20.06.2000 - Wehe dem ambitionierten Durchstarter! Häme und Spott sind ihm sicher. Die Deutsche Post bietet jedenfalls genügend Angriffsfläche aufgrund ihrer diversen Vorrechte und Monopole im Briefdienst.
Kritisiert wird u.a. das zu hohe Porto für Standardbriefe. Das muss die Post so sehr gewurmt haben, dass sie eine Studie bei Research Services International in Auftrag gab. Überraschendes Ergebnis: Die Post hat nach Eigenangaben ungerechtfertigterweise Prügel bezogen.
Die Forscher kritisieren die bisherigen Vergleiche nationaler Portotarife, die sich auf absolute Werte stützen würden. Länderspezifische Faktoren wie Fläche des Landes, Haushaltsdichte, Anteil der Einwohner ohne Zustellung (zum Beispiel auf den Nordseeinseln), Sendungsmenge je Haushalt, Betriebskosten für Filialen oder Personal- und Treibstoffkosten würden nur unzulänglich berücksichtigt werden. Selbst die notwendigen Stopps zur Briefkastenentleerung sind nicht ohne Bedeutung, sagen die Forscher.
Tatsächlich beschränkt sich aber die Post-Studie dann doch nur auf bestimmte Elemente wie Leistungs-äquivalenz, Fahrt- und Personalkosten, Einkommen und nationale Kaufkraft. Der Rest sei nicht zu verwerten aufgrund mangelnden Daten-Inputs. Als Vergleichsländer kamen nur die EU und andere Industriestaaten in Frage. Was bei der Post das Format "Standard" ist, trägt in anderen Ländern Zusätze, die von "priority", "express" und "urgente" (spanisch für eilig) reichen, beziehungsweise - mit britischer Arroganz - "First Class" und sonst nichts. Der Verdacht, hier gebe sich die Post bewusst bescheiden, erfüllt sich jedoch nicht: Die Konkurrenz kann anscheinend nur in den Express- und Priority-Klassen die Quote der Post erreichen, wonach 95 Prozent der Standard-Briefe nur einen Tag für die Zustellung benötigen.
Ist das Porto von 1,10 Mark gerechtfertigt? Ja, sagt die Post und verweist auf die Zahlen. Demnach kostet es in den USA mehr als sechs Mark, einen Brief innerhalb von 24 Stunden zuzustellen. Allerdings sind Briten und Franzosen billiger als die Post. Die Studie berücksichtigt zudem die Arbeitskosten auf der Grundlage von internationalen Zahlen. Hier allerdings geht die Übersicht verloren: "Ein Arbeiter aus dem verarbeitenden Gewerbe muss in Griechenland für den oben genannten Tarif 32 Minuten arbeiten, ein deutscher Arbeiter hingegen nur 2,5 Minuten." Alles klar? Fazit: Guter Ansatz, wirre Umsetzung. Der Vergleich der absoluten Werte nationaler Portotarife wirkt wie der Versuch, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
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