Recruiting

So nehmen Sie die zehn Hürden auf dem Weg zum idealen Mitarbeiter

10.12.2019 - Die Besetzung von offenen Stellen in der Digital-Wirtschaft erschwert nicht alleine der Fachkräftemangel. Bis sich ein neuer Mitarbeiter im Onlinemarketing oder der Web-Abteilung niederlässt, sind zehn - überwindbare - Hürden zu bewältigen.

von Christina Rose

Zwei Wörter sind es, die Personalverantwortliche in der deutschen Internet-Wirtschaft besonders gut buchstabieren können: "Fachkräftemangel" ist das eine. Und "Geduld" das andere. Denn die Zeit, die es braucht, um vakante Stellen nachzubesetzen, ist in den vergangenen Jahren nochmals deutlich gestiegen: Waren es vor gut fünf Jahren zwischen 130 und 160 Tage, bis ein HR-Manager eine offene Stelle in der Softwareentwicklung besetzen kann, sind es mittlerweile knapp 160, wie eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit   zeigt. Nur in der Energietechnik, Altenpflege und Klempnerei sind noch schwieriger Stellen nachzubesetzen.

Mehrere Probleme kommen zusammen, wenn ein Unternehmen eine Stelle besetzen will:

  • Es muss zunächst einmal überhaupt jemanden geben, der am Arbeitsort in der entsprechenden Funktion arbeiten will.
  • Dessen (fachliche und persönliche) Fertigkeiten müssen zur Stellenbeschreibung passen.
  • Er oder sie muss ins Team passen.
  • Er oder sie braucht die nötigen Fähigkeiten - das kann von Führungsstärke angefangen über Teamfähigkeit bis hin zur Kompetenz reichen, in global aufgestellten Teams arbeiten zu können.


Auf dem Weg zum idealen Mitarbeiter gibt es zehn Hürden, die es zu überwinden gilt. Aber auch Wege, sie zu überwinden:

Erste Hürde: Der Fachkräftemangel


Studien warnen regelmäßig vor Fachkräftemangel: So habe laut IT-Verband Bitkom   die Zahl der offenen Stellen für IT-Fachkräfte eine neue Rekordmarke erreicht. In Deutschland gibt es aktuell 124.000 offene Stellen für IT-Spezialisten. Das entspricht einem Anstieg um 51 Prozent verglichen mit dem Vorjahr (82.000). Es ist zwar nicht unmöglich, Stellen zu besetzen, es ist nur aufwändiger als in anderen Branchen. Unternehmen werden entsprechend immer kreativer bei ihren Rekrutierungsmaßnahmen und bieten Vergünstigungen wie ein Sommer-Office auf Mallorca   . Vor allem die Generation Y, also die im Zeitraum der frühen 1980-er bis frühen 2000-er Jahre Geborenen, will ihre berufliche Tätigkeit als einen positiven Teil ihres Lebens begreifen - inklusive damit einhergehender Ansprüche an Arbeitszeiten und -orte, Unternehmenskultur, Arbeitsbedingungen und Gehalt. Schon 2020 wird die Generation Y ein Drittel aller Arbeitnehmer stellen. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie sich noch stärker und schneller als bisher für diese potenziellen Mitarbeiter bereit und attraktiv machen müssen.

Zweite Hürde: Die Suche nach der Eier legenden Wollmilchsau

Abgeschlossenes Studium, Auslandserfahrung, SEO-Experte, Influencer und Programmierer, fit in KI und und ein Präsentations-Talent, teamfähig und belastbar, mehrsprachig und führungsstark, mit fünf Jahren Berufserfahrung, dabei aber nicht älter als 30 Jahre: Wer ein solches Jobprofil im Hinterkopf hat, wenn er auf der Suche nach einem neuen Mitarbeiter oder einer neuen Mitarbeiterin ist, der sollte lieber drei bis sieben Mitarbeiter suchen und nicht einen einzigen.

Es ist zwar eigentlich logisch, dass sich Spezialisierung und holistische Projekterfahrung genauso ausschließen wie langjährige Berufs- und geringe Lebenserfahrung - und dennoch suchen Chefs oft den Traummann oder die Traumfrau. Und machen dabei denselben Fehler, den Zehntausende in Flirtportalen machen, die statt die Taube in der Hand zu nehmen, sich weiter nach dem Phönix auf dem Dach verzehren und am Ende mit leeren Händen dastehen.

Gegen diese Hürde hilft, sich bei der Mitarbeitersuche realistische Ziele zu setzen: Soll der Neue oder die Neue in erster Linie ein Programmiercrack sein? Oder doch eher ein Jongleur mit Projektterminen, Feuerlöschern und 28 divergierenden Kundenanforderungen? Steht die Berufserfahrung im Vordergrund und nimmt man dabei im Kauf, einen Greis mit 35 Lebensjahren ins Team holen zu müssen?

Dritte Hürde: Die Suche zur falschen Zeit


Mittel- oder gar langfristige Personalplanung ist für viele - vor allem kleinere Unternehmen und Agenturen - immer noch ein Fremdwort. Oft wird erst dann gesucht, wenn der Mitarbeiter eigentlich schon gebraucht wird - und nicht bereits, wenn ein geplanter Wachstumspfad beim Personal definiert wird.

Ein folgenschwerer Fehler, denn die durchschnittliche Laufzeit einer Stellenanzeige für Digitalisierungs-, Marketing- und Software-Profis über alle Regionen und Positionen hinweg liegt seit Jahren kontinuierlich bei deutlich über 100 Tagen. Das bedeutet: Im Durchschnitt braucht eine Agentur oder ein Unternehmen knapp vier Monate, um einen geeigneten Bewerber zu finden - und vermutlich noch einmal vier bis acht Wochen, bis dieser seine neue Stelle auch antritt. Also vergeht durchschnittlich zwischen Stellenausschreibung und Arbeitsbeginn ein halbes Jahr. Durchschnittlich bedeutet allerdings: Es kann schneller gehen - aber auch wesentlich länger dauern. Das hängt nicht zuletzt von der zu besetzenden Stelle ab.

Vierte Hürde: Es gibt kein Employer Branding


Für jedes zweite Unternehmen ist die Mitarbeitergewinnung ein wichtiger Faktor für den Unternehmenserfolg. Aber nach wie vor wird ein Großteil des Budgets nach wie vor für Stellenanzeigen im Print- und Onlinebereich sowie für Headhunter ausgegeben - also für Vertriebsmaßnahmen und nicht für Marketingmaßnahmen.

Dabei ist eine der größten Herausforderungen für viele Unternehmen, nicht nur Arbeitgeber zu sein, sondern eine Arbeitgebermarke. Neben Vergünstigungen wie flexiblen Modellen hinsichtlich Arbeit und -ort, Fitness-Studio-Abos etc. ist Sinnstiftung ein zentrales Mittel, um Mitarbeiter nicht nur zu gewinnen, sondern auch zu halten. Denn was nützt erfolgreiches Recruiting, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach kurzer Zeit wieder weg sind? Das Ziel sollte sein, Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen, die andere im persönlichen Kontakt und in den sozialen Netzwerken von unserer Haltung begeistern.

Fünfte Hürde: Eine zielführende Employer-Branding-Strategie entwickeln

Social Media hat sich zwar als Communitybuilding-Maßnahme für Internet-Unternehmen etabliert, als Recruiting-Tool ist es allerdings eher unterdurchschnittlich erfolgreich. Oft schlägt der Wunsch, per Social Web an neue Mitarbeiter zu kommen, in unfreiwillige Komik um. Das gipfelt dann mitunter in Videoclips, die sich bei YouTube dem Spott der Community ausgesetzt sehen.

Die Deutsche Employer-Branding-Akademie   empfiehlt als Tipps für Employer Branding unter anderem:
  • Eine Arbeitgeberpositionierung entwickeln, die auch polarisiert. Nur so können die Bewerber einschätzen, ob sie zu einem Arbeitgeber passen oder nicht. Der Erfolg: Mehr Effizienz und Nachhaltigkeit im Recruiting mit allen positiven Auswirkungen auf Performance und Kultur.
  • Die Arbeitgebermarke sauber implementieren und auf alle Ebenen herunterbrechen. Von der Implementierung hängt ab, wie sehr sich die Mitarbeiter die Positionierung aneignen und sie in ihrem Arbeitsleben umsetzen.
  • Das Employer Branding nie isoliert betrachten, sondern den Wandel der unternehmerischen Rahmenbedingungen im Auge behalten. Nur so lässt sich frühzeitig abschätzen, ob und ggf. welche Anpassungen der Employer-Branding-Strategie erforderlich sind.


Sechste Hürde: Die falschen Bewerber werden gesucht

Für falsche Mitarbeiter gibt es sieben Gründe:
  1. Unsicherheit über die gewünschten Kriterien von Mitarbeitern beziehungsweise fehlende oder falsche Auswahlkriterien. Hier helfen auch die frei verfügbaren Checklisten nicht, solange die Ziele hinter den Checklisten nicht verstanden werden.
  2. Keine klaren Einstellungsverfahren
  3. Das Unternehmen hat zu wenig Anziehungskraft für die wirklich guten Mitarbeiter.
  4. Der einstellende Mitarbeiter ist kein Top-Manager ("A-Mitarbeiter stellen A-Mitarbeiter ein. Aber B-Mitarbeiter stellen C-Mitarbeiter ein").
  5. Falsche Einstellung zur Tätigkeit, die der neue Mitarbeiter ausführen soll
  6. Keine klar definierten Trennungskriterien
  7. Die Mitarbeitersuche erfolgt erst dann, wenn man selbst unter Hochdruck steht - damit entfallen Wahlmöglichkeiten.


Das Problem ist: Wenn man einmal ein Team zusammengestellt hat, dann zieht dieses Team ähnliche Mitarbeiter an. Hat man ein grottenschlechtes Team, dann werden die Spitzenmitarbeiter, selbst wenn man sie finden sollte, nicht bleiben. Natürlich gilt auch das Umgekehrte: Hat man ein Team mit Champions-League-Qualitäten aufgebaut, dann halten es die Nieten dort nicht sehr lange aus. Beides pflanzt sich fort wie ein Gen. Fehler an dieser Stelle werden genetisch in das Unternehmen einprogrammiert - bis irgendwann die Kosten eines Neuanfangs niedriger werden als die Kosten einer Reorganisation. Deshalb gilt: Seien Sie gerade bei den ersten Mitarbeitern sehr wählerisch.

Siebte Hürde: Die falschen Einstellungskriterien

Meist stellen Unternehmen nach Zeugnissen oder Sympathie ein. Beides ist relevant, taugt als Einstellungskriterium aber nicht. Fachliche Kenntnisse sind viel weniger wichtig, als man gemeinhin glaubt. Wenn die Motivation und die Einstellung nicht stimmen, helfen die fachlichen Kenntnisse auch nicht. Umgekehrt lassen sich alle notwendigen fachlichen Kenntnisse entwickeln, wenn die Motivation und die Einstellung stimmen. Es gibt im Englischen folgende Aussage: "Hire for attitude, train for skills." Sie trifft den Nagel auf den Kopf. Es gibt im Prinzip zwei Typen von möglichen Arbeitskräften: Die einen suchen einen Arbeitsplatz. Die anderen suchen eine Aufgabe.

Diejenigen, die den Arbeitsplatz suchen, haben ihr Ziel erreicht, wenn sie ihn gefunden haben. Wer am Ziel ist, dessen Aktivität lässt nach. Er wird sich auf seinen Arbeitsplatz setzen und nur noch das Nötigste tun. Diese "Arbeits"kräfte sind die Enten. Diejenigen, die eine Aufgabe suchen, haben hingegen mit der Anstellung ihr Ziel konkretisiert und die Aktivität beginnt. Diese heißen Adler. Unternehmen sollten also alles tun, um für diese Adler attraktiv zu sein.

Achte Hürde: Die richtigen Bewerber bewerben sich nicht

Um an geeignete Mitarbeiter zu kommen, gehen Unternehmen immer ungewöhnlichere Wege - so zum Beispiel über Games und spielerische Ansätze   . Der Recrutainment-Ansatz legt das Augenmerk demnach nicht einseitig auf die Kandidatenauswahl (Recruiting) sondern berücksichtigt auch die Information und Unterhaltung. Die Erfahrung: Je präziser sich der spielerische Test mit dem Arbeitsplatz deckt, umso sinnvoller. Zur Verbesserung der Selbstselektion werden auch sogenannte Self-Assessment-Verfahren eingesetzt. Solche spielerisch-simulative Selbsttest-Instrumente und Berufsorientierungsspiele können anonym genutzt werden und motivieren die richtigen Bewerber, sich zu bewerben.

Neunte Hürde: Es ist unklar, ob der Bewerber der Richtige ist

Nicht immer kann ein Geschäftsführer entscheiden, ob bestimmte Bewerber die Richtigen sind - vor allem, wenn sie über wenig Berufserfahrung verfügen. Helfen können Workshops, in denen Lösungsansätze für konkrete Problemstellungen der Unternehmen erarbeitet werden, um zu sehen, ob die Bewerber geeignet sind. Im besten Fall eine Win-Win-Situation: Das Unternehmen erhält umsetzbare Ideen von frischen Köpfen und Talente haben die Möglichkeit, das Unternehmen kennen zu lernen.

Zehnte Hürde: Die richtigen Bewerber fallen durchs Raster

Doch auch wenn eigentlich die richtigen Bewerber beim richtigen Unternehmen am Tisch sitzen, kann es zu eigentlichen falschen Absagen kommen - wenn der Bewerber im Vorstellungsgespräch Fehler macht. Sehr häufige und vermeidbare Fehlerquellen der Bewerber:
  • Zu häufige Stellenwechsel: Die bei Digital Natives überproportional häufigen Stellenwechsel sehen potenzielle Arbeitgeber nicht gerne. Besonders renommierte Firmen haben Bedenken bei sogenannten Jobhoppern. Hier gilt meistens noch die traditionelle Sichtweise, dass ein Bewerber zwei bis drei Jahre bei einem Unternehmen gearbeitet haben sollte.
  • Mangelnder Respekt vor nicht-digitalen Bereichen: Bewerber bei Crosschannel-Unternehmen sollten nicht nur von den Vorteilen des Internets sprechen, sondern auch ihre Wertschätzung gegenüber den klassischen Unternehmensbereichen und den klassischen Vertriebs-und Kommunikationskanälen zeigen. Unternehmen erzielen auf dem konventionellen Vertriebsweg oftmals immer noch den größten Teil des Umsatzes und Gewinns.
  • Falscher Dresscode: Beim persönlichen Bewerbungsgespräch sollte man selbst bei einem lockeren Start-up nicht zu locker gekleidet erscheinen. Es gilt aber auch: Wenn der Bewerber sonst nie Anzug trägt, sollte er damit nicht im Bewerbungsgespräch beginnen.

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