Stefanie Lüdecke
Bild: TLGG
Für die Kommunikation von Marken bedeutet die Entwicklung den Eintritt in die dritte Phase der Krise, das sogenannte "New Normal". Stefanie Lüdecke, Geschäftsführerin der Digitalagentur TLGG GmbH
, blickt zurück: Was haben wir über die Phasen hinweg kommunikativ gelernt? Welche Learnings sollten Marken zügig reaktivieren, wenn die Neuinfektionen regional oder bundesweit wieder zunehmen sollten?
1. Verständnis für den Verlauf einer Epidemie vergegenwärtigen
Um zu definieren, welche Rolle eine Marke künftig spielen möchte, gilt es, die Krise in drei Phasen zu verstehen: Outbreak, Containment, New Normal. Es ist absehbar, dass Welt, Wirtschaft und Gesellschaft dieses Phasenmodell mittelfristig mehrfach und in Wellenbewegungen durchlaufen werden, doch das Grundmuster passt im gesellschaftlich Großen wie im familiär Kleinen.
Outbreak: Zu viel, zu schnell, zu laut
Die Gleichzeitigkeit vieler Herausforderungen und Fragestellungen überfordert die Zielgruppen: Sorgen um die Gesundheit, Sorgen um Wirtschaft und Finanzen; dazu die Herausforderungen der Telearbeit, der Kinderbetreuung, Kontaktsperren, neue Technologien, neue Prozesse - die Menschen sind überwältigt, unsicher, empfindlich. Hier können und sollten Marken mit Empathie für Orientierung und Stabilität sorgen.
Containment: Gewöhnung treibt die Ungeduld
Der Rausch des Neuen klingt ab, die veränderte Situation ist Alltag geworden. Die Menschen nehmen die Auswirkungen ihrer Maßnahmen und Verhaltensänderungen wahr, doch die langfristige Perspektive bleibt voller Unsicherheiten. Das Gefühl der gemeinsamen, vereinten Bewältigung der Krise - #wirbleibenzuhause - weicht zunehmend einer wachsenden Ungeduld. Hier sind Marken Befähiger, Unterstützer und Helfer.
New Normal: Frühlingsgefühle und kleine Freuden, die groß erlebt werden
Die Gesamtsituation verbessert sich, das tägliche Leben kehrt zum Normalzustand zurück. Es gibt viel Erleichterung und einen großen Bedarf, sich von den individuellen und kollektiven Herausforderungen der letzten Zeit zu erholen. Die Menschen erleben diese Zeit wie einen Frühling nach langem Winter und entdecken neue Werte in den Dingen, die sie nun zurückgewonnen haben. Hier können Marken das Gefühl der Erleichterung befördern und die neue Normalität mit Klarheit füllen.
2. Vorgehen in der Krise: Listen, Adjust, Act
Vor jeder Markenreaktion gilt es, zuzuhören, die Situation zu erkennen und zu verstehen. Es gilt für Marken, bezüglich ihrer Rolle und ihrer Pläne transparent und offen zu sein. Auch wenn sie sich entscheiden, nicht weiter zu handeln und einfach wie gewohnt weiterzumachen, sollten sie die Situation anerkennen und ihr Bewusstsein dafür nach außen tragen. Vor allem aber braucht Krisenkommunikation einen starken Rückkanal. Marken müssen Feedback ermöglichen und ein Gespräch in beide Richtungen öffnen. Das Interesse an der Realität, den Bedürfnissen und den Botschaften der Kunden muss sichtbar und erfahrbar werden.
3. Erfolg ist auch eine Kanalfrage
Homeoffice und Kontaktsperren halten Millionen von Familien über Wochen zu Hause. Dies führt zu einem erhöhten Medienkonsum. Kampagnenstrategien lassen sich daraufhin optimieren: Kanalmix und Werbeausgaben sollten sich an der Grundlage des sich entwickelnden Verbraucherverhaltens und der laufenden Ergebnisse orientieren.
Veränderungen im Online-Verhalten haben Daten aus China schon früh dokumentiert: 85 Prozent der chinesischen Verbraucher steigerten ihre Bildschirmnutzung zu Hause, 84 Prozent probierten mindestens einen neuen Dienst zum ersten Mal aus, darunter Online-Arztbesuche (34 Prozent), Online-Bildungskurse (33 Prozent) oder Online-Banking (13 Prozent). Gute Ansatzpunkte liefern Social-Media-Inhalte, Podcasts, Gaming-, E- und Social-Commerce-Angebote, Digital Media, virtuelle Events, Longform-Videocontent sowie Livestreams.
4. Relevanz ist der einzige Schlüssel zu diesem Schloss
Es lohnt die Überlegung, welchen angemessenen und relevanten Beitrag Marken zu CSR-Initiativen leisten können. Können Ängste entschärft werden? Kann ein Mehrwert zur Bewältigung der Situation geliefert werden? Denkbar ist, Fachwissen, Ressourcen, Fähigkeiten oder Plattformen einzusetzen, um zu handeln oder wertvolle Informationen zu teilen. Gute Ansatzpunkte liefern virtuelle Präsenz und Produkte, Augmented Reality, E-Learning, Online-Coaching, Entertainment-Angebote, Ratgeber, Tutorials und In-Home-Shows.
5. Grundsätze der Krisenkommunikation als Basis für den neuen Alltag
Adidas stand zuletzt massiv in der Kritik, weil das Unternehmen Mietzahlungen für die eigenen Läden aussetzen wollte. Die frühe Ankündigung Nikes hingegen, einen Gesichtsschutz und Masken für Mediziner und Retter bereitstellen zu wollen, bekam erwartbar positives Echo. Die öffentliche Wahrnehmung lässt sich nicht abschalten, nicht im Alltag und nicht in der Krise. Im gesellschaftlichen Ernstfall können Unternehmen zeigen, in welchem Maß ihre kommunizierte Haltung mehr als nur ein Marketing-Tool ist. Dazu gehört eben auch, Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, Geschäftspartner fair zu behandeln und Verantwortung zu übernehmen. Die Grundsätze der Krisenkommunikation sind deshalb auch als Grundsätze der Alltagskommunikation wichtig und richtig. In der Krise jedoch werden ihr Wert und ihre Wichtigkeit noch einmal deutlicher.