Gesundheits-Apps sind schnell auf dem Handy installiert - und ebenso schnell wieder gelöscht. Dabei müssen gerade wissenschaftlich fundierte Apps, die zu einer dauerhaften Verhaltensänderung beitragen sollen, zum dauerhaften Alltagsbegleiter der NutzerInnen werden. Nur so können Apps bzw. digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) ihre Potentiale entfalten, wenn es etwa um die Behandlung von Tabakabhängigkeit, Depressionen oder Rückenschmerzen geht. Wie gelingt also eine nachhaltige Gesundheitskommunikation, die UserInnen dauerhaft fesselt und Schritt für Schritt zu einer Verhaltensänderung führt?
1. Gamification: Spielerische Elemente fördern Engagement und Gesundheitseffekte
Die Gamification-Strategie einer Gesundheits-App sollte gleichzeitig kurzfristiges Engagement fördern und die langfristige Bindung an das Produkt - und damit das gesundheitliche Ziel - anstreben. Dafür muss das spielerische Elemente zum einen vom ersten Augenblick an begeistern und fesseln, etwa durch den Niedlichkeitseffekt oder durch die Möglichkeit, Erfahrungspunkte zu sammeln. Zum anderen braucht eine dauerhafte (Produkt-)Bindung ein langfristiges Spielziel. Beispiel Tamagotchi: Die tägliche Pflege des niedlichen Haustiers fesselte NutzerInnen jeden Tag aufs Neue über einen langen Zeitraum.
Der sogenannte 'Innere Drache' der Rauchstopp-DiGA Smoke Free basiert auf einem ähnlichen Prinzip. NutzerInnen helfen dem kleinen Drachen zunächst beim Schlüpfen, um ihn anschließend mit Belohnungspunkten groß und stark werden zu lassen. Diese Belohnungspunkte sammeln die UserInnen auf ihrem Weg in die Rauchfreiheit, indem sie etwa Herausforderungen oder Minispiele in der App absolvieren. Das Ziel: Halte den Rauchstopp durch und sorge dadurch für deinen Drachen. Gleichzeitig dient der Drache auch als Ablenkung, wenn das Verlangen nach einer Zigarette zu groß wird.
2. Chatbots: Motivierer und Bestärker statt schneller Informationsbeschaffer
Gesundheits-Apps können den Fragen und Sorgen ihrer NutzerInnen mit unterschiedlichen Strategien begegnen. Manche Anwendungen arbeiten mit ExpertInnen zusammen, die direkt über die App kontaktiert werden können. Andere Apps setzen für die direkte Kommunikation mit ihren NutzerInnen auf Chatbots, die allerdings hohen menschlichen Ansprüchen gerecht werden müssen. Sie sollen nämlich nicht nur fachlich richtige Informationen vermitteln, sondern auch bestärken und nach Misserfolgen neu motivieren. Gelingt das nicht, kann es sein, dass NutzerInnen frustriert zu einer anderen App wechseln.
Dem Chatbot in der Smoke Free-DiGA fällt genau diese Rolle zu. Er beinhaltet wissenschaftlich fundiertes Wissen zur Raucherentwöhnung durch Verhaltensänderung, aber vor allem motiviert er die NutzerInnen. Sein Skript folgt bewusst den Methoden der positiven Bestärkung: Er lobt viel, baut nach Misserfolgen wieder auf und gibt sogar humorvolle Antworten. Weitaus offensichtlicher als das implementierte Fachwissen ist für die UserInnen jedoch der 'zwischenmenschliche' Aspekt des Quit Coach sowie die Tatsache, dass dieser unabhängig von der Uhrzeit verfügbar ist und sich somit komplett auf die Bedürfnisse seines Gegenübers einstellt.
3. Von der App zum Alltagsbegleiter: Maßnahmen zur Verhaltensänderung
Damit NutzerInnen einer App dauerhaft treu bleiben, sollten sie deren Nutzen für ihren persönlichen Alltag erkennen. Dafür reicht es zunächst bereits, wenn sie ihren Fortschritt durch bekannte App-Inhalte wie Tagebücher oder Auszeichnungen angezeigt bekommen. Daraus entsteht mittelfristig ein regelmäßiges Engagement: Die App wird Teil des individuellen Lebensstils. Damit einher geht ein gefestigtes Vertrauen in die App-Inhalte.
Für diesen Zeitpunkt im Lifecycle einer Gesundheits-App können AnbieterInnen tiefgreifendere Features einbauen, um NutzerInnen bei der Stabilisierung der gewünschten Verhaltensänderung zu begleiten. Smoke Free unterstützt angehende Ex-RaucherInnen etwa, in dem die App eine klare Haltung zu Zigaretten kommuniziert. So lautet etwa die goldene Regel: Kein weiterer Zug, egal, was kommt. UserInnen, deren Entwöhnung bereits weit fortgeschritten ist, können mit diesem gefestigten Mindset ihre neue, rauchfreie Einstellung weiter stabilisieren.
Fazit: Fachwissen und Nahbarkeit machen den Unterschied
Damit Gesundheits-Apps langfristig genutzt werden, brauchen sie zwei Dinge: eine wissenschaftliche Basis und dauerhafte positive Bestärkung. UserInnen müssen fühlen, dass sie mit dieser App ein verlässliches Produkt auf ihrem Handy installiert haben, das sie durch alle Höhen und Tiefen einer Verhaltensänderung begleiten - und auf das sie nicht mehr verzichten möchten.
AnbieterInnen erreichen dieses Vertrauen bereits, wenn sie etablierte App-Inhalte durchdacht kombinieren. Dafür braucht es Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse der NutzerInnen. Und bestenfalls eine Person, die diese gesundheitliche Herausforderung bereits bewältigt hat.
Benedikt Hielscher
Bild: Smoke Free
ONEtoONE-Autor Benedikt Hielscher ist Deutschland-Geschäftsführer der Rauchstopp-App Smoke Free
. Die App kombiniert persönliche Erfahrungen aus einem erfolgreichen Rauchstopp mit Methoden aus der kognitiven Verhaltensänderung sowie der Rückfallprävention. Die Wirksamkeit von Smoke Free weisen drei randomisiert-kontrollierte Studien sowie eine Pilotstudie nach. Zudem wurde die App vorläufig in das DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgenommen.