"Die Engländer machen tolle Werbung&#8220

18.04.2000 - Wembley-Fair bringt Direktmarketing und Neue Medien zusammen

Von Mathew P. H. Davis

"Die Engländer machen tolle Werbung." Den Satz höre ich hier in Deutschland immer wieder. Ich gebe zu, dass ich ihn gern höre. Deshalb bin ich auch nach Wembley zur International Direct Marketing Fair, IDMF 2000, gefahren, um herauszufinden, ob das Prädikat "toll" auch derzeit für die englischen Direktmarketer gilt. Es ist schon offensichtlich, wenn man ins Messegewühl eintaucht: Direktmarketing hat in England Hochkonjunktur. Laut Colin Lloyd, Vorsitzender der britischen Direct Marketing Association (DMA), verdiente die DM-Branche 1998 circa 8,5 Milliarden britische Pfund - das entspricht rund 28 Milliarden Mark. In Deutschland betrugen die Aufwendungen für Direktmarketing 1998 zwar 37 Milliarden Mark, rechnet man aber den DM-Aufwand pro Einwohner, überflügelt das englische DM Deutschland um mehr als sechs Prozent. Und: Das britische Direktmarketing wächst schneller - England weist im Vergleich zu 1997 ein Wachstum von circa 15 Prozent auf, Deutschland von 10,5 Prozent.

Doch zurück zur Messe: Seit 22 Jahren trifft Fachmann und -frau sich jetzt schon gern in Wembley. Die Messe wächst rasant. Dieses Jahr präsentierten sich mehr als 360 Aussteller über 14.000 Besuchern aus aller Welt. Doch nicht nur Quantitäten unterstreichen die Bedeutung der Messe auf dem internationalen Kalender für Direktmarketing-Veranstaltungen. Die Deutschen sollten schon allein deshalb kommen, weil die Messe in der Wembley Arena an ein unvergessenes Fußballspiel erinnert. (Ja, genau, es geht um den glorreichen Sieg Englands gegen Deutschland bei der Weltmeisterschaft 1966 und ja, es war ein Tor. Fragen Sie jeden der überlebenden Spieler der englischen Mannschaft!)

Die Wembley-Arena hat zweifelsfrei eine bedeutungsvollere Aura als Wiesbaden. Die Engländer planen, im nächsten Jahr in Londons neuestes Ausstellungszentrum ExCeL zu ziehen. So lassen sich in den Royal Docks vis à vis des Millennium Domes noch mehr Aussteller und Besucher unterbringen. Gleichzeitig soll das Format erweitert werden. Mit vier Messen, die gleichzeitig laufen: Internationale Messe für Direktmarketing, für Marketing mit neuen Medien, für Marketing IT sowie die TelecommerceExpo.

Die Messe nutzt nicht umsonst das Adjektiv international. Der relativ große Anteil an ausländischen Besuchern und Austellern ist bemerkenswert. Frankreich war vertreten, Belgien, Irland und die USA. Die Deutschen natürlich auch. So traf ich einige vertraute Gesichter bei AZ Bertelsmann, Schober, meiller, te Neues und der Deutschen Post. Die Besucher der IDMF wählen jedes Jahr den "New Product Award". Diesmal ging er an das "Bereavement Register", zu deutsch die Trauer-Liste von The READ Group Ltd. Diese Liste gibt alle Todesfälle an und dient dem Abgleich mit anderen Listen. Mich beeindruckte das Bemühen neuer Aussteller, auf den Direktmarketing-Zug zu springen. So zeigte zum Beispiel die Firma Ultralite Video aus Australien eine federleichte Video-Kassette, die portotechnisch nicht mehr ins Gewicht fällt.

Die Seminare haben mich hingegen nicht überzeugt. Es gab eine ein-drucksvolle Sammlung von Rednern, einschließlich Herschell Gordon Lewis, Dennis Hatch, Judith Donovan (Vorsitzende der DMA) und Peter Varlow (Leiter Marketing für neue Medien bei der Britischen Touristenbehörde). Doch die wirklichen Fachleute beschlich das Gefühl, dass die Seminarthemen eher für Besucher bestimmt seien, die mit der Branche noch nicht so vertraut sind.

Was sind die größten Trends im englischen Direktmarketing? Customer-Relationship-Marketing? CRM ist im Trend. Aber im Gegensatz zu Deutschland war CRM nie der Mega-Trend. Und er flaut auch schon wieder ab. Der Grund? CRM hat in England keine wirklich innovative Qualität. Schließlich war Kundenbindung schon immer wichtig. Schließlich hat es für Beziehungsmanagement schon viele Begriffe wie zum Beispiel One-to-one gegeben. Und schließlich sind die guten Konzepte schon längst verwirklicht worden. Das liegt auch an den Gesetzesbedingungen. So weiß man aufgrund anderer Datenschutzregelungen in England über seine Kunden mehr und kann außerdem mit ordentlichen Treue-Rabatten oder anderen Mehrwerten stichhaltige Argumente für eine langfristige Beziehung bieten.

Die lauteste und intensivste Diskussion dreht sich um "Direktmarketing mit Neuen Medien". Die IDMF 2000 war die erste Messe in Europa, die ihren Schwerpunkt darauf gelegt hat, Direktmarketer und Anbieter Neuer Medien zusammenzubringen. Allein über 50 Aussteller sind einzig mit dem Ziel gekommen, diesen Schulterschluss zu festigen: Eine bunte Mischung aus Online-Media-Planern, Internet-Verlegern und Software-Anbietern mit elektronischen Lösungen für virtuelle Gemeinschaften, One-Stop-Shops, E-Business, Internet-Adressenverzeichnissen, Such-Maschinen und Spielen im Gepäck.

Die englische Frage von gestern: "Ist jetzt die Zeit gekommen, um traditionelle Instrumente aufzugeben und vor allem Direct Mail in Frieden ruhen zu lassen?" Diese Frage wird verständlich, wenn man die Aufregung rund um die Neuen Medien spürt und einige ihrer fantastischen Möglichkeiten auf architektonisch innovativen Ständen vorgeführt bekommt. Auch die statistischen Zahlen irritieren die Traditionalisten. Denn im Gegensatz zu einem Gesamtwachstum aller Instrumente von 15 Prozent bringen es die Neuen Medien auf 34 Prozent. Doch wer gibt schon das liebgewonnene Mailing her? "Erst alt und neu ist integriert" lautet deshalb die Antwort von heute. Der Beweis: Viele elektronische Handelsunternehmen haben natürlich auch in England versucht, zum Zuge zu kommen - mit geringem Erfolg.

Die kürzlich durchgeführten Kampagnen für AOL, Egg und Marbles jedoch brachten die großen Erfolge. Und genau diese Kampagnen funktionierten - im Gegensatz zu reinen Internet-Aktionen der anderen - integriert: Erst führt DRTV zu möglichst schnellen Site-Besuchen, dann kommt es im Internet zu den schönsten Dialogen, dort wird auch die gute alte Postadresse genannt und schon folgt das Mailing mit der gedruckten Gebrauchsanleitung. Oder umgekehrt. Und dieses Zusammenspiel macht dann den wirklich traditionellen Instrumenten Druck: der klassischen Werbung. Alles in allem sollten Sie sich die IDMF 2001 vom 13. bis zum 15. März vormerken. Die Organisatoren versprechen eine unvergessliche Veranstaltung. Und in vielerlei Hinsicht ist Direktmarketing in England wirklich toll. Die Kreation ist einfach unterhaltsamer - inspirierender, lauter und selbstbewusster. Würde ich als Engländer sagen.

Mathew Davis ist Gesellschafter und Berater bei DNS Agentur für direkte Markenkommunikation in Hamburg. md@dns-hamburg.de

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