
Wen es betrifft: Händler & Hersteller, E-Commerce & Filialisten, Agenturen & Technologieanbieter

Trend 4: Situatives Targeting

Immer schwieriger wird es - spätestens, wenn der Cookie fällt - die gewünschten NutzerInnen noch sauber zu identifizieren. Situatives Targeting mit seinen vielen möglichen nutzbaren Datenmerkmalen ist laut Lars Hilsebein, Geschäftsführer von Cynapsis Interactive, "eine echte Alternative zum klassischen verhaltensbasierten Targeting. Auch bereits jetzt, da verstärkt consent-free Traffic eingekauft werden kann und somit eine höhere Reichweite bei günstigerem CPM generiert werden kann."

"Analog zur digitalen Werbung wird auch im OOH Umfeld verstärkt auf Grundlage der Publikumsdaten gebucht, anstatt sich wie bisher nach der Verfügbarkeit geeigneter Werbeflächen der Medienbesitzer zu richten", ergänzt Diederick Ubels, CEO und Co-Founder Sage+Archer.

Das granulare Precision Targeting gehört laut Liesbeth Mack-de Boer, Managing Directrice, Central Europe bei Outbrain, bald der Vergangenheit an. Contextual Advertising steht in den Startlöchern, um die alte Form der Kundenansprache abzulösen. "Der Vorteil liegt in der größeren Datenfülle bei der kontextuellen Ausspielung, die tiefer geht als bei einer reinen Umfelderbuchung", so ihre Einschätzung. Zudem sei kontextuelles Targeting zukunftssicher und könne sich dynamisch an neue kontextuelle Beziehungen anpassen. Denn was NutzerInnen lesen und betrachten, gibt Aufschluss über ihre Interessenlage und ermöglicht die Erschließung qualifizierter Zielgruppen in einem relevanten Umfeld.
Wen es betrifft: Agenturen, Marken

Trend 5: Multi-ID Targeting

Die Abschaffung des Third-Party-Cookies erfordert ein Umdenken. "Nötig ist ein Mix aus verschiedenen Targeting-Ansätzen und die Nutzung verschiedener Werbe-IDs am Markt, um Zielgruppen zu erreichen. Die Herausforderungen besteht darin, trotz dieser ID-Silos mithilfe von Graph-Lösungen die Informationen zusammenzubringen und so eine relevante Reichweite zu erzielen", formuliert Peter Lorenz, Product Lead, Emetriq. Aber auch das souveräne und datenschutzkonforme Onbording von First-Party-Daten sei in diesem Zusammenhang nicht zu vernachlässigen. Nur so lassen sich Algorithmen für alternative Ansätze zuverlässig trainieren. MarketerInnen müssten verstärkt den Wert ihrer eigenen Daten erkennen und die diese für den Werbemarkt aktivieren.
Wen es betrifft: Agenturen, Marken

Trend 6: Mobile Apps rücken in den Mittelpunkt des Kundenerlebnisses

Die globale Pandemie hat die Vorliebe der VerbraucherInnen für Apps spürbar beschleunigt. Infolgedessen setzen immer mehr Marken auf mobile Apps und verknüpfen Treueprogramme und Concierge-Dienste eng miteinander, um wertvolle First-Party- und Zero-Party-Daten während des gesamten Kundenlebenszyklus zu sammeln. "Das funktioniert, denn Branchenstudien zeigen, dass Marken mit einer App dreimal mehr Umsatz und Transaktionshäufigkeit generieren als Marken ohne App. Versierte VerbraucherInnen wissen, wie ein erstklassiges App-Erlebnis aussieht, wobei eine schlechte App-Erfahrung vergleichbar ist mit einem schlechten Einkaufserlebnis in der Filiale", erklärt Laura Schwarz, Director of Sales EMEA, Airship. Marken müssten kontinuierlich jeden Aspekt ihres mobilen App-Erlebnisses optimieren - sowohl vor als auch nach dem Download. Künftig werde das Kundenerlebnis - insbesondere in den bevorzugten Apps - über das Schicksal der Angebote entscheiden.
Wen es betrifft: E-Commerce, Agenturen, Marken


Trend 7: Retail Media im Full Funnel

Geschäftsmodelle für Werbung werden bei den Marken immer beliebter und immer mehr Marketing-Budgets fließen in Retail Media. "Advertiser erkennen den Wert der Daten und die Chancen, ihre Zielgruppe passgenau zu erreichen. Retail Media steht daher vor einem massiven Wachstum, erfordert aber Know-how und technologische Entscheidungen, sowie die partnerschaftliche Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen", sagt Miriam Thome, Senior Director, Marketplace Management, Xandr.

Der Wegfall von Drittanbietercookies wird die Relevanz von qualitativen Daten von Retailern enorm steigern, ist Armin Nusser, Director Sales & Partner Management at LAYA Media bei LAYA Group, überzeugt. Retailer verfügen neben den üblichen Daten zu Soziodemografie und digitalem Verhalten auch über Daten zu tatsächlichen Käufen, die intelligent vernetzt die Basis für Retail Media-Kampagnen bilden.

Retail Media bringt künftig das Beste zweier Welten zusammen, ist auch Sabine Jünger, Direktorin Advertising Services, Otto GmbH & Co KG, überzeugt: "Es geht längst nicht mehr nur um Performance-Marketing und den Abverkauf in Onlineshops, sondern den gesamten Marketing-Funnel. Wir können jetzt die Insights, die wir mittels Retail Media generieren, auch für die Awareness- und Consideration-Phase nutzen." Ziel sei es, KundInnen entlang ihrer gesamten Customer Journey zu erreichen und die richtigen Botschaften zur richtigen Zeit zu liefern.
Interessant wird zudem, wie die Brücke zu Social Commerce geschlagen wird. Denn auch hier eine Sparte immer wichtiger: Die Verbindung zu Retailern und kombinierter Mediaschaltung über die Social-Plattformen.
Wen es betrifft: E-Commerce, Brands, Unternehmen

Trend 8: Feinere Messungen

Neue Kanäle und das wachsende programmatische Ökosystem machen die Kampagnenplanung komplexer, erklärt Maximilian Weigel, Managing Director Germany Yahoo. "Die Suche nach einheitlichen Ansätzen zur effektiven Ansprache von Zielgruppen sowie der Erfolgsmessung über sämtliche Kanäle wird die Branche weiter beschäftigen."

Auch Oliver Bohl, Geschäftsführer der Triplesense Reply, plädiert für feinere Messungen: "Relevante Kommunikation muss feine Untertöne verstehen und aufgreifen um relevant kommunizieren zu können."
Wen es betrifft: Markenartikler und Unternehmen in den Bereichen Kundenservice, Werbuntreibende, Publisher, Agenturen

Trend 9: Real-Time Inventory

Bestandsdaten in Echtzeit werden zum zentralen Entscheidungsmerkmal und dazu ein Schlüsselfaktor für die Sichtbarkeit lokaler Geschäfte. "Von den Informationen profitieren nicht nur die KonsumentInnen und können direkt ein Geschäft ansteuern, das das gesuchte Produkt auf Lager hat - auch Unternehmen können jeden stationären Shop der aktuellen Nachfrage entsprechend optimal ausstatten", skizziert Florian Hübner, CEO und Gründer von Uberall.
Wen es betrifft : Einzelhandel, Konsumenten, Marken

Trend 10: Marketers Experience

Dieser Trend beschreibt laut Marc Bohnes, Product Delivery Manager bei Optimizely, die Employee Experience weiter gedacht - Investitionen in nahtlose Workflows und somit eine bessere "Marketers Experience" sind für den Erfolg heutiger Marken entscheidend. Denn Marketing ist entscheidend für den Umsatz, doch mit immer mehr Produkten und Aufgaben und gleichzeitig wenig Ressourcen bleibt die Kreativität auf der Strecke. Bohnes: "Mehr denn je benötigen Marketer die richtigen Tools, um Kreativität und Datenanalyse effektiv zu verbinden."
Wen es betrifft: Marketing-Teams, Marken/Unternehmen

Trend 11: Attribution Modelling

Mit Attribution Modelling wird die Praxis der Zuordnung von Marketing Touchpoints zu monetär relevanten Ereignissen innerhalb einer Customer Journey bezeichnet, die sich direkt auf das Kosten-/Umsatz-Verhältnis von Websites, Email-, Social Media- und beispielsweise SEA-Kampagnen auswirken, erklärt Phillip Schäfer, Online Marketing Director bei Von Helden und Gestalten: "Durch Attribution Modelling und unterschiedliche Betrachtungswinkel der oben genannten Touchpoints innerhalb einer Customer Journey bekommen MarketerInnen ein detailliertes Bild über die Effektivität ihrer Aktivitäten und können Querverbindung zwischen Kanälen ausmachen, die bei der einfachen Bewertung einzelner Kanäle nicht sichtbar sind." Diese Querverbindungen könnten Marketing-Verantwortlichen helfen, kleiner werdende Werbebudgets optimierter einzusetzen.
Wen es betrifft: Agenturen, Advertiser, B2B, Start-ups

Trend 12: Neubewertung der Datenerfassung

Die Entscheidung von Google, Universal Analytics einzustellen, lässt Unternehmen ihre Datenerfassungsstrategie neu bewerten und nach einer Lösung suchen, die zukunftssicherer ist als der UA-Nachfolger Google Analytics 4. Magdalena Pawlitko, Head of Sales bei Piwik PRO, sieht hier zwei Hauptprobleme: "Die Einhaltung der Datenschutzgesetze (für Deutschland GDPR und TTDSG) ist jetzt einer der wichtigsten Faktoren bei der Entscheidung für den nächsten Analytik-Anbieter. Einige UA-Compliance-Probleme wurden in GA4 gelöst, aber die Software entspricht immer noch nicht den GDPR-Standards und es ist zweifelhaft, dass sie es jemals sein wird." Und im Vergleich zu UA ist GA4 eine komplexe Plattform, die einen hohen Schulungsaufwand erfordert, um richtig zu funktionieren, erklärt sie.

KundInnen erwarten mehr Kontrolle über ihre Interaktionen mit Marken, gleichzeitig suchen Marken nach neuen Wegen, um Loyalität aufzubauen und Beziehungen zu monetarisieren. Dabei geht es um den Austausch von Werten. Deshalb sollte der Datenschutz in der Prioritätenliste der Unternehmen ganz oben stehen und nicht erst dann, wenn seitens der VerbraucherInnen ein grünes Licht für bestimmte Maßnahmen erforderlich ist, betont Laura Schwarz von Airship. "Wenn Unternehmen beim Datenschutz transparent sind, senden sie sowohl an ihre derzeitigen und künftigen KundInnen als auch an ihre MitarbeiterInnen eine deutliche Botschaft. Insgesamt führt das für alle Beteiligten zu einem größeren Nutzen."
Wen es betrifft: Alle Unternehmen, die datenbasiertes Marketing betreiben

Trend 13: Mehr Datenquellen pushen KI-Anwendungen

"Daten gelten als das Öl des 21. Jahrhunderts. Das Gute dabei: Die Anzahl der Datenquellen im Marketing nimmt von Jahr zu Jahr zu und damit auch die Menge an Informationen, die sich allerdings nicht mehr manuell auswerten lassen. An diesem Punkt muss Künstliche Intelligenz zwingend zum Einsatz kommen - zumindest, wenn man datenbasiert arbeiten will", betont Jenny Gruner, Director Global Marketing bei Hapag-Lloyd. Besonders im Dialogmarketing stecke viel fruchtbarer Boden in Sachen Personalisierung, der bestellt werden will. So könnten Suchmuster oder der Nutzungskontext eines Kunden und einer Kundin auf der Website besser bestimmt werden, was dem Unternehmen hilft, KundInnen besser zu verstehen. Gruner: "Mit der passenden automatisierten Kommunikation und personalisierten Websites können die Kundenbedürfnisse dann zur richtigen Zeit und am richtigen Ort bedient werden."
Wen es betrifft: E-Commerce, Agenturen, Marken

Trend 14: KI in der Marketingautomatisierung

"Marketingautomatisierung ist gut, Marketing-Automation mit KI noch besser", sagt Kathleen Jaedtke, Head of Marketing DACH, HubSpot. Intelligente Datenauswertung werde vermehrt im Marketing Einzug halten: ob für die Kundensegmentierung, Churn-Analyse oder die personalisierte Kommunikation von Inhalten in die von Kundinnen und Kunden präferierten Kanäle mit dynamischen Elementen. Jaedtke: "Damit werden Marketingmaßnahmen effizienter und vor allem skalierbarer."
Wen es betrifft: E-Commerce, Marken, Agenturen

Trend 15: Contextual Consent

In der Regel wird die Nutzereinwilligung zur Datenerhebung beim Erstkontakt mit einer Website über ein Banner eingeholt. Zunehmend setzt sich jedoch auch das Prinzip des "Contextual Consent" durch, also der Einholung der Einwilligung vor einer bestimmten Interaktion auf der Website (wie dem Zugriff auf ein YouTube-Video). "NutzerInnen verstehen hierdurch besser, wozu sie einwilligen. Website-Betreibende haben erneut die Option, NutzerInnen, die vielleicht zunächst keine Einwilligung gegeben haben, noch einmal um ihren Consent zu bitten", erläutert Tilman Harmeling, Entrepreneur in Residence, Usercentrics.
Wen es betrifft: Agenturen, Marken, E-Commerce

Trend 16: Dashboards mit klaren Handlungs­empfehlungen und Data Clean Rooms

Das Handling der Daten wird zentraler Erfolgsfaktor, sagt Stephanie Richter, CEO bei Adspert. Denn die schiere Masse an Daten nehme immer mehr zu und Marketingabteilungen erhielten so immer mehr Reports.
"Moderne Dashboards helfen hierbei, indem sie die Daten miteinander ins Verhältnis setzen und konkrete Interpretationen sowie Handlungsempfehlungen geben" prognostiziert sie.

Die Zukunft für sichere und skalierbare First-Party-Daten sieht Marco Dohmen, Managing Director, Enterprise Sales EMEA bei Triplelift, in Kooperationen durch Nutzung von Data Clean Rooms (DCRs). "Eine DCR (Data Clean Room)-Lösung ermöglicht es First-Party-Daten von Advertisern mit denen der Publisher Privacy-konform zu verbinden und zu matchen. Mithilfe von Machine-Learning-Komponenten werden zudem Reichweiten durch Predictions stark gesteigert."
Wen es betrifft: Marketingagenturen, Marketingabteilungen, ECommerce-Agenturen, Publisher, Retail Media

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