germany.net: "Das Netz ist eben durch und durch demokratisch&#8220

18.02.1999 - Im Auto ist es der Griff zum Lautstärkeregler, in der heimischen TV-Stube der Gang zum Kühlschrank. Was aber tun, um der Werbeflut im Internet zu entgehen?

Mit dieser Frage hat sich die Siemens AG beschäftigt und bietet seit wenigen Wochen ein Filterprogramm an, das Werbung aus den Websites entfernt und sich WebWasher nennt.Das Zusatzprogramm für den Browser wird von Siemens allen nichtkommerziellen Anwendern zum kostenlosen Download angeboten; für kommerzielle Anwender gilt ein 30-Tage-"Try and Buy"-Angebot. Der WebWasher, der ein Speichervolumen von unter 1 MB beansprucht, spart laut Hersteller "bis zu 45 Prozent Bandbreite im Netzwerk", kann u.a. "Pop-up-Fenster ausfiltern" und ermögliche so "schnelles Surfen ohne Ballast".

Während sich erste Anwender begeistert zeigten (die von Siemens veröffentlichten Kommentare reichen von "prima" bis "danke für diese Software"), ist die Werbeindustrie über das Mittel zur schonungslosen Website-Buntwäsche weniger erfreut. Wobei der anfänglich vielerorts artikulierte Ärger inzwischen einer gelasseneren Stimmung gewichen ist und erste Gegenmittel entwickelt wurden. Dazu Stephan Kühler, Pressesprecher des werbefinanzierten und kostenlosen Frankfurter Online-Dienstes germany.net: "Kostenloses und werbefreies Surfen wird es bei germany.net auch künftig nicht geben. Denn auch bei deaktivierter Identifikation können wir den WebWasher sicher erkennen. Sollten wir feststellen, daß unsere User das Ding zunehmend nutzen, werden wir eben den Zugang zu germany.net für diese Anwender sperren. Die Werbung ist Grundlage unseres Angebotes; sie auf diesem Wege auszuschalten kommt praktisch dem Erschleichen einer Dienstleistung gleich." Weil der Web-Washer den gesamten Datenstrom des Users analysiert - alle Paßworte, Abfragen und Inhalte durchlaufen den Filter -, bietet sich laut germany.net "ein gefundenes Fressen für Datendiebe".

Hinzu kommt, daß der User die Identifikation des WebWashers deaktivieren kann. Damit wird den Online-Diensten die Möglichkeit genommen, zu entscheiden, ob sie einem User den Zugang gestatten. Bevor man aber direkt gegen User vorgeht, attackiert germany.net den ungeliebten Filter mit technischen Waffen. Stephan Kühler: "Indem wir ein Web-Angebot einfach auf "Secure http", umstellen, machen wir den WebWasher praktisch unbrauchbar. Außerdem kann man ihn mit Java, JavaScript und Shockwave umgehen. Schlußendlich wird die Netzgemeinde entscheiden, ob sie das Produkt akzeptiert. Und das wird sie nicht tun, wenn wir unter Umständen den Zugriff auf werbefinanzierte Informationen verweigern könnnen. Das Netz ist eben durch und durch demokratisch." Weil ONEtoONE-Redakteure ebenfalls demokratischen Grundsätzen folgen, wurde auch die Siemens AG um eine Stellungnahme gebeten. In deren Pressestelle sieht man das Produkt aus einer offensichtlich missionarischen Warte: "Wir wollen nur, daß die richtige Werbung die richtigen Leute erreicht." Wer von uns will das nicht?

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