"Unsere Kunden sind nicht mehr anonym"

17.02.2001 - Online-Händler MISCO setzt auf E-Mail-Dialog mit seinen Kunden.

Eine Hassliebe ist es, die die Marketer mit der E-Mail verbindet. Falsch angewendet verfügt der virtuelle Brief über ein Potenzial zur Imageschädigung wie kein anderes Werbemedium und wird doch landauf, landab als die "Verkörperung" des One-to-one im Online-Marketing betrachtet.

Doch die Lösung, die Permission-based-Philosophie oder die erlaubte Kunden-Kommunikation via E-Mail, ist in den USA eigentlich fast schon wieder ein alter Hut. Nun wird in unserem Land der Dichter und Denker alles Neue erstmal gründlich ausdiskutiert - manche aber sind damit schneller durch. Beim EDV-Versandhaus MISCO ist die Praxis angesagt.
Das Unternehmen in Langen ist eine Tochter des US-Computerhändlers Systemax. MISCO vertreibt Soft- und Hardware an Business-Kunden im deutschsprachigen Raum. Deutschlandweit wird monatlich ein Katalog mit einer Auflage von 400.000 Stück verschickt. Im Internet ist MISCO seit 1996 mit einem Online-Shop vertreten. Die Site wird von der Wiesbadener Agentur netpage gepflegt.
Nach Angaben von Tobias Fischer, Leiter Marketing Internet bei MISCO, verzeichnet der Internet-Auftritt monatlich 140.000 Visits. Der Online-Handel, sagt Fischer, mache bis zu 20 Prozent des Gesamtumsatzes aus.
Die Kommunikation mit dem Kunden erfolgt per Telefon-Hotline und E-Mail-Support. Wichtigstes Kontaktmedium ist jedoch der 14-täglich erscheinende Newsletter, der rund 60.000 Abonnenten verzeichnet. Dieser Infodienst erscheint seit Juli 2000, als netpage die Website relaunchte und erstmals ein inhouse entwickeltes E-Mail-Tool namens intelliMail in die Web- Präsenz integrierte, das im Outsourcing-Verfahren läuft.
Inhaltlich besteht der Newsletter praktisch nur aus Angeboten zum Direktverkauf. Das verwundert angesichts des Trends, E-Mail-Werbebotschaften, wenn möglich, durch einen Mehrwert anzureichern. Fischer verweist auf die Nutzerklientel von MISCO: Diese entstamme vorwiegend dem Bereich der Informationstechnologie und nutze das Internet schon lange. Sprich - die Kunden sind bereits ausreichend auf dem Sektor EDV informiert.
Doch wozu hat man einen Newsletter, wenn man ihn nicht auch zu Marketingzwecken nutzt? Virales Marketing zur Neukundengewinnung, an sich im Business-Bereich nicht unproblematisch, ist im Newsletter fest verankert. Fischer - "mein Lieblingsthema" - lässt den Einwand nicht gelten, dass es sich hier nicht um Endverbraucher handle: "Auch ein Business-Kunde ist ein Mensch. Jeder Newsletter, der versendet wird, wird von einem Menschen empfangen. Jeder Text, jedes Produkt richtet sich an diesen Menschen am anderen Ende."
MISCO verstärkt daher mit der Verlosung von Prämien die Möglichkeit, den Newsletter an Freunde oder (Geschäfts-)Bekannte zu empfehlen. "Meist geschieht dies in Kooperation mit einem namhaften Hersteller", sagt Fischer, "in der letzten Aktion war dies Intel". An der Kampagne im Oktober und November 2000 beteiligten sich etwa zwei Prozent aller registrierten User. MISCO verzeichnete etwa 1.800 Neuerwerbungen bei einer Umwandlungsrate von 15 bis 16 Prozent.
Der Versandhändler erzielt nach Eigenangaben durch das E-Mail-Marketing monatliche Zuwachsraten bei den User- und Umsatzzahlen von jeweils acht Prozent. Das mag auch mit der Ausrichtung des Newsletter auf erlaubtes One-to-one-Marketing zusammenhängen. "Confirmed opt-in" ist das Zauberwort, der Empfänger erhält erst auf ausdrückliche Anforderung die Bestätigung des Abos.
In jeder E-Mail besteht zudem die Möglichkeit des opt-out, des Abmeldens des Newsletter, oder die Änderung der Interessengebiete. Die setzen sich aus sechs Themenblöcken zusammen und umfassen unter anderem Verbrauchsmaterial, Hard- und Software oder Netzwerktechnik. Fischer: "Der Kunde definiert den Inhalt seiner Newsletter. Wir liefern hierfür nur die Themen. Je nach Auswahl der Interessengebiete definiert sich auch der Aufbau des Newsletter. So ist es möglich, dass ein Kunde einen Newsletter erhält, der nur 20 Textzeilen umfasst, sein Nachbar aber auf über 50 Zeilen kommt. Die nötigen Benutzerprofile stellen uns die Kunden durch diese Vorgehensweise selbst."
Vom Permission-based-Marketing möchte Fischer jedenfalls nicht mehr lassen, nicht zuletzt auch aufgrund seiner EDV-orientierten Klientel: "Spam ist ein großes und wird ein noch viel größeres Problem." Fischer ist überzeugt, dass erst durch die Erlaubnis zum Dialog den Kunden Sicherheit und Vertrauen in eine seriöse Datenpflege vermittelt werden kann.
Für den Inhalt des Newsletter ist nicht Provider netpage, sondern ein Team bei MISCO zuständig, das per Webbrowser-Interface eine Verbindung zum intelliMail-Server aufrecht erhält. Auch der Faktor Zeit spielt eine Rolle: "Hinter jedem PC sitzt ein Mensch, der nur eine gewisse Menge an Informationen verarbeiten kann. Wird diese Menge durch weitere Newsletter erreicht, werden wir den Kunden nicht noch zusätzlich mit unseren Informationen belasten oder überlasten. Seine Reaktion wäre sonst, unseren Newsletter zu ignorieren."
Gestalterisch gibt sich MISCO bescheiden: Formatierungen sucht man vergebens, Text dominiert. Dies ist eine Folge fehlender Standards, die jedem Web-Programmierer und -Designer ein Dorn im Auge sind. Nach einer Untersuchung von mediaoffice.net sind nur ein Viertel der rund 150 deutschsprachigen Newsletter grafisch aufgepeppt. Grund ist nicht zuletzt die Unsicherheit über die Darstellung des Newsletter beim Empfänger.
Der eigentliche Versand erfolgt über intelliMail, die den Inhalt automatisiert mit einer personalisierten Anrede versieht und die Inhalte den jeweiligen Interessen entsprechend ein- und ausblendet. Auch die Auswertung erfolgt über das E-Mail-System. Fischer: "Step by Step erfolgt zunächst die Auswertung der Klicks auf die Produkte, dann wird der Abverkauf analysiert. Außerdem wird geprüft, wie viele Neueinträge durch den Newsletter generiert wurden. Wichtig ist auch, ob der Newsletter eine Auswirkung auf eine erhöhte Anzahl von Abmeldungen hatte."
Einmal mehr zeigt sich hier die absolute Notwendigkeit, die Interessen des Kunden ständig genauestens zu überprüfen. In diesem Zusammenhang kann Marketing via E-Mail auch künftig nur ein Bestandteil der Gesamtkommunikation mit dem Konsumenten sein, sagt Michael Weiß, Mitglied der netpage-Geschäftsführung: "Die E-Mail ist der interaktive Informationsträger, der den Empfänger auf die Internetseite führt. Die Optik HTML- formatierter E-Mails kann hier- bei sicher als Verstärker wirken, entscheidend ist aber der Nutzwert des Gesamtangebotes. Noch gestern waren die E-Mail-Newsletter in Deutschland etwas Besonderes, morgen werden sie selbstverständlich sein. Spätestens dann gilt es, das E-Mail-Marketing in eine Gesamtstrategie zu integrieren."
MISCO scheint diesbezüglich seine Hausaufgaben gemacht zu haben: "Zuhause bestimmt jeder Konsument eigenständig durch eine Vorab-Selektion, was er lesen möchte und was nicht. Wieso nicht auch im Internet? Die Konsumenten werden dies lernen. Das Unternehmen, das dies nicht erkennt, wird langfristig stagnieren", betont Fischer und führt das Nichtinteresse auf Unwissenheit zurück. "Das E-Mail-Marketing gestaltet sich leichter, als man denkt. Unsere Kunden sind jedenfalls nicht mehr anonym." mac

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