Digital-Festival

OMR 2023 im Schnelldurchlauf

OMR 2022: Redner auf dem Dialog Stage (Bild: Johannes Jagusch)
OMR 2022: Redner auf dem Dialog Stage

11.05.2023 - Zur Digitalmesse OMR sind am Dienstag und Mittwoch rund 72.000 Besucher gekommen. Es gab explodierte Hotelzimmer-Rechnungen, veganen Kaviar und zahlreiche Stars, wie eine Klima-Aktivistin, die den Festival-Chef mit hartnäckigen Nachfragen ins Schwitzen brachte.

von Sebastian Halm

Mehr als 70.000 Besucherinnen und Besucher erschienen, wie der Chef des OMR-Festivals   , Philipp Westermeyer am Mittwoch resümierte. Ein billiger Ausflug war ein Besuch beim Rockstar unter den Digitalmessen nicht: Wer nach Begleichung von 400 Euro Ticket-Preis und durch die Decke gegangener Hotelrechnung von bis zu 1000 Euro pro Nacht noch Geld übrig hatte, konnte sparsam zum Hot Dog greifen oder mit einem trotzigen "Jetzt erst recht" das Kaviarbrötchen für 20 Euro wählen, für die Hälfte gab es die vegane Variante und somit zahlte sich nachhaltiger Lebensstil aus.

Nachhaltigkeit und Ökologie und Verantwortung hatten sich die Redner der Marken auf die Fahnen geschrieben und mahnten die wichtige Rolle der Unternehmen dabei an. Doch Luise Neubauer wollte die Firmen nicht so ungeschoren davonkommen lassen.

Die Klima-Aktivistin war einer der vielen prominenten Namen auf der Veranstaltung: Zu Gast in Hamburg waren unter anderem die Tennis-SpielerInnen Serena Williams und Boris Becker , Benjamin von Stuckrad-Barre oder Fußball-Spieler-Gattin Cathy Hummels .

Luisa Neubauer indes prangerte Greenwashing als Skandal und Nachhaltigkeit als Lippenbekenntnis an, wie die Hamburger MOrgenpost   notiert. Neubauers strenge Feststellung, dass "diese Marken sich ohne Marketing nicht grün waschen könnten." ließ beim OMR-Chef Philipp Westermeyer am Bühnenrand wohl den einen oder andern Schweißtropfen rinnen.

Abseits dessen dürfen die Marken aber weitgehend ungestört über ihre Verantwortung gegenüber Klima und den Menschen philosophieren. Der neue Boss von Boss   , CEO Daniel Grieder erläuterte, wie man die elitär-wahrgenommene Marke sympathisch gemacht und was man in Sachen digitaler Neuaufstellung vorhabe, Baumarktkette Obi   stellt seine Digitalstrategie unter dem Titel "Hey, Obi" vor, die Öffentlich-Rechtlichen Sender stellen sich die Frage, was man mit TikTok   anstellen kann, Google   will den Hamburger Straßenverkehr verflüssigen (Projekt "Greenlight"), Sascha Lobo rief einmal mehr dazu auf, den imminenten Weltuntergang aufgrund Künstlicher Intelligenz abzuwenden und verglich selbige mit der Industrialisierung. Überhaupt war KI, wenig überraschend, ein Leitmotiv der Messe, andere Referenten betonten die Abwesenheit jeder Obergrenzen für die Entwicklung von KI und dass diese bald den Menschen als Antreiber von Innovation ablösen werde, berichtet das Abendblatt   .

Die OMR machte ihrem Rockstar-Image durchaus wieder Ehre: Der Wortwechsel zwischen Festival-Chef Westermayer und Luise Neubauer war gepfeffert und verwirbelte die Rollen zwischen Interviewer und Interviewtem/r, Stuckrad-Barre ließ die Hiwis mit bekannter Star-Allüre nach dem abwesenden Wasserglas springen und Moderator Steven Gätjen sammelte Sympathiepunkte als er auf die eigene Verkaterung verwies.

Demgegenüber hat Influencer Jeremy Fragrance sein Sympathie-Punkte-Konto tief in den Dispo geballert, als er Platitüden ins Publikum drosch. Irgendwo im intellektbefreiten Bermudadreieck zwischen Misogynie und Megalomanie angesiedelt, veranlassten die Bemerkungen die Media-Persönlichkeit Thomas Koch dazu, in seinem ätzenden Kommentar in der Wirtschaftswoche   das Ende der Influencer herbeizusehnen. Die OMR räumt dankenswerterweise allen Nicht-Besuchern die Chance ein, den Auftritt dennoch mitzuerleben: Ein Videomitschnitt auf Youtube   , der die düstere Faszination eines Unfalls auf der Autobahnspur gegenüber besitzt, ist nach wie vor online. Was die Frage aufwirft, inwiefern man die von Fragrance geäußerten Ansichten problematisch findet, denn sonst hätte man sie ja nicht online gestellt und bei den Augenzeugen auf gnädiges, zeitnah einsetzendes Vergessen gehofft.

"100.000 Leute könnten hier durchaus kommen", richtete OMR-Chef Philipp Westermeyer schließlich den Blick in die Zukunft, vorausgesetzt, man erweitere die aktuell genutzten Flächen. Die OMR hat damit eine beeindruckende Erfolgsgeschichte hingelegt, deren Ende nicht abzusehen ist: Beim ersten Festival in 2011 kamen gut 200 Gäste.

Die nächste OMR ist für den 7. und 8. Mai 2024 geplant. Bei Interesse sollte man jetzt schon da Hotel buchen und die Brote gegebenenfalls vorschmieren.

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