20.03.2000 - ciao.com, nach eigenen Angaben nach dem Zusammenschluss mit amiro.de die größte Meinungs-Community Europas, lässt Leute mit Meinung kräftig verdienen.
Eine Mark pro Meinung bekommt der User, der seine Ansicht zu einem Produkt abgibt. Wird sein Statement überdies von vielen weiteren ciao.com-Mitgliedern gelesen, kann der User zusätzlich verdienen. Doch was steckt dahinter, wer hat eine Meinung und wer bezahlt sie? Wer hat Interesse an den Meinungen? Fragen, die ONEtoONE Franziska Deecke, der Pressereferentin von ciao.com, gestellt hat.ONEtoONE: Wie viele Mitglieder hat ciao.com derzeit? Franziska Deecke: www.ciao.com hat aktuell 40.000 Mitglieder, www. amiro.de hat 25.000 Mitglieder. Nach der Fusion von ciao.com mit amiro.de hat das neue gemeinsame Unternehmen, die ciao.com AG, also etwa 60.000 Mitglieder bei rund 5.000 erwarteten Doppel-Mitgliedschaften. Die Integration beider Meinungs-Portale zur neuen www.ciao.com findet noch im Frühjahr diesen Jahres statt.
OtO: Was wissen Sie über das Profil Ihrer User?
Deecke: Im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung sind die Internet-User ja grundsätzlich besser ausgebildet und in der Tendenz nach wie vor etwas jünger. Das trifft auch bei ciao.com zu. Weiterhin handelt es sich um sehr engagierte Internet-User, die aktiv ihre Meinung schreiben. Eine genau soziodemographische Analyse unserer User gibt es nicht.
OtO: Gibt es konkrete Daten über die Alterstruktur der User?
Deecke: Kerngruppe sind die 20- bis 30-Jährigen. Wir sehen mit Freude, dass auch immer mehr deutlich ältere User bei ciao.com ihre Erfahrungen abgeben.
OtO: Wie viele Besucher zählt die ciao-Seite im Durchschnitt täglich ?
Deecke: ciao.com und amiro.de haben zusammen rund 250.000 Page Impressions am Tag.
OtO: Zu welchen Themen werden die meisten Statements abgegeben ?
Deecke: Entertainment und Medien, Elektronik, Foto, Computer und Services.
OtO: Wie kontrollieren Sie, ob sich ein User nur einmal anmeldet oder einfach zigfach unter verschiedenen ciao-Namen ?
Deecke: Durch Vergleich der E-Mail-Adressen und Kontonummern.
OtO: Wo sehen Sie den Vorteil gegenüber der klassischen Marktforschung ?
Deecke: Es geht ja bei ciao.com um den konkreten Erfahrungsaustausch unter Konsumenten. Dabei profitieren die User von den bereits gesammelten Erfahrungen anderer User. Dies lässt sich in Zukunft auch für die Marktforschung nutzen: Hersteller können von den Erfahrungen der User mit ihren Produkten Rückschlüsse für die weitere Produktentwicklung ziehen. In der klassischen Marktforschung ist das in diesem Umfang (Anzahl User, Zeit) und dieser Präzision nicht möglich und außerdem extrem teuer.
OtO: Werden auch spezielle Themen lanciert, zu denen die User ihre Meinungen äußern können?
Deecke: Ja, User können neue Themen lancieren, indem sie uns Anregungen und Feedback geben. Die Redaktion nimmt dann die neuen Themen auf, wenn sie in das ciao-Umfeld passen. Beispielsweise ist ein aktuelles Thema die Sendung Big Brother. Interessanterweise tippen unsere User richtig, wer als nächstes die Sendung verlassen muss!
OtO: Wie reagieren Unternehmen und Agenturen auf ciao.com? Gehört ciao.com bereits zum Mediaplan?
Deecke: Ja, die Resonanz ist sehr positiv, denn die User der ciao.com-Site sind sehr interessiert und konsumstark.
OtO: Wann soll ciao.com schwarze Zahlen schreiben?
Deecke: In circa zwei Jahren, das heißt Anfang 2002.
Traditionelle Marktforscher reagieren naturgemäß skeptisch auf die bezahlte Meinungsmache via Internet. Bei den Marktforschungsspezialisten von IPSOS Deutschland bedauert man zunächst, dass man von ciao.com, amiro.de und all den anderen Meinungsmachern im Internet noch nichts gehört habe - ein Versäumnis, welches man kurzfristig beheben wolle. Aber grundsätzlich meint Daniel Scholz, bei IPSOS zuständig für Internet-, Automobil- und B-to-B-Marktforschung, sei der Incentive-Aspekt, der ja sehr im Vordergrund stehe, ein großes Problem. Denn je mehr Meinungen ein User vertritt, desto mehr Geld bekommt er gutgeschrieben. Also heiße das Motto für den User, um jeden Preis eine Meinung zu haben - egal ob nun qualifiziert oder nicht. Und dies sei nicht nachzuvollziehen, denn keiner könne wissen, ob jener User, der unter dem Namen GESHA 08 seine Meinung zum Kurvenverhalten eines Ferraris bei 240 Stundenkilometern abgibt, jemals in einem Ferrari gesessen habe.
Und daraus ergibt sich dann die Frage, ob eine Verwendung solcher Meinungen für Marketingzwecke sinnvoll ist. Können Unternehmen, deren Produkte schließlich bewertet werden, aus den Meinungen Schlüsse ziehen und sich strategisch danach ausrichten? Leider konnten wir bis Redaktionsschluss keine Statements der Firmen erhalten, über die bei ciao.com am meisten Meinungen abgegeben werden. Was allerdings - zumindest offiziell - nicht daran liegt, dass man grundsätzlich keine Auskunft gibt, sondern eher daran, dass die Plattform in den Firmen noch nicht bekannt ist.
Fazit ist also, dass ciao.com noch einen weiten Weg vor sich hat. Zumal man sich in Zukunft durch Bannerwerbung finanzieren will. Abzuwarten bleibt dann, inwieweit die Themen von den werbungtreibenden Unternehmen vorformuliert und ob zu gegebener Zeit auch kritische Meinungen zu beworbenen Produkten veröffentlicht werden. Eines aber ist sicher: Plattformen wie ciao.com bieten einen angenehmen Nebenverdienst für Leute, die sich gern öffentlich mitteilen, sie bieten eine lukrative Möglichkeit einem "Club" beizutreten (was den Deutschen eigentlich ja sehr entgegen kommt) und sind äußerst kurzweilig (mal sehen, was Lieschen Müller so meint). Bislang allerdings fehlt die klare Positionierung für die, die den Spaß hinterher finanzieren sollen - nämlich die Unternehmen. cb
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