Spezialisierung ist gefragt!

28.01.2002 - Für Web-Agenturen ist eine klare Positionierung jetzt überlebenswichtig

Von der Wirtschaftsflaute bleibt kaum eine Branche verschont - aber manche trifft sie eben besonders hart. So hatten die Multimedia-Agenturen in letzter Zeit nur wenig Grund zur Freude. Restrukturierungsprogramme prägten im vergangenen Jahr das Geschäft manches Web-Dienstleisters. Nicht immer mit Erfolg. Es häuften sich die Meldungen über Massenentlassungen, Standortschließungen und Insolvenzen. ONEtoONE hat sich in der Branche nach einem Ausweg aus der Multimedia-Misere erkundigt.

Spätestens seit der spektakulären Pleite der einstigen Vorzeige-Agentur Kabel New Media mussten auch hartgesottene New-Economy-Fans einsehen, dass sich die Multimedia-Branche gründlich verzettelt hatte. Kurze Zeit später dann das Ende der Hamburger PopNet, die bis dahin ebenfalls nicht gerade mit Bescheidenheit geglänzt und für so ziemlich jede Dienstleistung eigene Units gegründet hatte. Immerhin weilt Pixelpark, seines finanzstarken Investors Bertelsmann sei Dank, noch unter uns - allerdings mit stark reduzierter Mannschaft und gekürztem Dienstleistungsportfolio. Glücklich kann sich auch die Wiesbadener Concept schätzen. Nachdem sie im vergangenen Jahr ebenfalls tüchtig sparen musste, ist sie unlängst unter das Dach von OgilvyOne geschlüpft. Böse Zungen bezeichnen dies als einen "Sechser im Lotto mit Zusatzzahl", schließlich verfüge Concept dank des Börsengangs noch über ausreichend liquide Mittel und nutze nun die Gelegenheit, das Geld in die Privatkasse zu überführen. Doch das sind nur Spekulationen.

Wie steht es aber um die noch existierenden, eigenständigen Agenturen? Wie können sie sich behaupten - und vor allem die Gewinnzone erreichen?
"Es ist wichtig, sich als Dienstleister klar zu positionieren", sagt SinnerSchrader-Chef Matthias Schrader. Und der muss es wissen, schließlich haben sich die Hamburger inzwischen einen Namen als E-Commerce-Dienstleister gemacht - und melden als eine der wenigen Interactive-Agenturen selbst für das Krisenjahr 2001 ein Umsatzplus von 36 Prozent. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Hamburger ihren Schwerpunkt nicht auf die Erstellung bloßer Image- und Entertainment-Portale legen, sondern auf komplizierte Backend-Systeme setzen - und das Medium Internet somit zum lukrativen Vertriebskanal machen.

"Wenn man Websites konzipiert, die nur Entertainment bieten, ist es schwieriger, einen Kunden zu halten. Solche Services sind eher verzichtbar. Besser ist es, wenn das Internet für den Kunden ein Vertriebskanal ist, durch den er Geld verdienen kann", so Schrader. Kreativität und Design dürften nicht Selbstzweck sein, sondern müssten in komplexe technische Lösungen integriert werden. Schrader: "Bei uns hängt Kreativität mit der Usability zusammen. Man muss sich immer die Frage stellen: Was will ich mit der Kreation eigentlich erreichen?"
Auch bei WWL schwört man wieder vermehrt auf nutzenorientierte Online-Services. Dafür ist aber entsprechendes IT-Know-how gefragt. Nach Ansicht von WWL-Vorstand Werner Kuno Loechle kommt es heute auf komplexe Web-basierte Technologien an, mit denen Shop-Systeme und Portale realisiert werden können. "Wir werden eine Migration in Richtung anspruchsvoller Technologien, also weg vom Frontend, erleben", so Loechle.
Für die Realisierung von Shop-Systemen sei zwar auch Beratung erforderlich, dennoch dürfte sie nicht überbewertet werden - dafür seien schließlich die Bergers und McKinseys dieser Welt zuständig. Deshalb gilt also: "Man darf seine Kernkompetenzen nicht aus den Augen verlieren!"
Nach Auffassung von Loechle ist es zudem sinnvoll, sich auf Branchen zu spezialisieren. So hat WWL selbst mit den Kunden Quelle.de und Yves Rocher den Handel fokussiert. Loechle: "Wenn man Systemlösungen entwirft, muss man schließlich auch die Geschäftsprozesse kennen."

Mit einer klaren Positionierung wollen sich auch die Münchner argonauten über Wasser halten. Rainer Wiedmann, Chef der argonauten und Präsident des Deutschen Multimedia Verbandes dmmv: "Wir haben unseren Fokus schon seit Jahren auf B-to-C gerichtet, hier besteht derzeit auch eine enorme Nachfrage. Außerdem haben wir erkannt, dass es besser ist, nicht jede Innovation mitzumachen." Die einst so übermütige Multimedia-Branche ist offenbar vorsichtiger geworden.

Mit Optimismus blickt dmmv-Geschäftsführer Alexander Felsenberg in die Zukunft: "Der Internetmarkt entwickelt sich kontinuierlich weiter, wir haben ein wachsendes Auftragsvolumen." Somit haben die Interactive-Agenturen also ihre Existenzberechtigung. Um aber auch in die Sphären der Profitabilität zu gelangen, müssten die Agenturen sich vor allem IT- und Spezialwissen aneignen. "Es muss Zeit bleiben für die Weiterbildung der Mitarbeiter", so Felsenberg. Anbindung an Backend-Systeme, Navigation, Multimedia-Gestaltung - dies seien heute die Ansprüche an die Interactive-Agenturen. Und dazu benötigt man eben Technologie-Wissen, denn: "Wir machen mit IT Medien!"
In der "Konzentration auf technologische Spitzenkompetenzen" sieht auch DDV-Präsident Prof. Bernd Kracke einen Weg aus der Multimedia-Krise. Dabei sei es wichtig, auch den Mobile- und Telekommunikationsbereich zu integrieren. Insbesondere die kleineren Agenturen müssten, um sich weiter am Markt behaupten zu können, verstärkt auf Kooperationen mit anderen Spezialdienstleistern setzen. Kracke: "Strategische Allianzen bieten die einzige Überlebens-Chance." Trotz aller Perspektiven geht er davon aus, dass der Markt der Interactive-Agenturen noch weiter schrumpfen wird.

Fazit: Die Konsolidierungsphase ist noch in vollem Gange, doch hoffnungslos ist die Lage keinesfalls. Mit der Erstellung hübscher Homepages allein ist es nicht mehr getan, der Nutzen komplexer Online-Services steht immerhin außer Frage. Es gibt also noch viel zu tun für die Multimedia-Agenturen. Nun ist Umdenken angesagt - und Umstrukturieren. sam

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