15.05.2000 - CURSOR Software AG: CRM im Energiesektor
EVI, das Energie-Vertriebs-Informationssystem der CURSOR Software AG, elektrisiert seine Anwender. Wen wundert es, schließlich ist es eine der verbreitetsten CRM-Lösungen unter den deutschen Energieversorgern. Vorstandsvorsitzender und Firmengründer Thomas Rühl (39) fühlt sich denn auch wie ein "Hecht im Teich", einem Teich, der angesichts der Bewegung auf dem liberalisierten Strommarkt noch genügend Nahrung bereithält.
ONEtoONE: Die Liberalisierung, die ja durch EU-Beschlüsse und das modifizierte bundesdeutsche Energiewirtschaftsgesetz 1998 eingeleitet wurde, hat einen Wettlauf um die Gunst des Kunden ausgelöst.
Thomas Rühl: Vorher war ja überhaupt nicht die Notwendigkeit gegeben, den Kunden zu betreuen, wenn der Kunde nur die Wahl hatte zwischen seinen Stadtwerken Hamburg, Gießen oder München, weil er eben dort wohnte. Aus diesem Grund konnte die Servicequalität sich auch nicht daran ausrichten. Die Versorger hatten zwar ganz klar schon Bestrebungen, eine sehr hohe Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Wann fällt schließlich bei uns der Strom aus? Wenn Sie das mal mit den USA, der Türkei, Italien vergleichen, dann haben wir ein extrem gutes Level. Und die Qualität in der Stromversorgung übertragen jetzt sehr viele Stromversorger in die Qualität der Kundenbetreuung. Das setzen die Kunden heute voraus. Und wenn Sie nicht betreut werden von ihrem Versorger, nach dem Motto: Der Kunde ist König, dann wechseln die Kunden einfach den Anbieter, Punkt.
OtO: Heißt das, wer auf CRM setzt, liegt richtig?
Rühl: Den CRM-Begriff begrüße ich insofern, weil er dem ganzheitlichen Ansatz gerecht wird. Früher ging es definitiv um Vertriebsinformationssysteme. Ganz am Anfang sprach man noch von Vertriebssteuerung. Es kommt aber nicht darauf an, den Vertrieb zu steuern oder dem Vertrieb Informationen zu geben. Damals war der Ansatz eher ein Ich-bezogener. Ich als Verkäufer, ich als Marketingabteilung. Heute ist der CRM-Ansatz ganz klar ein Rundum-Ansatz, der den Kunden in den Mittelpunkt stellt. Die Kundenzufriedenheit ist maßgeblich und ausschlaggebend.
OtO: 90 Prozent der bereits im Einsatz befindlichen CRM-Lösungen bei den deutschen Stromversorgern stammen aus der CURSOR-Schmiede. Das ist eine beachtliche Zahl, die Sie als Marktführer positioniert ...
Rühl: …aber ich glaube, man muss auch einfach klarstellen, dass hier noch ein Bedarf bei Energieversorgern vorhanden ist. Es gibt über 800 Versorger bundesweit, davon hat CURSOR annähernd 100 als Kunden gewonnen. Die Größenordnung reicht hier von regionalen Versorgern bis hin zu Konzernen. Unter unseren Kunden wiederum stellen die größeren wohl etwa 50 Prozent der installierten Lösungen. Bayernwerk gehört dazu, ebenso die Stadtwerke Stuttgart, Wuppertal und Düsseldorf. HEW Hamburg hat sich leider gegen uns entschieden. Und als die Preussen Electra vor etwa zwei Jahren eine Ausschreibung gemacht hat, ging CURSOR leer aus, weil wir zum damaligen Zeitpunkt das Bayernwerk als Kunden gewonnen hatten. Preussen Electra und Bayernwerk waren sich damals spinnefeind und man wollte eine absichtliche Abgrenzung durchführen, auf EDV-technischem Gebiet. Heute, im Sinne des Zusammenschlusses VEBA-VIAG, ist das natürlich Schnee von gestern.
OtO: EVI deckt längst nicht den gesamten Markt ab. Sagen sich die Unternehmenschefs, CRM brauche ich nicht?
Rühl: Genau diese Einstellung findet man relativ häufig. Es ist aber ein zweischneidiges Schwert. Wir müssen den Nutzen bei den Kunden bewusst machen. Denn der Nutzen ist dem Kunden oft noch gar nicht klar. Was kann ich sparen im Sinne von: Welche Arbeitserleichterungen erzielen wir damit? Mit CRM-Lösungen verringert sich beispielsweise die Suche nach Dokumenten ganz erheblich. Wir haben in einem Testversuch Zeitersparnisse im Bereich von 80 Prozent festgestellt, weil man nicht mehr durch das Haus laufen und die Kundenakte suchen musste, sondern ganz einfach mit einem Doppelklick das Angebot oder Vertragsdokument, das gestern oder vor sechs Monaten erstellt wurde, vorliegt. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.
OtO: Das bedeutet, die Implementierung eines CRM-Systems kann Kosten einsparen?
Rühl: Sie werden, wenn Sie mit dieser Argumentation kommen, sofort einen Controller finden, der ihnen das Gegenteil beweist. Es ist wirtschaftlich nicht sauber darzustellen. Man kann bestimmte Punkte analysieren, aber die einfache Frage, wie viel Umsatz verliert oder gewinnt ein Unternehmen durch eine Wiedervorlagefunktion ist nicht bezifferbar. Ganz klar, jeder benötigt eine Wiedervorlagefunktion, um den Kunden erneut anzusprechen, um beim Interessenten nachzufassen. Aber die Frage: Was bringt mir das in D-Mark? Das kann man nicht darstellen. Und deshalb ist ein wirtschaftlicher Beweis sehr schwierig. Wir akquirieren unsere Kunden, indem wir eine Präsentation machen und mit dem Kunden Fallbeispiele durchspielen. Und wenn der Kunde selber sagt: "Wir brauchen keine Transparenz im Vertrieb und mich interessiert nicht, welche Kunden wir verloren haben", dann ist er ganz bestimmt kein potenzieller EVI-Anwender. Aber vielleicht ist er es in zwei Jahren, denn bis dahin hat zum Beispiel der Vertriebsleiter gewechselt, weil das Unternehmen Marktanteile verloren hat. Und das schaut sich der Vorstand auch nur eine gewisse Zeit an.
OtO: Die Implementierung erfolgt aber nicht von heute auf morgen?
Rühl: Drei bis sechs Monate sind das Minimum. Manchmal muss ein neuer Server angeschafft werden, der das Datenvolumen verarbeiten kann. Außerdem müssen Mitarbeiter geschult und ausgebildet werden. Der Kunde selbst muss Daten bereit stellen. Oft haben Kunden mehrere Datentöpfe, hier liegt eine Direktmarketing-Datei, dort eine Interessenten-Datenbank und hier die Daten aus dem Abrechnungssystem. Das Ganze muss auf Dubletten überprüft werden, bevor es dann in einem Datenpool aller Kunden und Interessentendaten in EVI eingespeist wird. Allein für das Pflichtenheft, also für die Priorisierung, müssen wir schon einen Zeitraum von zwei bis vier Monaten ansetzen. Und insofern ist ein Zeitrahmen von sechs Monaten durchaus zügig.
OtO: Nun sind Sie im Energiesektor fest im Sattel. Besteht nicht die Gefahr, in dieser "Nische" von den übrigen Branchen isoliert zu werden? Sie sind schließlich nicht der einzige CRM-Anbieter.
Rühl: Man muss sich heute unbedingt konzentrieren. Die Anforderung eines Konsumgüterunternehmens, eines Handelsunternehmens, eines Energieversorgers sind völlig unterschiedlich, diametral entgegengesetzt. Die haben von ihrem Tagesgeschäft her völlig andere Schwerpunkte, andere Prioritäten, andere Daten, andere Inhalte. Und deshalb halte ich globale und übergreifende Lösungen für schlecht. Eine Nicht-Branchenlösung in einer Branche passend zu machen, das geht nicht. Und deshalb muss man sich heute konzentrieren. Der Bereich Energieversorgung ist die viertgrößte Branche nach dem Maschinenbau-, PKW- und Konsumgüterbereich. Und in dieser Branche die Nummer Eins zu sein, ist doch viel schöner als Nummer 15 weltweit in unterschiedlichen Branchen, aber nirgendwo richtig der Marktführer zu sein.
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