Internet World 2002 - Besucherschwund in Berlin

25.06.2002 - Synergie-Effekte für die Aussteller, Informationsvielfalt für die Besucher - das versprach man sich von der diesjährigen Internet World, die vom 4. bis 6. Juni gemeinsam mit der Mobile World, der Call Center Trends, der Streaming Media und der ISPCON/ASPCON in Berlin veranstaltet wurde.

Doch so richtig ging das Konzept nicht auf. Die Ausstellerzahl hat sich von 978 im Vorjahr auf 550 reduziert, und lediglich 32.500 Besucher ließen sich aufs Berliner Messegelände locken - das sind nicht einmal halb so viele wie im vergangenen Jahr.

Glücklich und zufrieden können sich wohl nur diejenigen schätzen, die ihre Erwartungen an das diesjährige Branchen-Event bereits im Vorfeld ausreichend nach unten korrigiert haben. Wie zum Beispiel der Veranstalter Communic. "Wir waren positiv überrascht über die Resonanz auf die Messe", sagt Communic-Geschäftsführerin Michaela Voltenauer. "Natürlich war sie kleiner als im letzten Jahr, aber das war nicht anders zu erwarten."

Grund der reduzierten Besucherzahl sei insbesondere die "neue Eintrittspreispolitik". Wer sich diesmal frühzeitig online registrierte, zahlte die Hälfte des regulären Eintrittspreises, im letzten Jahr gab´s die Tickets für Online-Kunden noch gratis. Voltenauer: "Unser Ziel war es, die Besucherqualität dadurch zu steigern. Die Aussteller haben uns bestätigt, dass das auch gelungen ist." Dennoch kann man keineswegs behaupten, die diesjährige Internet World sei eine reine Business-Messe gewesen. Neue Preispolitik hin oder her, noch immer sah man die eine oder andere Schülerschar durch die Gänge flanieren - auf der Jagd nach Werbegeschenken, Gewinnspielen und allem, was Spaß macht.

Reger Publikumsverkehr herrschte eigentlich nur in den Hallen der Internetdienstleister. Der Andrang auf der Mobile World blieb hingegen äußerst überschaubar. Dafür soll aber die Qualität der Besucher umso höher gewesen sein, berichtet Voltenauer. Hochgradig unerfreulich - und das versucht man selbst beim Veranstalter nicht mehr schönzureden - war die Messepräsenz für die Call-Center-Dienstleister, denn in der Halle der Call Center Trends herrschte zumeist gähnende Leere. Dementsprechend groß war die Enttäuschung der Aussteller.

Sabine Zoller, Marketingleiterin von Walter TeleMedien: "Der erste Tag war eine Katastrophe, der zweite Tag war zuerst klasse - bis dann das WM-Spiel begann."

Den generellen Eindruck, dass die Telemarketer mit der erstmals angedockten Call Center Trends eher als thematische Randerscheinungen dabei waren, kann Zoller nur bestätigen. "Hier gibt es Software-Anbieter ohne Ende!", moniert sie. Nicht eben ein günstiges Umfeld für den Call-Center-Dienstleister aus Ettlingen. Und deshalb werde Walter auf dieser Art von Gemeinschaftsmesse künftig nicht mehr ausstellen. Zoller: "Dafür ist der Kostenaufwand einfach zu gigantisch."

Auch der Messestand des Mainzer Servicerufnummern-Spezialisten dtms war weniger gut frequentiert als erhofft. Dr. Ralf Kohl, Manager Investor Relations: "Unser Vertrieb hätte sich mehr Resonanz gewünscht." Außerdem stelle sich die Frage, "ob es sinnvoll ist, innerhalb von vier Monaten zwei Call-Center-Messen am gleichen Ort stattfinden zu lassen". Wurde der Informationsbedarf rund um den Call-Center-Markt also bereits im Februar auf der CallCenterWorld im Berliner Estrel Convention Center gedeckt?

Doch es gibt auch positive Stimmen. Lars Schulze, Product Manager beim Affiliate-Marketing-Spezialisten Zanox, konnte sich jedenfalls nicht über mangelndes Besucherinteresse beklagen. "Wir sind sehr zufrieden. Alle drei Tage herrschte großer Andrang am Stand, und die Kontakte waren sehr qualifiziert. Rund 80 Prozent der Interessenten waren Business-Kunden."

Das große Interesse mag wohl auch mit der inhaltlichen Ausrichtung des Unternehmens zusammenhängen. Zanox ermöglicht Partnerschaften zwischen E-Commerce-Betreibern und Web-Portalen - eine weitere Perspektive also, mit Internetangeboten Geld zu verdienen. Und darauf kommt es letztlich ja an, wie die unzähligen Dot.com-Pleiten der vergangenen Zeit immer wieder bestätigt haben.

Nadja Elias, Pressesprecherin des Portalbetreibers Web.de, der in diesem Jahr nicht mit einem eigenen Stand vertreten war: "Wir sind jetzt in eine realitätsnahe Phase eingetreten, in der Perspektiven und funktionierende Geschäftsmodelle gezeigt werden. Ich finde es sehr positiv, dass ein gewisser Realismus eingetreten ist." Zwar sei die Gesamtstimmung nicht mit der im vergangenen Jahr vergleichbar - und auch da war es um die Internetbranche nicht gerade gut bestellt -, dafür seien aber nun einige Problembereiche eindeutig identifiziert worden. Elias: "Es zeigt sich, dass das Medium jetzt besser verstanden wird."

Auch Marc Smaluhn, Director Central Europe von DoubleClick TechSolutions, sieht im Aussteller- und Besucherrückgang der Messe keinen Grund zum Pessimismus. "Es trennt sich nun die Spreu vom Weizen. Nur noch standhafte Unternehmen mit funktionierenden Business-Modellen sind da." Als großes Problem der Internetbranche sieht er das massive Preis-Dumping, das in den letzten Monaten grassierte und damit den Online-Werbemarkt bedrohte. Die Anbieter solcher Dumping-Preismodelle seien in diesem Jahr auf der Internet World aber nicht mehr zu sehen. Immerhin. Den allgemeinen Eindruck zahlreicher Messebesucher, dass auf der diesjährigen Internet World insbesondere die Technologie-Anbieter dominierten, bestätigt auch Communic-Geschäftsführerin Voltenauer. "Die Messen haben eine technischere Ausrichtung, es geht verstärkt um die Infrastrukturen, das so genannte harte Business."

Marketingdienstleister aller Art musste man indes auf der Messe vergeblich suchen. Lediglich das Kongressprogramm wartete mit einigen Themen auf, die für Marketer relevant sind. Ganz praxisnah ging´s beispielsweise im Vortrag von Thorsten A. Gropp, Geschäftsführer der Karstadt Warenhaus AG, zu. Er präsentierte "Multichannel-Strategien zur Kundenbindung- und gewinnung" und gewährte den Zuhörern einen Einblick in Karstadts Marketing-Portfolio: Dialogmarketing via Print-Mailing, Gewinnspiele, E-Cards, Cross-Selling, Medienkooperationen, Sponsoring, E-Mail-Marketing und der Kundenclub. Und die Integrierte Kommunikation zeigt ihre Wirkung: Immerhin verzeichnet Karstadt bereits 110.000 Newsletter-Abonnenten und 6,5 Millionen Clubmitglieder, so Gropp.

Auch der Touristikkonzern Thomas Cook schwört auf Multichannel-Marketing. Dem Internet kommt dabei keine geringe Rolle zu. So ermögliche es beispielsweise einen individuellen "virtuellen Reiseplaner" und sei aufgrund seiner Aktualität insbesondere für Last-Minute-Reisen vorteilhaft, berichtete Dr. Oliver Rengelshausen, Leiter E-Commerce bei Thomas Cook. Rund 27 Millionen Euro habe der Konzern bislang durch seine Online-Plattform erwirtschaftet.

Um die Frage, ob und wie man aber mit reinen Internetinhalten Geld verdienen kann, ging es in einer Expertenrunde mit Tomorrow Focus-Vorstand Jörg Bueroße, Fabian Siegel von Firstgate, Floriane Kappler von auto.t-online, dem Journalisten Jörg Schieb und anderen. "Paid Content kann in den nächsten Jahren bis zu 20 Prozent der Einnahmen ausmachen", ist Bueroße überzeugt. Das sei zwar besser als nichts, reiche aber nicht aus. Fest steht, dass Online-Werbung auch weiterhin eine wichtige Geldquelle bleiben wird. "Ich glaube an die Finanzierung durch Werbung. Ob bezahlpflichtiger Inhalt oder Online-Werbung - in beiden Fällen müssten noch bessere Produkte und Modelle gefunden werden, das ergab zumindest die Diskussion. Content wird künftig nur bezahlbar sein, wenn er - wir wissen es bereits - hoch exklusiv ist und einen Nutzwert für den Leser enthält. Und auch die Online-Werbeformen müssten noch mal über- arbeitet werden. Siegel: "Es muss mehr Kreativität entwickelt und den Werbungtreibenden gezeigt werden, dass Online-Werbung hoch spannend sein kann und mehr ist als nur ein Banner. Außerdem müssen einheitliche Standards gefunden werden, an denen sich die Mediaplaner orientieren können."

Die diesjährige Internet World stand - wie andere Branchenveranstaltungen auch - im Zeichen der Ernüchterung, Zurückhaltung und Konsolidierung. Doch von Untergangsstimmung kann keine Rede sein, im Gegenteil: Man investiert zaghaft, präsentiert sich zurückhaltend und wagt sich an Themen heran, die in Zeiten des großen Hype vermutlich als staubtrockene Langweiligkeit verlacht worden wären: E-Payment, E-Security, E-Learning und Content-Management-Systeme.

Wen wundert´s da, dass die Internet World nun so viel technischer daherkommt als in den letzten Jahren. "Für Marketer stellt sich die Frage, ob die Internet World wirklich eine Messe von Belang ist", resümiert Miguel Castro, Messebesucher und freier Journalist aus Schwerin. Auch das Konzept der Gemeinschaftsmesse hat ihn nicht überzeugt. "Ich habe nicht erkennen können, inwiefern die Messen miteinander thematisch in Verbindung standen." Analog zu den Unternehmen sollten sich vielleicht auch die Messen wieder auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Denn zu viele Themen auf einer einzigen Messe bedeuten für den Besucher letztlich viele lange Wege - und viele offene Fragen. sam

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