30.07.2001 - Versender betreiben hohen Aufwand, um Kunden zu gewinnen und zu binden.
Konsumzurückhaltung, steigende Ölpreise, Wirtschaftsflaute ... dem Handel in Deutschland geht es nicht gut. Das trifft im Prinzip auch den Versandhandel, der einige magere Jahre hinter sich hat. Im vergangenen Jahr gab es aber immerhin ein Umsatzplus von 1,7 Prozent, wie der Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH) meldete. Die Versender führen dies vor allem auf das "rasant gestiegene Internetgeschäft" zurück, das bei 2,1 Milliarden Mark oder 5,3 Prozent des gesamten Branchenumsatzes lag. Zum Vergleich: Beim gesamten Einzelhandel werden nur 0,5 Prozent der Geschäfte per Mausklick getätigt. Da das Thema Kundengewinnung und vor allem -bindung durch die soeben beschlossene endgültige Abschaffung des Rabattgesetzes eine besondere Aktualität bekommen hat, wollte ONEtoONE es genauer wissen und startete eine Umfrage unter Versandhändlern. Bei dem Modeversandhaus Peter Hahn in Winterbach beispielsweise gibt es für alle Kunden ein Geburtstags-Mailing mit kleinem Geschenk - allerdings nur, wenn der Kunde rechtzeitig vorher auf ein vorbereitendes Mailing reagiert und ein "besonderes Angebot" ordert. Die Besteller werden nach Kriterien wie Alter, Umsatzhöhe und Bestellfrequenz selektiert, so Marketingleiter Ulrich Ostberg. Hört das Unternehmen längere Zeit nichts von einer guten Stammkundin oder lassen ihre Umsätze nach, wird sie von ihrer "persönlichen Kundenberaterin" angerufen, nach ihrer Zufriedenheit befragt, und erhält das Angebot, sich in Zukunft "ganz persönlich" beraten zu lassen. Auch ein kleiner Spezialversender wie der Eine-Welt TEAM Versand in Böhmte kann auf Kundengewinnung und -bindung natürlich nicht verzichten, so Gitti Ehrig-Bettenbühl, verantwortlich für Presse und Marketing. Mehr noch als bei größeren Unternehmen wird der Maßnahmen-Mix davon bestimmt, was der Etat hergibt. Mit einem 16-seitigen, 20 Gramm schweren Mailing werden potenzielle Neukunden dazu animiert, den Katalog anzufordern. Durch eine Telefonmarketing- Aktion wurden in diesem Frühjahr erstmals alle Kunden, die auf die letzten Kataloge nicht mit einer Bestellung reagiert hatten, nach ihrer Zufriedenheit mit dem Unternehmen, der Qualität der Waren und der Lieferzeit gefragt. Zwischen den beiden Hauptkatalogen werden Mailings an ausgewählte Kundengruppen geschickt, beispielsweise Weihnachts-Mailings mit besonderen Angeboten oder Mailings mit Sonderposten an diejenigen, die aktuell, beziehungsweise in den letzten zwei Jahren, bestellt haben. Mit einer speziellen Kundenschicht hat man es bei Lands´ End in Mettlach zu tun, wie Marketingdirektor Frank Kriegl erläutert: Während im Versandhandel normalerweise rund 80 Prozent der Kundschaft Frauen sind, besteht sie bei Lands´ End zu 55 Prozent aus Männern. Dies bedingt eine andere Ansprache. So wird beispielsweise die lebenslange Garantie besonders hervorgehoben. Sie war lange juristisch umstritten, vom Fall des Rabattgesetzes profitiert Lands´ End deshalb in besonderem Maße. Die meisten Kunden sind Mehrfachkäufer, die mindestens schon zweimal einen Auftrag erteilt haben. Sie bekommen zu Weihnachten eine Karte ohne weitere Werbung. Erstbesteller werden etwa eine halbe Woche nach Erhalt der Ware angerufen und nach ihrer Zufriedenheit befragt. Per Data Mining werden Kaufmuster herausgefiltert und Präventivmaßnahmen ergriffen, wenn die Kaufhäufigkeit nachlässt. Die Reaktivierungskampagnen bestehen aus Spezialkatalogen und einem Fragebogen, in dem der Versender dazu auffordert, ihm die "gelbe Karte" zu zeigen. Bei Yves Rocher in Stuttgart werden nicht nur Geburtstags-, sondern auch Namenstags-Mailings verschickt - Database-Marketing macht´s möglich. Ob preußisch-protestantische Kunden darauf nicht eher entgeistert reagieren, wollte Elisabeth Lehner, bei dem Kosmetikversender für Direktmarketing zuständig, nicht kommentieren - katholische Kundinnen freuen sich wohl auf alle Fälle. Die Erkenntnis, dass es günstiger ist, einen bestehenden Kunden zu pflegen als einen neuen zu gewinnen, haben die meisten Versandhändler verinnerlicht. Ob Yves Rocher oder Manufactum in Waltrop, Spezialversender für qualitativ hochwertige Konsumgüter - alle betreiben viel Aufwand für die Aktivierung von still gewordenen Kunden. Haben diese zwei bis drei Jahre nichts von sich hören lassen, bekommen sie von Manufactum eine Infocard, die an den Katalog erinnert. Laut Wolfgang Gumbinger, zuständig für Verkaufsförderung beim Versandhaus Klingel in Pforzheim, setzt man auch dort das gesamte Instrumentarium zur Reaktivierung ein und schafft Kaufanreize durch kleine Geschenke. Mehrfachbesteller bekommen spezielle Schnäppchen- und Treueangebote. Besteller, die geringen Umsatz bringen, versucht man durch Sonderangebote zu weiteren Käufen zu motivieren. Klingel bietet überdies die Mitgliedschaft in einem eigenen Kundenclub. Dessen Mitglieder erhalten regelmäßig eine Kundenzeitschrift und Vorteilsschecks, zum Beispiel für günstige Strompreise; hier kooperiert Klingel mit der EnBW-Tochter Yello. Speziell in den Bereichen Kundenclubs, Kaufanreize und Sonderangebote sind durch den Fall des Rabattgesetzes in Zukunft sicher noch interessante Entwicklungen zu erwarten - für den Versandhandel dürfte das Spiel auf der Klaviatur der Kundengewinnungs- und -bindungsmaßnahmen in Zukunft erst richtig spannend werden. gös
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