02.06.2005 - Werbung via Handy setzt sich dank neuer Techniken immer mehr durch
Etwa fünf Jahre nach seinem Start steht das Mobile Marketing kurz davor, sich als feste Größe im Marketingmix zu etablieren. "Unternehmen und Agenturen erkennen, dass der direkte Dialog zwischen dem Konsumenten und der Marke gerade in Zeiten geringer Budgets immer wichtiger wird", sagt Katja Prüss von der Axel-Springer-Tochter AS Interactive. Insbesondere Markenartikler setzen das Handy gezielt in crossmedialen Kampagnen ein. "Mobile Marketing ist für Kunden keine Black Box mehr. Immer mehr Entscheider kennen das Einsatzgebiet und die Chancen, die dieses Medium bietet", erklärt Merve Liebelt, Sprecherin der Berliner Mobile-Marketing-Agentur Yoc.
Die aktuellen Marktforschungszahlen geben ihr Recht: Bei einer Befragung von 123 europäischen Marketern und 220 Agenturen durch Forrester Research berichteten 77 Prozent der Marketer, SMS-Marketing schon genutzt zu haben. Bei den Agenturen waren es 62 Prozent. Einer Studie des Berliner Instituts of Electronic Business (IEB) zufolge sehen 88 Prozent der Agenturen und werbungtreibenden Unternehmen das Handy als ideales Kommunikationsinstrument an. In der Folge drängen immer mehr Dienstleister, vor allem Werbeagenturen, mit eigenen Unternehmen oder Units, auf einen Markt, der bislang noch von den drei großen inländischen Akteuren 12snap, MindMatics und Yoc dominiert wird. Diese haben in den letzten zwölf Monaten eine stark wachsende Nachfrage verzeichnet, nachdem die Branche vor zwei bis drei Jahren noch eher nach seitwärts tendiert hatte. "Der Markt läuft sehr gut", sagt Ulrich Pietsch, Geschäftsführer von 12snap und Country Director der internationalen Branchenorganisation Mobile Marketing Association (MMA).
Seinen Beobachtungen zufolge ist der deutsche Markt im europäischen Vergleich einer der aktivsten. In Großbritannien und Italien sei die Nachfrage dagegen noch verhalten. "Deutschland scheint eine Lead-Funktion zu haben", sagt Pietsch. Er prophezeit der Branche ein jährliches Wachstum von 20 bis 30 Prozent. Bereits in zwei bis drei Jahren werde sich der Anteil am Gesamtwerbevolumen auf gut fünf Prozent erhöhen. Derzeit liegt dieser Wert knapp unter einem Prozent. Bei einer europaweiten MMA-Umfrage rechnet die Mehrheit der Befragten für 2010 mit Umsätzen von rund 5,6 bis 7,8 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Laut Forrester Research werden dieses Jahr in Europa 2,7 Milliarden Euro mit Mobile Marketing umgesetzt.
Dieser Optimismus spiegelt sich auch in den internationalen Expansionen der deutschen Anbieter wider, die von dem Trend profitieren, dass die Global Player der werbungtreibenden Industrie verstärkt auf paneuropäische Kampagnen setzen. Yoc hat bereits ausländische Niederlassungen in London, Madrid und Wien, demnächst auch in Zürich. MindMatics ist in London und New York vertreten. 12snap wird noch in diesem Jahr ein Büro in New York eröffnen. "Die Nachfrage wächst dort sehr stark", so Pietsch. Nächster Schritt sei Asien, während die Expansion in Europa weiter voranschreite. Dort verfügt 12snap bereits über Filialen in London, Mailand, Wien und Stockholm.
Die Voraussetzungen für weiteres Wachstum sind günstig, insbesondere weil sich die technischen Möglichkeiten in letzter Zeit enorm verbessert haben. Neuerungen wie farbige Displays, polyphone Klingeltöne, Real Tones sowie die rasante Penetration Java-fähiger Mobiltelefone sorgen dafür, dass Marken immer besser auf dem Handy dargestellt werden können. Dazu kommt, dass Handys inzwischen weiter verbreitet sind als Festnetzanschlüsse. In Zahlen: Während nur 65,7 Prozent der Bundesbürger über einen Festnetzanschluss verfügen, besitzen 78,3 Prozent ein Handy, das sie im Schnitt 14 Stunden am Tag auf Empfang geschaltet haben. Damit ist das Handy geradezu "prädestiniert, werbungtreibenden Unternehmen als interaktives Interface zu dienen", schwärmt Pietsch.
Einen zusätzlichen Schub erlebt die Branche durch die zunehmende Verbreitung UMTS-fähiger Handys und den beschleunigten Evolutionszyklus bei den Endgeräten. Dadurch können Anwendungen realisiert werden, die bislang meistens an der fehlenden Bandbreite der Handys scheiterten. Ganz anders bei UMTS: Hochauflösende Bilder, Videos und mp3-Files sind mit der neuen Mobilfunktechnik kein Problem mehr und können so als Werbeträger genutzt werden. Zumal die Nutzer in den letzten zwei Jahren viel dazugelernt haben. Inzwischen wissen selbst ältere Zielgruppen, wie man Audio- und Video-Inhalte aufs Handy herunterlädt. Videos und Bilder sind insofern bedeutsam fürs Marketing, als sich 80 Prozent der Menschen in Bildern erinnern, erklärt Synapsy-Geschäftsleiter Oliver Schmid. Laut Liebelt sind durch UMTS auch personalisierte Werbespots kein Wunschdenken mehr. "Der individuelle interaktive Spot auf dem Mobiltelefon wird Realität", so die Yoc-Sprecherin. "Mit UMTS ist Content King", sagt Carsten Diepenbrock, Deutschlandchef des internationalen Mobile-Marketing-Dienstleisters Buongiorno. Seiner Meinung nach sind mobile Inhalte ein ideales Mittel zur Absatzförderung. Frei nach dem Sprichwort: "Mit Speck fängt man Mäuse." Mit dem Unterschied, dass beim Mobile Marketing der Speck digital ist. Somit hinterlässt die Maus, sprich der Verbraucher, digitale Spuren (Daten), die für weitere Aktionen genutzt werden können. Noch traut sich aber kaum jemand, UMTS-optimierte Kampagnen zu starten, da zu wenige Nutzer über UMTS-fähige Handys verfügen.
"Es dauert ein Jahr, bis sich UMTS-Kampagnen lohnen", erklärt Orthaus, Director Sales der Minick Germany AG. Als Zwischenlösung dienen MMS-fähige Handys, die dieses Jahr voraussichtlich eine Marktdurchdringung von 70 Prozent erreichen. Allerdings ist bei diesen Geräten die Bandbreite bescheiden. Trotzdem verzeichnet MindMatics-Chef Ingo Lippert bereits jetzt einen Trend zu "farbigen, bewegten und gleichzeitig unterhaltsamen Formaten". Ein weiteres Problem besteht in den Kosten, die dem Nutzer beim Herunterladen der Videos entstehen. Konsequenz: Der Anreiz sollte entsprechend groß sein. "Das Video muss sehr kreativ, überraschend oder extrem sein", sagt Lippert. Weitere Incentives sind kostenlose Mehrwertangebote wie Gutscheine, personalisierte Informationen und Spiele, die natürlich an die jeweilige Marke angelehnt sind. Allerdings muss dieser Mehrwert auch von Anfang an sichtbar sein: "Mangelhafter oder schlecht formulierter Nutzen führt zu einem Strohfeuer der Aktion, unter Umständen sogar zu einem Verbrennen der Interessenten", sagt Prof. Thomas Schildhauer, Direktor des Institut of Electronic Business (IEB) in Berlin. Zudem ist es nach Expertenmeinung sehr wichtig, dass die Mobile-Marketing-Aktionen den Nutzer nicht überfordern. "Am besten funktionieren nach wie vor die einfachen Konzepte, die für jedermann klar verständlich sind", erklärt Prüss. Einfach heißt hier aber nicht unbedingt einfach für den Mobile-Marketing-Anbieter. Laut Orthaus müssen die Tools, die hinter den einfach zu bedienenden Anwendungen stehen, vielschichtig sein und "das Bestmögliche aus dem individuellen Handy herausholen. Denn "ohne Innovation", so der Minick-Manager weiter, "wird die Kampagne leicht als 'schon dagewesen‘ empfunden.
Eine weitere Faustregel der Branche besagt, dass auch nach dem Ende der Spaßgesellschaft Unterhaltung im Mittelpunkt jeder Kampagne stehen muss. "Die besten Kampagnen sind die, in denen sich Werbung perfekt ins Entertainment einbettet, sodass sie gar nicht als Werbung wahrgenommen werden", erklärt Yoc-Gründer Patrick Chaillié. Daher entwickeln auch immer mehr große Unternehmen eigene Spiele, die gleichzeitig den Nutzer unterhalten und die Marke bewerben. Ferner sollten die Werbebotschaften stets individuell auf den Nutzer zugeschnitten sein.
Als Kampagnenart hat sich die so genannte Pull-Kampagne durchgesetzt. Dabei fordert der Nutzer eine Information oder ein Mehrwertangebot per SMS an. IEB-Direktor Schildhauer ist von der Wirksamkeit von Pull-Kampagnen überzeugt. Der Grund: Sie haben oft ein "hohes Involvement" des Nutzers zur Folge, da der Konsument aktiv am Marketing teilnehme. Push-Kampagnen, die in den Anfangstagen des Mobile Marketings noch die Regel waren, sind dagegen inzwischen regelrecht verpönt. Erst recht, wenn die Einwilligung des Nutzers nicht vorliegt.
"Unerwünschte Werbung führt zu Nicht-Akzeptanz, im schlimmsten Fall sogar Ablehnung des Absenders generell. Sie gefährdet damit die Zukunft des Mobile Marketing", warnt Frowin Lutz, geschäftsführender Gesellschafter von der DDB-Tochter spielplatz.cc. Der Grund: "Der Empfänger betrachtet das Handy als persönlichen Gegenstand, wenn nicht sogar als den persönlichsten Gegenstand", so Schildhauer. Eine Push-Kampagne, bei der der User unerwartet eine Nachricht auf sein Handy geschickt bekommt, greife somit in die Privatsphäre ein. "Die persönliche Beziehung, die die meisten Kunden zu ihrem Handy haben, sollte immer respektiert werden", ergänzt Lutz. Noch plastischer formuliert es Diepenbrock: "Mobile Marketing ist Marketing, das in die Hosentasche geht." Dementsprechend steht beim Zukunftsthema Location-based Services (LBS) die so genannte Push-Lokalisierung auf verlorenem Posten. Ein klassisches Beispiel für Push-Lokalisierung ist die Situation, dass ein Verbraucher beim Passieren eines Supermarktes einen Gutschein aufs Handy geschickt bekommt.
"Die Werbetreibenden finden das toll. Die Konsumenten akzeptieren das aber bestimmt nicht", sagt Diepenbrock. Seiner Meinung nach kann sich Push-Lokalisierung nur dann durchsetzen, wenn die Angebote individuell auf den Nutzer zugeschnitten sind. Sehr viel bessere Chancen habe dagegen das aktive Anfordern von Informationen im Pull-Verfahren. Allerdings muss der Nutzer dafür zahlen, was oft ein großes Hindernis für den Erfolg einer Kampagne sei. Die beliebteste Werbeform bei Pull-Aktionen ist - spätestens seit der erfolgreichen und preisgekrönten Kampagne "Fanta-Flaschenpost" - die so genannte On-Pack-Promotion, die laut Orthaus bereits 70 Prozent aller Mobile-Marketing-Spendings ausmacht. On-Pack-Promotion bindet Kunden Unter On-Pack-Promotion versteht man Aktionen, bei denen der Handy-Nutzer auf Verpackungen aufgedruckte Codes per SMS einschickt, um kostenlos digitale Gimmicks wie Klingeltöne, Spiele, Wallpapers und Fotos zu erhalten. Solche Aktionen werden in der Regel durch klassische Medien wie TV, Radio und Print unterstützt und verfolgen laut Yoc-Vorstand Patrick Chaillié das Ziel, den Konsumenten an den Point-of-Sale (POS) zu locken, wo er die begehrten Codes erhält. Jedoch werden nach Ansicht von Klaus H. Jansen-Knor, Country Manager des Dienstleisters Mobile 365, durch On-Pack-Promotions fast ausschließlich Kunden angesprochen, die sich bereits für ein Produkt entschieden haben. Die Bindung an das Produkt funktioniere nach der Promotion aber sehr gut. "Die Conversion-Rates sind sehr zufriedenstellend", sagt Jansen-Knor.
Ebenfalls im Trend sind die Ab- wicklung von Gewinnspielen über das Mobiltelefon, virale Aktionen wie das Verschicken von virtuellen Küssen sowie Bluetooth-Projekte, bei denen der Nutzer Content oder Gutscheine vor Ort aufs Handy laden kann. Wenn da nicht das Problem der mangelnden Akzeptanz des Verbrauchers wäre, das sich zum großen Hemmschuh der Branche entwickeln könnte. Einer Studie des Instituts für Mobile Marketing (IFMM) zufolge stößt mobile Werbung nämlich bei der großen Mehrheit der deutschen Nutzer noch auf Ablehnung. 92 Prozent derer, die bereits Werbung auf ihrem Handy empfangen haben, empfinden derartige Aktionen als störend. Lediglich vier Prozent der Befragten stehen Werbung via Handy aufgeschlossen gegenüber. Weitere vier Prozent sind Mitglieder einer Community und deshalb per se positiv gegenüber dieser Werbeform eingestellt. Immerhin konnten sich bei einer weiteren IFMM-Studie 55 Prozent der Befragten an mobil werbende Unternehmen erinnern. Allerdings behielten nur vier Prozent die Werbung positiv in Erinnerung. Nach Auffassung von IFMM-Direktor Prof. Dr. Ralf Schengber ist die mangelnde Akzeptanz unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Werbungtreibenden noch nicht kundenorientiert genug vorgehen. "Nicht das technische Machbare sollte realisiert werden, sondern das marktmäßig Gewünschte", sagte Schengber in einem ONEtoONE-Interview (ONEtoONE 02/05).
Verbesserungsbedarf besteht obendrein bei der Nutzung der bei Mobile-Marketing-Aktionen generierten Daten. "Die wenigsten Unternehmen denken darüber nach, wie man die generierten Daten zur weiteren Kundenkommunikation nutzen kann", bemängelt MindMatics-CEO Lippert. Midray-Chef Dirk Uhlemann sieht das ähnlich. Seinen Beobachtungen zufolge wird das Handy oft nur als Rückkanal für eine einmalige Interaktion mit dem Verbraucher gebraucht. Dabei könne Mobile Marketing "viel mehr leisten und als kontinuierlicher Draht zum Kunden genutzt werden". Dazu kommt, dass es in Deutschland deutlich schwieriger ist, persönliche Daten der Verbraucher zu erhalten als in anderen europäischen Ländern. "In Südeuropa ist das Datengenerieren dagegen sehr viel einfacher", berichtet Diepenbrock. Die dortigen Nutzer hätten "keine übertriebene Scheu" wie hier zu Lande. Ferner hängt das Phänomen Mobile Spam noch wie ein Damoklesschwert über der Branche. Zwar beteuern alle Mobile Marketer, dass der Anteil der unerwünscht zugesimsten Werbebotschaften verschwindend gering sei und wegen der hohen Versandkosten aller Voraussicht nach nicht weiter zunehmen werde. Doch das Independent Committee for the Supervision of Standards of Telephone Information Services (ICSTIS) verzeichnete 2003 einen Anstieg bei den SMS-Spam-Beschwerden um 833 Prozent. Durch diese Zahlen beunruhigt, trafen sich im Juni 2004 Anbieter der Kommunikationsindustrie mit Anti-Spam-Experten zur Anti-Abuse-Konferenz in London. "Wenn man sich die Verbreitung von Mobilfunkgeräten und die Zunahme von Spam-Mails ansieht, kann man davon ausgehen, dass sich hier die Schleusen für Mobilfunkbenutzer in sehr naher Zukunft öffnen werden", sagte der Konferenzteilnehmer Steve Linford von der Anti-Spam-Organisation Spamhaus, die das weltweite Spam-Aufkommen regelmäßig misst. brö
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