In Zeiten von Change-Prozessen, Digitaler Transformation und neuen Arbeitsmodellen ist die interne Kommunikation ein entscheidender Faktor. Wenn sich alles wandelt im Unternehmen, sollten Mitarbeiter nicht nur informiert, sondern auch miteinbezogen werden. Ihr Input liefert wertvolle Hinweise, wo es hakt und wie sich Prozesse optimieren lassen. Das Intranet und interne Communities leisten dabei einen wichtigen Beitrag und tragen zur Wertschöpfung bei. Auch in Zeiten von Corona und digitalem Arbeiten im Homeoffice können sie ihre Stärken als verbindendes Kommunikationstool ausspielen.
Die Vorteile von gut gemanagten internen Communities: Sie fördern den Austausch und das Teambuilding, stärken das Wir-Gefühl und die Motivation, sie erleichtern den Wissenstransfer und die Nutzung von Synergien, sie helfen Silos aufzubrechen und Zeit zu sparen, wenn wichtige Informationen beispielsweise im Unternehmens-Wiki hinterlegt sind und kontinuierlich gepflegt werden. Sie können zur Verbesserung von Produkten, Kundenservices und Dienstleistungen beitragen, das Onboarding von neuen Mitarbeitern erleichtern, die Mitarbeiterfluktuation senken und damit Recruiting-Kosten einsparen. (siehe auch: Wie Sie mit internen Communities die Zusammenarbeit fördern
)
Voraussetzung für das Gelingen sind jedoch eine genaue Zielsetzung und klare Strategie, professionelle Corporate Community Manager, userfreundliche und über alle Devices nutzbare technische Tools und eine Unternehmenskultur, die Transparenz und Vertrauen fördert - und auch mal Fehler zulässt.
Große Konzerne wie Daimler
Bosch
und die Telekom
mit zigtausenden Mitarbeitern in vielen Ländern sind hier schon seit Jahren Vorreiter, doch auch kleinere Unternehmen tun es ihnen nach und arbeiten an Konzepten für interne Communities, wie Tanja Laub, Expertin für Community Management und Inhaberin der Beratungsfirma Walkabout Media
bestätigt: "Auch in kleinen Unternehmen und Agenturen kann eine gemeinsame Plattform den besseren Austausch der Mitarbeiter fördern."
Otto: Social Intranet wird "Mitmach-Net"
Auch im
Otto-Konzern
läuft seit 2020 vieles sehr anders in der internen Kommunikation. Im Januar - noch vor Corona - stellte der Versandhändler auf Microsoft 365 als zentrale Informations- und Kommunikationsplattform um, damit hieß es auch Abschied nehmen vom bisherigen Social Intranet, das erst vor drei Jahren visuell und konzeptionell überarbeitet worden war. Es bot Features wie Personalisierungen, einen unternehmensweiten Eventkalender, Corporate News, ein schwarzes Brett und Funktionen wie Liken, Sharen und Kommentare - und wurde ganz gut angenommen.
Sandra Tauchert, Senior Expert Communications Development & Structure
Bild: Otto
Die Umstellung in diesem Jahr nutzt die Unternehmenskommunikation, um das Intranet komplett neu und "zeitgemäßer" zu gestalten und zum partizipativen "Mitmach-Net" umzubauen, in dem die Mitarbeiter des Konzerns - als große Community - das Sagen haben und viel stärker als zuvor miteinander interagieren. Für die interne Kommunikation eine "kleine Revolution" - und keine leichte Aufgabe, zumal auch noch die Corona-Pandemie neue Herausforderungen brachte.
In dieser Situation hat sich das neue Intranet bereits bewährt. "Es ist unser Hauptkommunikations- und Informationskanal und somit zentraler Knotenpunkt für alle Themen, die das Unternehmen und unsere Zusammenarbeit betreffen", erklärt Sandra Tauchert
, in der Otto-Unternehmenskommunikation als Senior Expert Communications Development & Structure gemeinsam mit Nina Burmester
, Communications Channel Managerin Intern & Extern, maßgeblich beteiligt an der Umsetzung. "In Zeiten, in denen man sich nicht mehr physisch nahe sein kann, bleiben die KollegInnen über das Intranet trotzdem miteinander verbunden." Das Intranet sei der neue Orientierungs- und Einstiegspunkt für das gesamte Unternehmen - eine Art digitales Zuhause für die digitale Identität der Mitarbeiter, von dem aus sie überall hingelangen.
Weniger Abhängigkeit von externen Dienstleistern
Basis für das neue OttoNet ist Sharepoint Online. Als Clouddienst ist es jederzeit und von überall nutz- und bearbeitbar und damit auch in der mobilen Ansicht
"deutlich attraktiver", so Tauchert. Der Vorteil gegenüber dem früheren Intranet: Es lässt sich
"unheimlich schnell und flexibel benutzen" und ausbauen. Die Otto-Kommunikation hat sich damit unabhängig von externen Dienstleistern gemacht. Zuvor konnte sie selbst keine wesentlichen Änderungen an der Struktur und der Informationsarchitektur vornehmen. Jede Anpassung musste über Entwickler und Programmierer laufen, wodurch
"sehr langsame, kostenintensive und wenig flexible Prozesse" entstanden.
Der neue Communityansatz wirke sich auf die Struktur aus.
"Die ist viel flexibler, intuitiver und klarer. Das Intranet kann von allen KollegInnen selbst bearbeitet werden" , so Community-Managerin Nina Burmester. Fachexperten könnten nun jederzeit und von überall neue Info-Hubs aufbauen und den Kollegen direkt zur Verfügung stellen. Für den Austausch und die Vernetzung kommt zudem die chatbasierte App Yammer zum Einsatz.
Vertrauensbeweis: Mitarbeiter haben bei Inhalten freie Hand
Das neue Intranet lebt von dem eigenverantwortlich erstellten Content der Mitarbeiter. Es gibt ihnen deutlich mehr Gestaltungsspielraum in der Kommunikation - aber auch Verantwortung. Im früheren Intranet wurden die Inhalte von der Unternehmenskommunikation kuratiert. Statt weiterhin Top-Down zu kommunizieren, werden jetzt die Mitarbeiter motiviert, ihr Wissen, ihre Anregungen, aber auch Fragen und Kommentare einzubringen und bestmöglich zu platzieren. Vom Konsumenten von Informationen werden sie so zu Gestaltern.
Das Vertrauen in die Belegschaft ist dabei groß. Otto lässt ihnen im Intranet weitgehend freie Hand: Beiträge gehen direkt online, es gibt keine Korrekturschleifen oder redaktionelle Freigaben.
"Jeder kann und darf selber rund um die Uhr Beiträge (News), Kommentare oder Posts im Communityfeed veröffentlichen und so sein Thema ins Unternehmen tragen", erklärt Nina Burmester. Jeder Mitarbeiter bekomme bei Bedarf Unterstützung von der Unternehmenskommunikation.
"Aber das ist tatsächlich nur ein Angebot und muss nicht genutzt werden."
Gefremdelt wurde offenbar wenig, die Otto-Mitarbeiter hätten sich schnell mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten vertraut gemacht und sie bereits nach kurzer Zeit intensiv genutzt.
"Wir haben dadurch ein viel klareres Stimmungsbild, welche Themen die KollegInnen beschäftigen. Themen, die früher rein in der Kaffeeküche oder auf dem Flur diskutiert wurden, sind heute viel transparenter", so Tauchert. Eingreifen mussten die Community-Manager bislang noch nie.
"Die Community reguliert sich auch bei kontroversen Themen relativ schnell selbst."
Trainer und Ratgeber: Neue Rolle für die Unternehmenskommunikation
Damit wandelt sich auch die Rolle der Unternehmenskommunikation fundamental: Vom internen Vorstandsorgan zum Community- Manager und Kommunikationstrainer. Mit Folgen für die täglichen Aufgaben:
"Der Arbeitsalltag ist selbstbestimmter und deutlich strategischer geworden. Unser Fokus liegt nicht mehr darauf, Content zu produzieren, sondern wir vermitteln vor allem Kommunikationshandwerk und enablen damit unsere KollegInnen selbst gute Kommunikatoren zu sein" , erklärt Nina Burmester. Das Team gibt Ratschläge, über welche Kanäle die Mitarbeiter ihre Botschaften am besten an welche Zielgruppe spielen können, liest auf Wunsch Texte gegen, gibt technische Tipps für die Nutzung der Kommunikationstools und postete als Vorbild auch selbst.
"Neu hinzugekommen ist Community-Management. Das heißt wir monitoren alle wesentlichen internen Informations- und Kommunikationskanäle, vernetzen dort Menschen mit den für sie relevanten Themen, geben aber auch Impulse an Fachexperten sich zu Themen zu äußern und regen so zu einem transparenten Austausch im Unternehmen an", so Sandra Tauchert.
Nina Burmester, Communications Channel Managerin Intern & Extern
Bild: Otto
Dazu gehört auch, dass die Unternehmenskommunikation im eigenen Newsroom über die Veränderungen aufklärt. In Interviews und einem Podcast beschreiben Tauchert und Burmester sehr ausführlich, was die Umstellung für das Unternehmen und die einzelnen Mitarbeiter bedeutet - wo es Fortschritte gibt, aber auch Probleme.
Denn auch die Unternehmenskommunikation muss sich an diese neue Rolle erst gewöhnen - und daran, einen Teil der früheren Content-Hoheit aufzugeben. Nicht mehr alles kontrollieren zu können, was wann mit welcher Tonalität an eine breite Unternehmensöffentlichkeit rausgeht, falle "wahnsinnig schwer" , geben die beiden Community-Managerinnen zu. "Natürlich würden wir 'Profikommunikatoren' viele Texte anders schreiben und deren Veröffentlichung auch anders planen als es unsere FachkollegInnen es tun. Ist das Ergebnis unterm Strich deshalb deutlich schlechter? Das können wir nicht feststellen."
Der "größte Schmerz" beim "Loslassen der alten Hoheitsgebiete" sei jedoch weniger der inhaltliche Kontrollverlust, sondern die abnehmende Sichtbarkeit im Unternehmen. "Denn der Star eines Films ist meist die Hauptrolle und nicht der Regisseur und schon gar nicht der Drehbuchschreiber, obwohl die überhaupt erst die Grundlage für einen Erfolgsfilm geschaffen haben." Ihre Aufgabe ist es nun, die Community zum Laufen zu bringen und am Laufen zu halten. Taucherts These: "Die sich rein selbst organisierende und selbst regulierende Communities halte ich für eine Legende. Sowas gibt es aus meiner Sicht nicht."
"Selbst organisierende Communities gibt es nicht"
Klar ist: Die Umstellung des Intranets braucht Zeit und Geduld. Auch Otto befinde sich hier noch in einer
"Test- und Lernphase". Die größte Herausforderung bisher: Mitarbeiter vom Mitmachen und das Management vom Vertrauen in die Fähigkeiten der Belegschaft zu überzeugen. Hier mussten und müssen noch Hemmschwellen abgebaut werden. Das Intranet setzt deutlich mehr Initiative der einzelnen Mitarbeiter voraus. Das schürt Ängste, Fehler zu machen und vor Kollegen etwas "Falsches" zu kommunizieren und sich damit im Arbeitsumfeld zu entblößen. Aufgabe der Unternehmenskommunikation ist es zu vermitteln, dass diese Ängste unbegründet sind und warum es Vorteile für den Einzelnen hat, authentisch und transparent seine Themen weiterzugeben und die eigene Sichtbarkeit im Unternehmen zu steuern. Hier müsse man noch helfen, damit sich
"Kollegen aufgehoben und angenommen fühlen", so Tauchert.
Ein erstes Fazit:
"Es ist eine sehr schnell wachsende Lernkurve und das Involvement auf allen Seiten so hoch wie noch nie", so Burmester. Als Change-Beschleuniger erwies sich dabei die Corona-Pandemie. Zeitweise waren 95 Prozent der 5.000 deutschen Otto-Mitarbeiter im Homeoffice und mussten sich
"sehr abrupt auf einen neue Art des Zusammenarbeitens einstellen" . Da Information und Kommunikation nur noch digital möglich waren, sei die Hemmschwelle, selber Artikel zu posten und über Kommentare die Meinung zu sagen,
"extrem schnell gesunken". Einige Mitarbeiter seien dabei mit gutem Beispiel vorangegangen und ziehen dadurch andere mit. Auch Führungskräfte nehmen ihre Vorbildfunktion wahr.
"Wir haben das Glück, dass mittlerweile auch einige Managementpositionen sehr aktiv sind."
Einen Generationenkonflikt kann die Otto-Kommunikation nicht ausmachen. Die Beteiligung lasse sich nicht pauschal am Alter oder Fachwissen festmachen.
"Wir hatten auch schon vorher ein sehr gut etabliertes Social Intranet mit viel Interaktion, das ist jetzt noch intensiver geworden und zieht sich durch alle Altersgruppen." Entscheidend sei das Thema: Ist es spannend, wird es gelesen, geliked und manchmal kommentiert.
"Ist es nicht relevant, dann schafft man auch kein Involvement, selbst wenn die Person grundsätzlich sehr digital und social-media-affin ist."
Technik, mobiles Arbeiten, Achtsamkeit: Plattform für viele Themen
Neben der großen Community des Gesamtunternehmens ist das neue Intranet auch eine Plattform für kleinere Communities mit speziellen Schwerpunkten. So haben sich seit dem Start im Februar bereits 40 weitere Communities zu den unterschiedlichsten Themengebieten gebildet, wie beispielsweise eine Tech-Community. Aber auch zu Themen der Zusammenarbeit wie Mobiles Arbeiten oder Achtsamkeit tauschen sich Otto-Mitarbeiter in eigenen Gruppen aus.
Der neue Otto-Campus soll 2022 fertig werden.
Bild: Otto
Das Intranet ist zudem auch Plattform für die sogenannten "Experts" im Konzern. Otto bietet Mitarbeitern mit großem Fachwissen und "erfolgskritischen Kompetenzen" die Möglichkeit von fachlichen Karrieren, ohne dafür auch Führungsaufgaben übernehmen zu müssen. Wichtiger ist dem Konzern, dass sie ihrer fachlichen Leidenschaft folgen, Innovationen vorantreiben - und ihr Wissen weitergeben. Die rund 50 Experts teilen ihres vor allem über das Intranet, sie nutzen es zur Vernetzung und als Plattform zur persönlichen Positionierung. Auch in einer eigenen Expertcommunity tauschen sie sich aus.
Ziel ist es, das OttoNet zum internen sozialen Netzwerk und interaktiven Wissenspool für das gesamte Unternehmen auszubauen. Es ist damit auch eine wichtige Grundlage für das neue, hybride Arbeitsmodell
, das der Otto-Konzern als Reaktion auf die Corona-Pandemie kürzlich vorstellte und das auch Auswirkungen auf den Bau der neuen Firmenzentrale in Hamburg hat. Künftig können die 5.000 dort arbeitenden Mitarbeiter entscheiden, ob sie mobil oder im Büro arbeiten - je nachdem, welcher Ort besser zu ihrer individuellen Arbeitssituation passt und welche Infrastruktur benötigt wird.
Das Intranet bleibt auch ein wichtiger Teil der Onboarding- Prozesse. Neue Auszubildende und Mitarbeiter finden dort Orientierung und nützliche Informationen sowie Kollegen, die Fragen beantworten. Gerade im Corona-Lockdown half dies, sich auch vom Homeoffice aus im Unternehmen bald heimisch zu fühlen.
Sorge vor Kontrollverlust, Chaos und Informations- Overflow unbegründet
Mit seinem Intranet-Modell sieht sich das Otto-Team mittlerweile als eine Art Trendsetter, es gebe viele Anfragen, wie sich eine solche Community implementieren lasse. Auf Branchen- Konferenzen hat Tauchert und Burmester erstaunt, dass diese Art der partizipativen Community zwar schon von einigen Unternehmen gelebt wird, aber noch längst nicht so im Trend liegt, wie sie es erwartet hatten. Manche hätten in ihren Intranets noch nicht mal eine Kommentarfunktion und Mitarbeiter damit keine Chance, ihre Meinung zu äußern. Der Grund für die Zurückhaltung seien dabei oft Befürchtungen, ob genügend Mitarbeiter mitmachen und relevante Inhalte liefern und die Qualität stimmt. Diese Vorbehalte sind unbegründet, so die Erfahrung der Otto- Kommunikationsexperten. Das neue Modell funktioniere gut.
"Wir haben noch die gleichen Nutzungszahlen wie vorher", so Tauchert.
Ob das Mitmach-Intranet der "neue heiße Scheiß" sei, wird Nina Burmester im
unternehmenseigenen Podcast
gefragt.
"Frage uns nochmal in einem halben Jahr, ob wir das dann immer noch so sehen", erwidert sie. Aktuell sei es der richtige Weg und habe gerade in Krisenzeiten
"wahnsinnig geholfen". Ihr Rat an andere Unternehmen: Sie sollten mutiger sein, auch mal neue Wege zu beschreiten. Auch wenn vielleicht nicht alles streng reglementiert sein kann.
Die Angst vor Kontrollverlust, Chaos und Informations-Overflow sei oft die größte Sorge, die Unternehmen von der Umsetzung abhalten. Sie sollten jedoch auf die Mitarbeiter vertrauen, die alle in ihrem Bereich Experten seien, so Burmester. "Die sind alle da, um einen guten Job zu machen und werden sich entsprechend in den internen Kanälen positionieren." Das Intranet sei nicht tot, sondern "vielleicht lebendiger als jemals zuvor, wenn denn alle mitmachen".
Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe der ONEtoONE (11) erschienen. Außerdem lesen Sie, wie man Content-Marketing in Online-Audio macht, maschinengesteuerter Kundendialog funktioniert und welche EMail-Systeme zu Ihren Anforderungen passen. Zum Abo geht es hier entlang
.