Die neuen Datenschutzfunktionen in Apples
iPhone-Betriebssystem iOS 14 alarmieren Facebook
. Nach dem Update können die Nutzer selbst entscheiden, ob sie App-Betreibern ihre IDFA-Kennnummer (Identifier for Advertiser) übermitteln wollen. Diese Kennnummer benötigen Werbungtreibende für die Ausspielung personalisierter Werbung. In einem Blogpost
hat Facebook am Mittwochabend deshalb vor negativen Auswirkungen für Werbungtreibende gewarnt. (siehe iBusiness-Analyse: Was Apples Datenschutz-Offensive für Online-Marketer bedeutet
)
Als Reaktion auf Apples Update müsse Facebook seine Apps (Facebook, Instagram, WhatsApp) so verändern, dass diese keine IDFA-Nummer mehr sammeln. "Wir wollten diese Änderungen nicht, aber leider zwingt uns Apples Update auf iOS 14 zu diesem Schritt", heißt es. Bei Nutzung der Apps des Konzerns unter iOS 14 werde der Nutzer nicht mehr gefragt, ob er Daten an Facebook übermitteln will.
Monetarisierung über Audience Network in Gefahr
Durch die Änderungen werde es deutlich schwieriger, in Apps personalisierte Werbung auszuspielen. Dadurch dürften die Einnahmen von Verlagen und App-Entwicklern deutlich zurückgehen.
"Wir wissen, dass dies die Möglichkeiten der Verlage, über das Audience Network auf iOS 14 Geld zu verdienen, stark beeinträchtigt", schreibt Facebook. Über das Audience Network können Werbetreibende personalisierte Anzeigen buchen, die dann in anderen Apps angezeigt werden. Facebook leitet Einnahmen daraus an die App-Betreiber weiter. Künftig könnte es jedoch
"möglicherweise keinen Sinn mehr machen" das Werbeprogramm Audience Network auf iOS 14 überhaupt noch anzubieten.
Bei Tests mit mobilen Kampagnen ohne Personalisierung habe Facebook einen Rückgang von mehr als 50 Prozent der Einnahmen festgestellt, die App-Betreiber erhalten, wenn in ihren Apps Werbung angezeigt wird. In der Realität könnten die Auswirkungen noch sehr viel gravierender sein,
"deshalb arbeiten wir an kurz- und langfristigen Strategien, um die Verlage bei diesen Veränderungen zu unterstützen", schreibt Facebook weiter.
Facebook arbeite weltweit mit 19.000 Entwicklern und Verlegern zusammen und habe 2019 an sie
"Milliarden von Dollar" ausgezahlt.
"Viele von ihnen sind kleine Unternehmen, die von Anzeigen abhängig sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten." Deren Geschäftsmodell gerate nun in
"ohnehin schon schwierigen Zeiten" in Gefahr.
Gegenüber der Nachrichtenagentur
Reuters
relativiert David Chavern, Präsident des nordamerikanischen Verlagsverbandes
News Media Alliance
, die möglichen Auswirkungen. Er rechnet nicht mit schwerwiegenden Folgen für Verlagshäuser. Diese spielten personalisierte Anzeigen auf Basis eigener Nutzerdaten aus und dies schränke das Apple-Update nicht ein. Auch Brian Wieser, Global President für Business Intelligence bei der
GroupM
, schätzt die Folgen für Facebook als nicht so gravierend ein. Das Audience Network sei zwar eine wichtige Einnahme- und Trafficquelle für kleine Entwickler wie z.B. Spielefirmen, aber bei weitem nicht das größte Geschäft von Facebook.
"Es würde mich überraschen, wenn es mehr als 1 Milliarde Dollar auf Nettobasis wäre", zitiert ihn Reuters.
Die Eigeninteressen von Apple
Die Veröffentlichung von iOS 14 wird für September oder Oktober erwartet. Eine Beta-Version ist bereits seit Monaten verfügbar. Beobachter vermuten, dass Apple mit den neuen Datenschutzregeln nicht nur die Rechte der Nutzer im Blick hat, sondern handfeste Eigeninteressen. Der Konzern profitiere weniger von Werbung und mehr von App-Einnahmen, erklärt etwa John Nardone
, Chef des Online-Werbeunternehmens
Flashtalking
, gegenüber Reuters. Werde es schwieriger, mit Werbung Geld zu verdienen, müssten App-Betreiber wohl künftig mehr Gebühren verlangen. Und davon wiederum profitiert Apple, der 30 Prozent Provision von diesen Umsätzen verlangt. Apple wird deshalb von verschiedenen Entwicklern wegen Wettbewerbsverzerrung verklagt. Aktuell sorgt insbesondere
der Konflikt mit Epic Games
für Aufsehen, dessen populäres Spiel 'Fortnite' Apple aus dem App-Store verbannte.
Apples Manöver sorgt für "disruptive Veränderung"
Bei Apples Neuerungen gehe es zwar vordergründig um Datenschutz, im Rückenwind findet eine
"disruptive Veränderung für das Marketing-Ökosystem" statt, erklärt gegenüber
iBusiness.de
Stephan Jäckel
, Geschäftsführer der Telekom-Tochter
Emetriq
. Bisher sei die IDFA das Äquivalent zum Cookie im App-Ökosystem. Die IDFA bot eine Option für dritte Unternehmen, im Auftrag der App Publisher Daten aus diesem Ökosystem für den Publisher selbst, aber auch für eigene datengetriebene Geschäftsmodelle nutzbar zu machen.
"Wenn man aber nun als Nutzer festlegen kann, dass die IDFA nach 30, 60 oder 90 Tagen automatisch gelöscht werden kann, kämen Dienstleister, deren Modell darauf beruht, IDFA basierte Daten zu benutzen und zu veredeln, ins Hintertreffen", argumentiert er.
"Denkt man das weiter, sieht man, dass die Plattform eine starke Machtoption aufbaut, nach eigenen Maßstäben zu entscheiden, an welche Unternehmen App-Publisher die von ihnen gewonnenen Daten weitergeben dürfen. Ein starker Eingriff in den freien Wettbewerb." Man benötige keine große Vorstellungskraft, um den nächsten Schritt zu antizipieren:
"Die Plattform wird von Dritten Datensammlern einen Preis ähnlich einer Maut verlangen - vielleicht hübsch verpackt als Plattformgebühr", skizziert Jäckel.
Der Wegfall von IDFAs ist nach Einschätzung von Nicole Bucher
, CMO der
Offerista Group
, ähnlich der Cookie-Problematik zu betrachten,
"da es schwierig bis unmöglich (abhängig von der Opt-In-Rate) wird, Werbung auf Nutzerbasis auszuspielen. Dafür kann das Umfeld-Targeting an Relevanz gewinnen." Geschäftsmodelle wie Mobile Attribution und App-Retargeting werden durch die Umstellung von Apple maßgeblich betroffen sein, schätzt sie:
"Hierdurch könnten z.B. Marketing Mix Modelling und Umfeld-Targeting profitieren. Auch Apples neues privacy-konformes SKAdNetwork
soll es ermöglichen, Werbung weiterhin zielgerichtet auszusteuern - allerdings ohne die jetzige Datentransparenz für Advertiser."
Für Direct-Response-Werbende, aber auch im App-Advertising, wenn es um Downloads und Installs geht, werde diese Entwicklung störend sein, prognostiziert Melanie Mura
, Director Agencies & Marketers beim Adtech-Anbieter
Xandr
:
"Diese Werbungtreibenden werden einen kleineren Pool von Zielgruppen haben, die sie über Apps erreichen können, wodurch sich automatisch der Wettbewerb erhöht. Für Advertiser wird es schwieriger sein, den Customer Lifetime Value zu bestimmen und verlorene Kunden wiederzugewinnen. Das könnte einige Werbungtreibende mehr betreffen als andere, mit der Folge, dass Budgets auf andere Kanäle und Geräte umgelenkt werden könnten."