14.07.2000 - Der E-Mail-Service GMX verfügt über fünf Millionen Nutzerprofile
Kostenloser E-Mail-Service gegen persönliche Daten lautet, kurz gefasst, die Geschäftsidee von GMX in München. Und die hat sich als gut erwiesen: Über fünf Millionen Mitglieder verzeichnen die Münchner heute.
Wer sich für den werbefinanzierten E-Mail-Service von GMX als Nutzer registrieren will, muss einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen. 95 Prozent der Fragen müssen beantwortet werden, lediglich Angaben zu Geburtstag, Geburtsmonat, Ausbildung und Einkommenshöhe sind optional. Laut GMX-Vorstand Eric Dolatre geben aber rund 17 Prozent der Nutzer sogar Angaben zum Haushaltsnettoeinkommen freiwillig an GMX weiter. Zusätzlich enthält der Fragebogen freiwillige Angaben zu Internetnutzung, Hobbies und Interessen. Mit Hilfe der Angaben erstellt GMX Benutzerprofile, anhand derer die Werbekunden ohne Streuverluste ihre Zielgruppe erreichen können.
Nun liegt natürlich nahe, dass der gemeine User den Fragebogen nicht wahrheitsgemäß beantwortet. Während andere Freemail-Anbieter damit werben, dass sie zumindest jede Adresse nachprüfen, werden bei GMX lediglich Stichproben gemacht. Bei derzeit täglich 16.000 bis 17.000 Neuregistrierungen im deutschsprachigen Raum ist das kaum anders praktikabel. Dolatre hat eine eigenwillige, aber durchaus plausible Argumentation, wenn es um die Ehrlichkeit der GMX-Nutzer geht: "Wir kommunizieren den Mitgliedern: Je genauer und aktueller ihr euer Profil haltet, desto weniger Werbung seht ihr. Und: Ihr bekommt nur noch die Werbung, die euch auch interessiert. Beispiel: Du bist 23 Jahre alt, Single und Student, dich interessiert wahrscheinlich keine Windelwerbung. Das verstehen die Nutzer und deswegen machen nur rund fünf Prozent der Mitglieder falsche Angaben."
Lenins Worte "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" kommen jetzt allerdings auch bei GMX zur Anwendung: Derzeit sind zwei Adress-Check-Programme im Beta-Test, die künftig die Korrektheit der Adressdaten prüfen sollen.
Die GMX-Mitglieder sind offensichtlich nicht nur freigiebig, was ihre Daten betrifft, sondern auch unbesorgt, was mit ihren E-Mails geschieht - weniger als zehn Prozent der GMX-Mitglieder nutzen den SecureServer, der die E-Mails und Daten so verschlüsselt, dass Unbefugte nicht darauf zugreifen können. Trotzdem genießt GMX das Vertrauen seiner Mitglieder: Über 85 Prozent der neuen Mitglieder werden über Mund-zu-Mund-Propaganda generiert. Apropos Vertrauen: GMX legt großen Wert auf die Feststellung, dass die Userdaten weder verkauft noch vermietet werden - alles andere zerstöre das Vertrauensverhältnis zwischen GMX und seinen Nutzern.
Aber die Daten sind natürlich die Basis fürs Geschäft: Da sich die Mitglieder von GMX anhand der Profile in fein selektierte Zielgruppen aufschlüsseln lassen, ist die Plattform für Unternehmen vieler Branchen interessant. Anhand der Profile können auch konkrete Produkte angeboten werden. So wird im GMX-Fragebogen beispielsweise nach der Computerausstattung des Nutzers gefragt - für Hardware-Anbieter ein willkommener Anlass, gezielt zu werben. Der TKP liegt ohne Selektionen bei 40 Mark pro 1.000 AdImpressions. Bei zwei Selektionskriterien, also zum Beispiel "Männlich, unter 35", liegt der TKP bei 70 Mark, bis zu vier Kriterien kosten 90 Mark.
Demnächst bietet GMX, was Dolatre als "Wunschtraum eines jeden Mediaplaners" bezeichnet: Da GMX weiß, wer sich wann wo auf ihrer Website befindet, weiß man auch, wie oft ein User ein bestimmtes Banner bereits gesehen hat, ohne es anzuklicken. Eine neue Funktion des GMX-Adservers ermöglicht es künftig, nach einer festgelegten Anzahl von Kontakten ein neues Banner-Motiv zu schalten. Hat ein User zum Beispiel das Banner nach dreimaligem Sehen immer noch nicht angeklickt, wird ein neues eingeblendet. Außerdem rechnet GMX nur solche Banner ab, die mindestens fünf Sekunden online waren. Damit wird verhindert, dass die Werbungtreibenden auch für solche Banner zahlen, die sich beim schnellen Durchklicken gar nicht erst grafisch aufbauen.
Über das Licensing-Angebot von GMX können Unternehmen auch selbst als Freemailer auftreten. So bietet zum Beispiel Burger King den Besuchern seiner Website einen kostenlosen E-Mail-Zugang an, GMX selbst bleibt als Betreiber im Hintergrund. Günstiger wird es, wenn ein Unternehmen die "powered by"-Variante wählt, dann tritt das Unternehmen zwar immer noch als Freemail-Anbieter auf, muss aber das Logo und eben den Hinweis "Powered by GMX" platzieren. Bei beiden Modellen sorgt GMX für die komplette Abwicklung, Logistik und das Hosting. Neben dem Licensing bieten die Münchner auch Outsourcing-Lösungen und übernehmen für Unternehmen E-Mail- und Kommunikationslösungen.
Der Freemail-Anbieter GMX hat im Mai seinen groß angekündigten Börsengang verschoben. ONEtoONE hat GMX-Vorstand Eric Dolatre nach den Gründen gefragt:
ONEtoONE: Warum ist GMX nicht wie geplant an die Börse gegangen? Eric Dolatre: Aufgrund der schlechten Marktsituation. In der Woche, in der wir starten wollten, gab es die ersten Katastrophenmeldungen aus dem Internet. Unsere Investoren-Community hat uns geraten, den Gang an die Börse zu verschieben.
OtO: Wie viel hat Sie die Verschiebung des Börsengangs gekostet?
Dolatre: Es hat uns viel gekostet. Ich bitte um Verzeihung, aber ich werde keine konkreten Zahlen nennen. OtO: Allein Ihre Marketingkampagne dürfte sehr kostspielig gewesen sein. Dolatre: Ja. Die war im Printbereich sehr aufwändig. Im TV war sie Gott sei Dank nicht so aufwändig, wir hatten nur in n-tv geschaltet, der finanzielle Einsatz in diesem Teilbereich hielt sich also in Grenzen. Aber die gesamte Kampagne sollte nicht nur möglichst viele Aktien verkaufen, sondern auch einen Effekt auf unsere Markenbildung erzielen. Dies ist uns gelungen. OtO: Wann erfolgt der Börsengang denn nun?
Dolatre: Innerhalb der nächsten 18 Monate. Wir wollen uns jetzt nicht verbindlich festlegen. OtO: Durch den verschobenen Börsengang fehlt Ihnen Kapital. Beeinflusst das die geplante internationale Expansion? Dolatre: Nein, überhaupt nicht! Die Ziele, die wir für den Börsengang angestrebt hatten, werden wir jetzt über andere Finanzierungsmaßnahmen angehen. Wir wollen in den nächsten zwei, drei Jahren zu Europas meist frequentierter Seite werden.
Unternehmen: GMX AG, München Verfügbare Sprachen und Domains: Türkei, Italien, Frankreich, Großbritannien, Österreich, Schweiz, Spanien
Mitarbeiter: 80
Umsatz 1999: 6,5 Millionen Mark
Umsatzziel 2000: 30 Millionen Mark
Gründung: 1997
Beteiligung: United Internet (64,88 Prozent)
Vorstand: Karsten Schramm, Vorstandsvorsitzender; Eric Dolatre, Vorstand Marketing, Vertrieb, International Business; Peter Köhnkow, Vorstand Technik und Support; Hermann Meysel, Vorstand Finanzen, Personal und Administration;
Leistungsportfolio: E-Mail- und Messaging-Lösungen, Licensing, Outsourcing, Marktforschung Zielgruppen: Endverbraucher und Geschäftskunden
Mitglieder: über 5 Millionen Internet-User
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