28.08.2002 - vh Sie reißen nicht ab, die Hiobsbotschaften von Insolvenzen, Budgetkürzungen und Restrukturierungsplänen. Die DM-Branche, jahrelang zweistellig gewachsen, erlebt derzeit eine ihrer größten Krisen. Doch macht bekanntlich schlechte Stimmung die Lage nicht besser. Deshalb hat ONEtoONE Branchen-Profis gefragt: "Was muss von Unternehmern getan werden, um die Wirtschaftsflaute zu überstehen?"
Holger Albers
Plötzliche Panikreaktionen werden jetzt weder einem einzelnen Unternehmen noch der Branche helfen. Strategisch denkende und handelnde Unternehmer haben ihre Überlebensstrategie längst implementiert: Sie haben sich auf ihre Kernkompetenzen konzentriert, haben ihre Nische gefunden oder sich zusätzliches Geschäft in ausländischen Märkten, zum Beispiel in Zentraleuropa, gesichert. Ein künftiger Aufschwung kann aber auch nur optimal genutzt werden, wenn heute der Grundstein durch Pflege der eigenen Marke und Investitionen in die wichtigen Mitarbeiter gelegt wird.
Holger Albers ist Geschäftsführer des Deutschen Direktmarketing Verbandes (DDV) in Wiesbaden
Stephan Bausback
Gerade in wirtschaftlich schwachen Phasen ist es wichtig, dass Werbeinvestitionen auf einen schnellen Return-on-Investment zielen. Image-Kampagnen, die allein für eine Markenpositionierung arbeiten, sollten durch verkaufsfördernde Alternativen ergänzt oder gar ersetzt werden. Denn eine direkte Ansprache von potenziellen Kunden oder eine gezielte Unterstützung von Absatzkanälen ist eine schneller greifende Maßnahme mit direkter Umsatzauswirkung. Strategische Marketingentscheidungen sollten berücksichtigen, dass absatzschwache Zeiten und damit oft verbundene freie Vertriebskapazitäten Gelegenheit bieten, neue Marketingkonzepte zu testen, um beim Anspringen der Konjunktur als erstes Unternehmen von den Marktchancen zu profitieren.
Stephan Bausback ist Managing Director von SHB in Stuttgart
Thomas Brutschin
Viele Firmen drehen im Dialogmarketing an der Sparschraube. Ein zweifelhafter Weg, denn gerade in rezessiven Zeiten sollten Unternehmen gezielt Kundenkontakte pflegen. Dafür brauchen sie präzise Informationen über jeden Kunden, seine Bedürfnisse, Vorlieben und Besonderheiten. Mit erstklassig gepflegten Kunden- und Marketingdaten können Firmen wechselnde Kundenwünsche, aktuelle Markttrends und viele weitere Informationen herausfiltern. Zielgruppengenaue Ansprache statt Gießkannenprinzip - das spart Geld und bringt Erfolg.
Thomas Brutschin ist Geschäftsführer von Schober Business Information in Ditzingen
Uwe H. Drescher
Neben den politischen Rahmenbedingungen, die radikal verändert werden müssen, gibt es Fehler, die unabhängig von der wirtschaftlichen Gesamtlage ausgemerzt werden können. Meine Tipps:
1. Back to the roots!
2. KISS = Keep it short and simple, smart or stupid!
3. Lehrt Basiswissen!
4. Akzeptiert Gesetzmäßigkeiten im Katalog- und Direct-Marketing!
5. Stellt euren Kunden wieder in den Mittelpunkt eurer Überlegungen, auch wenn er euch dort am meisten stört!
6. Führt durch Zielvorgaben und kontrolliert die Teilergebnisse!
7. Hört auf zu jammern!
8. Geht mit Kopf und Herz, Verstand und Gefühl an die Aufgaben! Nicht mit grundsätzlichen Vorbehalten!
9. Seid Unternehmer und nicht Unterlasser oder Unterbinder!
10. Nehmt euch meine Maxime zum Vorbild: "Why not!" anstatt "Yes, but ...". Wenn sich jeder Verantwortliche seinen Teil vornimmt, dann gibt es keine Krisen mehr.
Uwe H. Drescher ist u.a. CEO von Marco Direct in Florida/USA
Matthias Ehrlich
Der Online-Branche ist es bislang noch nicht gelungen, die Vorteile des Internets im Mediavergleich deutlich zu machen, zum Beispiel die Einheit von Informations- und Transaktionskanal, die Möglichkeiten der punktgenauen Zielgruppenansprache, die Schnelligkeit und Messbarkeit sind den meisten Unternehmen noch nicht bekannt. Wir müssen daher verstärkt auf die Förderung von Markt- und Leistungstransparenz und die Schaffung von Planungssicherheit setzen. Und tun dies beispielsweise durch die Entwicklung von Produkt- und Planungsstandards wie den Online-Reichweiten-Monitor.
Matthias Ehrlich ist Vorstand Media Sales und Vertrieb bei Web.de in Karlsruhe
Prof. Dr. Heinrich Holland
Heute kommt es darauf an, statt kurzfristiger Aktionitis die Marketingaktivitäten strategisch zu planen, um neben schnellen Erfolgen auch eine langfristige Optimierung zu erreichen. Es gilt,
- die Vertriebskosten zu optimieren mit differenziertem Dialogmarketing: Durch den direkten Dialog lässt sich gegenüber der klassischen Kommunikation eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit erreichen,
- den Kundennutzen zu beachten, denn nur dann führen Loyalty-Maßnahmen zu messbaren Ergebnissen,
- die Systeme zu optimieren: Unternehmen sollten nur solche CRM-Systeme implementieren, die ihnen einen konkreten und schnellen Nutzen bieten,
- partnerschaftliches Marketing zu betreiben: Systeme und Kundeninformationen lassen sich gemeinsam nutzen,
- Marketing-Controlling durchzuführen: Erfolge, die sich an fixierten Kennzahlen messen lassen, sind nötig, um die Aufteilung der knappen Budgets zu optimieren.
Prof. Dr. Heinrich Holland lehrt im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Fachhochschule Mainz
Rudolf Jahns
Entwickle deine Agentur dynamisch weiter, sonst entwickelt dich der Markt dynamisch weg. Nur: Die Dynamik wird derzeit gebremst. Mein Ansatz:
- Der Arbeitsmarkt muss freigegeben werden. Das 325-Euro-Gesetz ist ein Witz, aber kein Instrument.
- Die Kündigungsbestimmungen müssen für beide Seiten gleich sein.
- Das frei verfügbare Einkommen breiter Schichten muss steigen, damit der Konsum anspringt.
- Die Politik muss verlässliche Perspektiven zeigen, damit Zukunftsangst und Sparneigung abnehmen.
- Shareholder Value ist ein Giftpfeil für Investitionen in langfristige Unternehmensziele.
Und: Wir müssen etwas für das Image und die Kompetenz des Dialogmarketings tun. Für unser Selbstverständnis (Verbandsnamensdiskussion), für unser Auftreten (Verbands-PR) und für das Kompetenzprofil unserer repräsentativen Köpfe. Dazu gehört übrigens auch ein bisschen mehr Wissenschaft als bisher.
Rudolf Jahns ist Chef der Agentur Jahns, Rapp Collins in Düsseldorf
Peter Karst
Um eine Krise als Chance überhaupt begreifen zu können, ist das eigene Mind-Set, die vermeintliche Realität zu betrachten, ausschlaggebend. Wer angstfrei und souverän agiert, hat in diesen Zeiten eine höhere Anziehungskraft als Innovationsturbos. Die letzte Runde im Personalkarussell scheint dies zu belegen. Nur - was bedeutet das inhaltlich und unternehmensstrategisch?
1. Überprüfe dein Portfolio und fokussiere auf deine Kernkompetenz!
2. Investiere in die Qualität deiner Kundenbeziehung und bilde eine Partnerschaft aus!
3. Triff eine Auslese bei der Gewinnung und Bindung deiner Mitarbeiter!
Peter Karst ist Chief Executive Officer von Wunderman Deutschland in Frankfurt
Eugen Kern
Massenkommunikation allein reicht heute nicht mehr, um eine Marke erfolgreich im Markt in Szene zu setzen. Der Schlüssel liegt in der Integrierten Kommunikation, die eine Handschrift trägt. Markenführung im Dialog gewinnt deutlich an Bedeutung. Gewinnen werden Kommunikationskonzepte, die den Return-on-Investment nachweisen und die Kundenbeziehung identifizieren. Jetzt ist der Zeitpunkt für Change-Management! E-Mail Marketing wird deutlich wachsen, jedoch müssen die Permission-Regeln eingehalten werden. CRM muss in vielen Firmen neu in Angriff genommen werden, da es oft mit der Einführung von EDV-Systemen verwechselt wurde.
Eugen Kern ist Geschäftsführer von 141 Germany in Frankfurt
Jens Konerding
Unser Weg: Wir setzen die Integration aller unserer CRM-Dienstleistungsangebote in der Proximity-Gruppe in Deutschland weiter fort und werden dieses Jahr solide wachsen. Wir werden uns noch weiter in den einzelnen Bereichen - möglicherweise auch durch Akquisitionen - verstärken. Wir haben unsere Arbeitsorganisation und die Personalressourcen unter anderem durch flexible Arbeitsmodelle den Anforderungen angepasst. Und natürlich agieren wir extrem kostensensibel.
Jens Konerding ist CEO von MSBK Proximity in Hamburg
Jonny Limba
Aktivieren Sie ihr wertvollstes Kapital, das Potenzial Ihrer Kunden! Die Welt wird direkter. Aktives Handeln ist gefordert. Es gilt, die Kommunikations- und Vertriebsaktivitäten zu überprüfen und anzupassen. Um neue Potenziale zu finden und gezielt auszuschöpfen. Und so den entscheidenden Vorteil zu erzielen. Denn es geht darum, die richtigen Kunden zu finden und an das Unternehmen zu binden. Und gerade dadurch den Wert der Kundenbeziehung zu kapitalisieren. Und die Kommunikations- und Vertriebskosten zu optimieren.
Jonny Limba ist Managing Director von LPP Dialog in Wiesbaden
Dr. Martina Möller
Unternehmen müssen noch stärker in Dialog mit ihren Kunden treten. Dazu gehören regelmäßige Kundenbefragungen. Nur so lassen sich die Kaufmotive und -hemmnisse aufdecken. Ähnlich wie bei Freundschaften kann Kundenbindung nur funktionieren, wenn man Interesse am anderen zeigt und öfter mal nachfragt, was dem anderen wichtig ist. Die meisten Menschen freuen sich, wenn sie nach ihrer Meinung gefragt werden. Nutzt man die Ergebnisse als Grundlage für die Verbesserung der Beziehung zwischen Kunden und Unternehmen, ist beiden Seiten geholfen - durch Forschung zur Markenführung!
Dr. Martina Möller ist Senior Consultant CRM bei TNS EMNID in Bielefeld
Christian Müller
Die Herausforderung ist: Wie adaptiv ist ein Unternehmen? Drei Kulturfragen stehen im Mittelpunkt. Erstens: Die Fühler sind auszustrecken: Was sind Trends, wo sind Zukunftsmärkte? Adaptiv bedeutet: flexible Strategien statt langfristiger Pläne. Zweitens: Nutzung von Netzwerken. Adaptiv heißt, mit wechselnden Partnern zusammenzuarbeiten, profitabel, offen und auf Vertrauen basierend. Drittens: Eine Kultur der Veränderungsfähigkeit - Mut zum Handeln, positive Kommunikation, kontrollierte Risiken und eine Organisationsform, die jeden Einzelnen befähigt.
Christian Müller ist Vice President von Cap Gemini Ernst & Young Germany in Sulzbach
Dieter Schefer
Eine Vorbemerkung: Das Grundprob- lem der Wirtschaftsflaute sehe ich in dem Verlust an Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft und in der weit verbreiteten Verunsicherung, die mit jeder wirtschaftlichen Negativmeldung noch verstärkt wird und zu anhaltender Kaufzurückhaltung und Nachfrageblockade bei den Verbrauchern führt.
Meines Erachtens hilft nur eins: uneingeschränkte Kundenorientierung! Denn jeder Kunde ist einzigartig, und nur wer die Probleme seiner Kunden kennt, bleibt auch in Zeiten der Rezession ein gefragter Partner. Wir haben aus dieser Überzeugung heraus bereits vor längerer Zeit, als von einer Wirtschaftsflaute noch keine Rede war, unseren Vertriebsbereich konsequent umstrukturiert und auf Branchen und Kunden ausgerichtet. Viele Unternehmen versuchen trotz schlechter Zeiten, unverändert ihre längst bekannten Produkte abzuverkaufen - erfolgreich aber wird nur sein und bleiben, wer seinen Kunden individuelle, maßgeschneiderte Lösungen für die aktuellen Probleme anbieten kann.
Dieter Schefer ist Geschäftsführer von AZ Bertelsmann Direct in Gütersloh
Dr. Thomas Steinmark
Der Weg aus der Krise kann letztlich nur sein, sich nicht von ihr einfangen und bestimmen zu lassen. Wer die Misere zu sehr an sich heranlässt, ist schon fast mittendrin. Im gesamten Handel zeigt sich, dass die konjunkturelle Situation zu einer spürbaren Kaufzurückhaltung der Verbraucher geführt hat. Doch wer sich nicht tatenlos ergibt, der kann auch in dieser schwierigen Phase Geschäfte machen.
Differenzierung über Preis, Marke, Sortiment oder Convenience ist die Zauberformel. Der Einzelhandel hat im Augenblick um die Gunst des Konsumenten zu kämpfen, davon kann sich natürlich niemand vollständig abkoppeln. Doch gehört zum Unternehmertum eben auch dazu, diesen Widrigkeiten standzu- halten. Der Politik muss klar gemacht werden, dass auch sie eine entscheidende Rolle bei der Belebung der Binnennachfrage spielen kann und diese Verantwortung übernehmen und angehen muss.
Dr. Thomas Steinmark ist Geschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels (bvh) in Frankfurt
Beate Wiesenburg
Gute Kundenbeziehungen, nutzenbringende Leistungen, hohe Qualität und Zuverlässigkeit sind die Grundpfeiler erfolgreicher Unternehmen. Außerdem ein kompetentes, motiviertes Team und eine effiziente Organisation.
Die Summe dieser Faktoren gilt es in guten Zeiten zu schaffen. Wer erst in der Krise damit beginnt, hat es schwer. Auf Kundenseite setzen Budgetkürzungen zuerst bei "Nice-to-have"-Projekten an. Wirklich nutzenbringende Leistungen sind nach wie vor gefragt und helfen auch dem Kunden, konjunkturschwache Zeiten zu überleben. Letztendlich zählt der Erfolg des Kunden und nur dieser bringt auch dem Dienstleister Erfolg.
Beate Wiesenburg ist Manager Marketing & Public Relations bei eskatoo in Nürnberg
Hansjörg Zimmermann
Die schlechte Nachricht vorweg: Man kann diesen Gegenwind im Augenblick praktisch nicht unbeschadet überstehen. Aber wer in seinem Unternehmen die Ressourcen flexibel gestaltet und starre Systeme aufbricht, wird der Flaute trotzen. Wer in dieser stürmischen Zeit sich darüber hinaus traut, seinen Kunden mutige Ideen zu verkaufen, wird bald Rückenwind bekommen.
Apropos Mut: In einer unternehmerischen Idee, die sich den neuen Rahmenbedingungen schnell anpasst, liegen sogar Chancen. Ich bin sicher, dass in den nächsten Monaten möglicherweise ein neuer Agenturtypus entstehen wird: Kleiner. Flexibler. Integrierter. Bescheidener. Kundenorientierter. Offener für Networking mit Verbündeten. Ich bin da sehr gespannt.
Hansjörg Zimmermann ist Managing Partner von der Agentur die argonauten in München
Dr. Dieter Zorn
Die Krise hat so mannigfache Gründe, dass sie leider nicht schnell kuriert sein wird. Was wir erleben ist das "Gesundschrumpfen" der Wirtschaft auf ein neues wirtschaftliches Gleichgewicht. Kaum einer kann sich zunächst dem Gesundschrumpfen entziehen. Das muss man klar sehen - sonst geht man gefährlich an den Realitäten vorbei.
Wie Schumpeter schon wusste, bietet (nur) die Krise die Chance, neue und bessere Strukturen zu schaffen. Für unsere Branche heißt das, dass die Kernfusion der vier Dialogbereiche klassisches Direktmarketing, Interactive Marketing, Database/ CRM sowie Call- und Communication-Center spätestens jetzt erfolgen muss. Die Zeit der Parallelwirtschaft ist endgültig vorbei, weil sie zu viele Overheads und zu viel Konfusion erzeugt. Das gilt für Unternehmen und Agenturen gleichermaßen. Daraus muss auch eine neue Kreativität des Dialogmarketings entstehen.
Ich beobachte mit Sorge, dass es hier kaum mehr Kreativschübe gibt. Die Branche ist dabei, ihre kreative Vorreiterrolle zu verspielen, weil die Dialogfraktionen nebeneinanderher denken: die CRM-Fraktion denkt analytisch, die Interactive-Fraktion denkt prozessual, die Klassik-Fraktion denkt konzeptionell - und wer denkt holistisch?
Das ist die Kernfrage. Wer sie beantworten kann, der ist für die Zukunft gut gerüstet.
Dr. Dieter Zorn ist Managing Director Middle Europe der Grey Global Group in Düsseldorf
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