16.06.2001 - Personalberater Dr. Jan Thieme rät zu mehr Offenheit bei der Personalauswahl.
Nein, Headhunter ist er nicht, und auch kein Arbeitsvermittler, sondern Personalberater. Darauf legt Dr. Jan Thieme großen Wert. Schließlich möchte er nicht mit den gemeinen Kopfjägern in einen Topf geworfen werden, die für jeden alles suchen. Thieme und seine 12-köpfige Crew von TGMC Dr. Thieme Gleue Management Consulting sind auf die Direktmarketing-Branche spezialisiert. In ihrem Büro neben Hamburgs Winterhuder Fährhaus verbirgt eine lange Reihe schwarzer Schränke rund 10.000 Lebensläufe von Direktmarketern. Ein Schatz in Zeiten, in denen zig Unternehmen nach qualifizierten DM-Kräften suchen.
Der "Gehaltsvergleich", sagt Thieme heute, habe TGMC zum Durchbruch verholfen. Zunächst für´s klassische Direktmarketing, später für die Call-Center-Branche hatte Thieme 1996 die Erhebung zunächst gemeinsam mit dem Fachblatt Direktmarketing aus der Taufe gehoben.
Das Prinzip ist so simpel wie effizient: Wer an der Umfrage teilnimmt, seine Daten und Profile preisgibt, bekommt zum Dank die für ihn relevante Umfrageanalyse kostenlos. Thieme erhält die Profile und somit einen intimen Blick in (Gehalts-)Strukturen der DM-Unternehmen, und der Teilnehmer erfährt, wo er positioniert ist und ob sein Salär dem Branchendurchschnitt entspricht. Der einzige Verlierer bei diesem Procedere dürfte der sein, der seine Mitarbeiter schlecht bezahlt.
Allerdings ist Thieme überzeugt: "Die meisten Mitarbeiter verlassen ein Unternehmen nicht des Geldes wegen, sondern weil sie mehr Verantwortung übernehmen wollen." Wer beispielsweise binnen kurzer Zeit zu einer Position mit Personalführung und Eigenverantwortung kommen will, bewirbt sich am besten in einem Call Center, so Thiemes Tipp, denn dort gibt es viele Mitarbeiter zu führen.
Allerdings kämpfen Telemarketer ebenso wie andere DM-Sparten mit dem gleichen Problem: "Das Direktmarketing ist nach wie vor im Ansehen der Berufsanfänger nicht top positioniert", klagt Thieme, "man geht immer noch eher zur Deutschen Bank als in ein Call Center. Und den Werber-nachwuchs zieht es immer noch eher in klassische Agenturen als in Dialog-Agenturen. Das entspricht nicht dem hohen Professionalitätsgrad der Branche."
Nicht nur das vermeintlich schlechte Image der Branche könnte den ein oder anderen zurückhalten: Dialogmarketing ist naturgemäß ergebnisorientiert - Schaumschläger sind schnell entlarvt, wenn Response-Quoten und Effizienzmessungen nicht stimmen, Dialogmarketing ist also anstrengend. Das dürfte all jene nicht schrecken, so Thieme, die in den "großen Schmieden wie Otto oder Quelle" gelernt haben. Das Ausbildungs-Engagement dieser Unternehmen habe in den vergangenen Jahren in die Branche abgestrahlt und "Leute mit großem Potenzial" hervorgebracht.
Während für TGMC die Vermittlungsgeschäfte für Call Center, Versender und Database-Unternehmen gut laufen, lässt das Business mit E-Commerce-Fachkräften zu wünschen übrig. "Es hat sich vom Volumen nicht so entwickelt wie erwartet", räumt Thieme ein. Stattdessen setzen die Hamburger nun auf den weiteren Ausbau der Personalrekrutierung für Call Center. Mit André Soder (35), zuletzt Verkaufsleiter beim Hanseatischen Wein- und Sektkontor, und Thomas Gerke (41), seit acht Jahren selbstständiger Kommunikationstrainer für Call-Center-Agents, wird dieses Feld jetzt weiter verstärkt.
Außerdem will Thieme künftig Beratung zum Thema "Fluktuationsmanagement" bieten. Doch vor dem Fluktuations- steht ja zunächst mal das Rekrutierungsproblem. Was also müssen die Unternehmen tun, um qualifizierte Kräfte zu bekommen? "Die Branche ist mehr als jede andere darauf angewiesen, jungen Quereinsteigern eine Chance zu geben, ihre Talente zu entwickeln." Außerdem gebe es "gewisse Selbstüberschätzungs- tendenzen" - die plagen vor allem jene Leute, die Direktmarketing als elitäres Herrschaftswissen verstehen und ungern an Youngsters delegieren. "Häufig machen es sich die Chefs viel schwerer, als es eigentlich ist - mehr Offenheit ist gefordert!", appelliert Thieme.
Von aufwändigen Assessment-Centern und komplizierten Auswahlverfahren hält der Personalberater übrigens nichts. Seiner Erfahrung nach versagen sämtliche wissenschaftliche Methoden, wenn die Chemie nicht stimmt. Sein Rat bei der Personalauswahl: "Verlassen Sie sich auch auf Ihren Bauch, denn Sie müssen den neuen Mitarbeiter im Unternehmen emotional unterstützen!" vh
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