Jagd auf Headhunter eröffnet

07.02.2000 - Das geflügelte Wort sagt: "Das Kapital eines Unternehmens sind seine Mitarbeiter."

Von Thomas Rieche
Das geflügelte Wort sagt: "Das Kapital eines Unternehmens sind seine Mitarbeiter." So ist es nicht selten, dass der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern eine umfangreiche Aus- und Fortbildung finanziert. Zweifellos geschieht dies nicht uneigennützig, denn der Arbeitgeber möchte sich die erworbenen Kenntnisse seines Arbeitnehmers nutzbar machen. Dieses Interesse auf Amortisation der in Mitarbeiter investierten Ausbildungkosten kollidiert indes oft mit den durch die Aus- oder Fortbildung eröffneten neuen beruflichen Perspektiven der Mitarbeiter. Um so gefährdeter ist das Amortisationsinteresse des Arbeitgebers, wenn die veränderten beruflichen Perspektiven des Arbeitnehmers von außen - und hier spielen Headhunter eine entscheidende Rolle - hervorgerufen oder geschürt werden.

Dem Schutzbedürfnis des Arbeitgebers Rechnung tragend erließ das Landgericht Heilbronn ein bemerkenswert weitgehendes Urteil. So verurteilte das Gericht sowohl den Headhunter wie auch seinen Auftraggeber im Wege der einstweiligen Anordnung zur Unterlassung von telefonischen Versuchen zur Abwerbung von Mitarbeitern eines Unternehmens über deren Telefonanlage und erklärte darüber hinaus diese Abwerbungsversuche für wettbewerbswidrig.

Dem Urteil zugrunde lag der Versuch eines Headhunters im Auftrag eines anderen Unternehmens, einen Arbeitnehmer abzuwerben und für das Auftragsunternehmen zu gewinnen. Als dieser Arbeitnehmer dem Headhunter erklärte, an einem Arbeitsplatz in der Region aus familiären Gründen nicht interessiert zu sein, bat der Headhunter den Arbeitnehmer, seine Adresse, Telefonnummer und E-Mail-Adresse an weitere interessierte Kollegen weiterzugeben. Gerade dieser Umstand bewog das Gericht, eine besondere Verwerflichkeit und Sittenwidrigkeit des Abwerbeversuches des Head-hunters zu erkennen.

Grundsätzlich, so führt das Gericht aus, stellt die Abwerbung von Arbeitskräften keinen Wettbewerbsverstoß dar und ist zulässig. Die Grenze der Wettbewerbswidrigkeit werde aber überschritten, wenn die Abwerbeversuche nachhaltig und wiederholt stattfinden oder sonstige besondere Umstände hinzutreten. Diese besonderen Umstände sah das Gericht darin, dass der Head-hunter den Arbeitnehmer, den er persönlich nicht kannte und der selbst kein Interesse an dem Angebot hatte, versuchte, dazu zu bewegen, kollusiv auf andere Kollegen im Betrieb einzuwirken, mit dem Ziel, den bisherigen Arbeitsplatz aufzugeben und einen neuen bei dem Auftraggeberunternehmen des Headhunters zu begründen. Dies stelle nach Auffassung des Gerichts eine schwerwiegende Störung der Arbeitsabläufe dar und untergrabe darüber hinaus die Loyalität der Belegschaft. Des Weiteren sah das Gericht in dem festgestellten Abwerbeversuch einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Unternehmens, da über die betriebseigene Telefonanlage dieser Abwerbeversuch unternommen wurde. Diese Eigentumsstörung müsse sich ein Unternehmen nicht gefallen lassen und könne daher sowohl vom Headhunter wie von derem Auftraggeber ein Unterlassen verlangen.

So theoretisch interessant dieses Urteil ist, so gewinnt es für die Praxis nur dadurch Relevanz, dass der angesprochene Mitarbeiter den Abwerbeversuch gegenüber seinem Arbeitgeber offen legte. Nur durch dessen Zeugenaussage vor Gericht konnten die Störer ermittelt und der Vorwurf belegt werden. Der Arbeitgeber ist daher auf die Mithilfe des Mitarbeiters für ein entschiedenes Vorgehen gegen Headhunter und deren Auftraggeber dringend angewiesen. Ist diese Kooperation gesichert, muss dem Arbeitgeber zur Vermeidung von wiederholten Abwerbeversuchen ein entschiedenes Vorgehen - wie der Arbeitgeber im oben dargelegten Fall es getan hat - dringend angeraten werden. Häufig erfährt jedoch der Arbeitgeber von den Abwerbeversuchen der Headhunter nichts. Das bedeutet aber nicht, dass sein Sicherungsbedürfnis auf der Strecke bleibt. Der Arbeitgeber kann vielmehr eine Bindung seiner Mitarbeiter durch Rückzahlungsvereinbarungen für Ausbildungskosten gewährleisten.

Diese nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich zulässigen Vereinbarungen sehen vor, dass der Arbeitnehmer eine bestimmte Mindestdauer nach Abschluss der Ausbildung im bestehenden Arbeitsverhältnis zu verbleiben hat oder andernfalls dem Arbeitgeber die Ausbildungskosten, regelmäßig gestaffelt nach Zeitabschnitten, zu erstatten hat.

Bei der konkreten Formulierung der Rückzahlungsvereinbarung ist allerdings Vorsicht geboten, denn sie sind nur insoweit zulässig, als sie dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und bei Ablegung aller Umstände unter Berücksichtigung von Treu und Glauben dem Arbeitnehmer zumutbar sind. Bei der inhaltlichen Gestaltung ist besondere Sorgfalt auf die Formulierung des Beendigungsgrundes für das Arbeitsverhältnis zu verwenden. Zulässig sind nur solche Beendigungsgründe, die allein in die Sphäre des Arbeitnehmers fallen. Kündigt der Arbeitgeber zum Beispiel betriebsbedingt, kann er keine Rückzahlung der Ausbildungskosten vom Arbeitnehmer verlangen, da der Arbeitnehmer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht veranlasst hat.

Auch sollte der Fall berücksichtigt werden, dass der wechselwillige Arbeitnehmer etwa durch fortgesetztes arbeitsvertragswidriges Verhalten den Arbeitgeber förmlich zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst. Der Ausbildungskostenrückzahlungsanspruch des Arbeitgebers hängt in diesen Fällen von der Sorgfältigkeit der Ausgestaltung der Vereinbarung ab. Es zeigt sich daher, dass dem Arbeitgeber gegen den Verlust seiner teuer geschätzten Mitarbeiter sowohl im Hinblick auf Abwerbungsversuche von außen, wie auch eigenmotivierten Arbeitsplatzwechsel ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung steht. Allein nutzen muss er es.

Thomas Rieche ist Sozius der Hamburger Kanzlei Reuther & Schaefer, Tel. 0 40/38 60 85-0

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