15.01.1999 - Dialogmarketing für Markenartikler?
Absatzstarke Markenartikler ziehen sich gewöhnlich schnell auf die Position zurück, die individuelle Kommunikation und somit das Dialogmarketing sei angesichts von mehreren Millionen Kunden nicht sinnvoll - und schon gar nicht bezahlbar. Statt dessen sorgen klassische Werbemaßnahmen, ergänzt durch Promotions am Point of Sale, für Image und Umsatz.
Doch es tut sich etwas: Langsam, aber sicher wagen auch die Großen den Dialog mit ihren Kunden. Zum Beispiel Henkel. Der Düsseldorfer Konzern hatte 1996 das Hamburger Traditionsunternehmen Schwarzkopf übernommen und avancierte damit im Bereich Haarkosmetik zum Marktführer. Unter dem Label POLY-Hair-Club hatte Henkel bereits ab Anfang der 80er Jahre versucht, Kunden an die Marke zu binden. Der Club war aber Beginn der 90er Jahre eingeschlafen.
Gemeinsam mit Schwarzkopf rückte Henkel die Kundenbindung wieder stärker in den Vordergrund. Im Mai 1997 initiierte Schwarzkopf & Henkel das Women´s Net. 80.000 Adressatinnen erhalten seitdem viermal im Jahr ein Magazin, zweimal jährlich finden Workshops statt. Nach der Testphase hat sich Women´s Net mittlerweile konsolidiert.
ONEtoONE sprach mit Uta Landt, Projektleiterin Women´s Net und Produktmanagerin Styling, Bernd Bunje, Produktmanager Colorationen, und Janine Arnold, Corporate Communications, über Sinn, Zweck und Erfolg des Women´s Net.
ONEtoONE: Warum haben Sie Women´s Net gegründet?
Uta Landt: Wir haben schon früher mit unserer Verbraucherhotline oder mit Internet-Auftritten für einzelne Produkte diverse Dialoginstrumente genutzt, aber es war doch mehr ein "Einweg-Dialog" - nicht wir sind mit den Kunden in Kontakt getreten, sondern wir haben dem Kunden lediglich die Möglichkeit gegeben, mit uns in Kontakt zu treten. Diese Erkenntnis war eigentlich die Geburt von Women´s Net. Damit haben wir ein Vehikel gefunden, den Kundendialog aktiv zu gestalten.
OtO: Welches Ziel verfolgen Sie mit Women´s Net?
Landt: Wir wollen unsere Kunden besser kennenlernen. Wir wollen wissen, welche Produkte der Kunde benutzt und warum er sie benutzt. Wir wollen ihn verstehen und aus den Informationen, die wir von ihm bekommen, die optimalen Produkte für seine Bedürfnisse entwickeln.
OtO: Welchen Nutzen zieht Schwarzkopf & Henkel aus Women´s Net?
Landt: Wir können die Verbraucher aufgrund des Datenmaterials gezielt nach bestimmten Punkten befragen. Wir haben den Multiplikatoreffekt: Leute, die mit Women´s Net zufrieden sind, erzählen es weiter - das bindet die Verbraucher an unsere Produkte. Damit haben wir verstärkte added values für unser Marketing. Wir haben einen positiven Image-Effekt für Schwarzkopf & Henkel, und wir können eigene Marktforschung betreiben, das ist teilweise eine Art Frühwarnsystem für eventuelle Trendänderungen am Markt.
OtO: Wie treten Sie mit den Kunden in Dialog?
Landt: Kernstück ist das Women´s Net Magazin. Darin finden sich redaktionelle Beiträge zu unseren Produkten, Hintergrundinformationen oder Tips zur Produktanwendung - also Infos, die weder durch die klassische Kommunikation noch durch die Rückseiteninformationen auf den Produkten kommuniziert werden. Wir wollen natürlich mit dem Magazin auch den Dialog anregen, wir fordern die Frauen zum Beispiel auf, uns zu bestimmten Themen zu schreiben.
OtO: Und wie sehen die Response-Quoten aus?
Landt: Wir haben mit einem Pool von 80.000 Adressen angefangen.
OtO: Selbst generiert oder gekauft?
Landt: Zugekauft haben wir gar nicht. Teilweise kommen die Adressen aus dem alten POLY-Hair-Club, teilweise aus der Verbraucherhotline oder aus Gewinnspielen. Es handelt sich ausschließlich um Leute, die schon mal mit uns in Kontakt getreten sind. Und diese Leute haben wir gefragt, ob sie Interesse an dem Women´s Net Magazin haben: Es haben uns über 20.000 Frauen zurückgeschrieben, die zudem an einer Fragebogenaktion teilgenommen haben.
OtO: Wird das Magazin inhouse bei Ihnen erarbeitet?
Landt: Nein, die Kölner Agentur Brandit macht Graphik und Text. Wir geben den Input. Gemeinsam mit dem gesamten Produktmanagement klären wir hausintern, welche Fragen die Produktmanager an die Verbraucher haben. Da gibt es ja zum Beispiel Drei-Wetter-Taft, sie kennen sicherlich den alten TV-Spot. Wir haben im Magazin die Verbraucherinnen gefragt: "Wie stellen Sie sich die Drei-Wetter-Taft-Frau der Zukunft vor?" Oder nehmen wir FA - da haben wir gefragt: "Wie finden Sie die Blondine, die durch die Karibik schwimmt? Haben Sie etwas dagegen", oder: "Wie würden Sie die FA-Welt darstellen?" So etwas bekommt man über Marktforschungs-Tools nicht heraus.
Bunje: Wir hatten im letzten Jahr zum Beispiel eine Coloration, die es bereits im Ausland gab und die auf dem deutschen Markt eingeführt werden sollte. Wir wollten im Vorwege wissen, wie das Produkt in Deutschland ankommt. Wir haben dann entsprechende Daten aus dem Women´s Net Pool selektiert, die Zielgruppe angerufen und dann das Produkt und den Fragebogen verschickt. Die Response-Quoten liegen bei solchen Aktionen um die 80 Prozent, außerdem schaffen sie Zeitvorteile. Für uns ist das ein gu-tes Mafo-Instrument.
OtO: Was hat die Verbraucherin vom Women´s Net?
Landt: Sie kriegt Informationen, Tips und Problemlösungen. Sie kann sich aktiv einbringen und mitgestalten. Sie kann an kostenlosen Work-shops teilnehmen, und sie bekommt exklusive Serviceangebote. Women´s Net hat in der Vergangenheit zum Beispiel einen Shop geboten, in dem wir Women´s-Net-gebrandete Produkte wie Jogginghosen oder Ringe verkauft haben. Da haben wir aber sehr schnell gemerkt, daß die Verbraucher das nicht wollten. Women´s Net bietet jetzt u.a. ein Seminar mit "Der Maske", einer Visagistenschule in Köln. Dort bekommen die Verbraucherinnen professionelle Beratung über ihr individuelles Styling. Außerdem gab es Kooperationen mit ausgesuchten Wellness-Hotels in Österreich, wo die Leute zu günstigeren Konditionen Urlaub machen konnten. Und so haben wir immer verschiedene Angebote.
OtO: Versuchen Sie auch über andere Kanäle, zum Beispiel über Beilagen oder Response-Anzeigen, Adressen zu generieren?
Landt: Unser Ziel ist es nicht, möglichst viele Adressen zu bekommen. Unser Ziel ist, die interessierten Frauen zu bekommen, solche, die Lust haben, mit uns zusammenzuarbeiten. Es ist alles schön und macht Spaß, aber es kostet auch eine Menge Geld, und wir möchten natürlich auch einen Output für uns davon haben. Women´s Net ist ja kein Kundenclub, wo das Ziel ist, möglichst Millionen Magazine durch die Republik zu schicken. Dazu sind die Magazine zu hochwertig und zu teuer. Wir wollen wirklich eine Art exklusiven Kreis bilden.
OtO: Und das rechnet sich...?
Landt: Wie rechnet sich Werbung...?
Wenn man einen solchen Draht zu den Verbrauchern aufbaut, dann ist das auf Kontaktbasis umgerechnet sicherlich teuer. Wenn man aber den Nutzen sieht und dann wirklich das optimale Produkt findet, das sich am Markt später doppelt so gut verkauft, hat man natürlich einen Vorteil.
Arnold: Es hat auch etwas mit dem Image und mit dem Anspruch als Marktführer in der Haarkosmetik zu tun. Da muß man natürlich erst mal in Vorlage treten und Signale setzen. Es ist eine Investition in unsere Zukunft. Da sofort zu fragen "Was bringt es uns?" halte ich für absolut verfrüht.
Bunje: Zumal man das nach zwei Jahren noch gar nicht abschließend bewerten kann. Das muß sich langfristig entwickeln. Die Interaktion mit dem Kunden kann man nicht nach einem halben Jahr in einer Steigerung der Absatzzahlen messen.
Arnold: Ich sehe Women´s Net auch als einen weiteren Baustein, um uns vom Wettbewerb zu differenzieren.
OtO: Betreiben Sie Cross Selling, indem Sie zum Beispiel Ihren Women´s Net-Mitgliedern sagen: Benutzt doch für eure Wäsche Persil?
Landt: Nein, wir bleiben in unserer kosmetischen Welt.
OtO: Im Prinzip haben Sie sich, gemessen an Ihrer Gesamtkundenzahl, einen vergleichsweise kleinen Pool aufgebaut, aber Sie können wohl kaum individuelle Kommunikation mit Ihrem gesamten Kundenstamm betreiben. Arnold: Es geht uns nicht um die Masse, es geht darum herauszufiltern, wer wirklich interessiert ist. Wir müssen natürlich auch schauen, daß wir unsere manpower am Bedarf orientieren, daß der Aufwand überschaubar bleibt und für den Kunden immer noch der Dialog möglich ist.
Women´s Net eröffnet uns ja große Möglichkeiten allein dadurch, daß wir nicht auf einen Produktbereich beschränkt sind. Wir können Women´s Net für jedes unserer Produkte nutzen, es ist nicht fixiert und dadurch multioptional einsetzbar.
Landt: Letztlich ist Women´s Net eine win-win-Situation für beide Seiten.
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