29.07.1999 - Michael Reuther über die bevorstehende Abschaffung des Rabattgesetzes
Nochmals von Anfang an und diesmal vielleicht bis zum Ende: Der Zugabeverordnung und dem Rabattgesetz, jenen 1932 und 1933 ins Deutsche Reich gesetzten Vorschriften zur Rettung des Mittelstands und des Verbrauchers, soll es an den Kragen gehen.
Die Polygram will ihre CD im Direct Marketing mit Eröffnungsangeboten und Treueprämien unters musikalische Volk bringen, so wie sie es im übrigen Euroland zu tun pflegt. Scheiterte aber schon Lands´ End an der angeblichen "Zugabe" lebenslanger Garantie (vergleiche unsere Mitteilung an dieser Stelle), dann sieht sich auch Polygram den Mißtönen ausgesetzt, die die besagten Gesetze zu bieten haben. Anders jedoch als dem amerikanischen Anbieter bietet sich dem Europäer eine Handhabe, über den deutschen Schutzwall zu klettern: Man wendet sich an die EU-Kommission und bringt eine Beschwerde an. Im März 1998 hatte bereits der Kommissar Monti namens der Kommission eine Anfrage des britischen Abgeordneten Cassidy nach dem Verbot "gewisser Arten von Absatzförderungsmaßnahmen wie Preisnachlaßgutscheine und Preiserstattungsangebote des Herstellers" beantwortet: "Es ist nicht zu leugnen, daß eine solche Regelung (RabattG und ZugabeVO) - der in der Gemeinschaft nichts Gleichartiges gegenübersteht - mit der Logik des Binnenmarktes nicht im Einklang stehen könnte."
Sodann beschloß die Kommission die Einleitung eines formellen Verfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland und forderte die Bundesregierung auf, zu Sinn und Zweck der beiden Gesetzeswerke Stellung zu nehmen.
Die neue Bundesregierung reichte in diesem Jahr eine Stellungnahme ein, die von der Kommission als - wen wundert´s - "not satisfactory" beurteilt wurde. Also reicht die EU-Kommission nun Klage gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof ein, mit dem Ziel, den freien Dienstleistungsverkehr nicht durch die "sehr strengen Regelungen für Preisnachlässe und Zugaben" (Monti) zu behindern.
Die Klagebegründung, soweit sie bislang veröffentlicht ist, mutet freilich etwas hingebogen an. Es wird damit argumentiert, daß dem außerdeutschen Unternehmen der Marktzutritt verwehrt werde, während deutsche Unternehmen "per definitionem" in Deutschland bereits etabliert seien und deshalb Vertriebswege und eine Kundenbasis ihr eigen nennen dürften. Schön wär´s, wird sich mancher Jungunternehmer sagen, dem die Möglichkeit, den Europäischen Gerichtshof mit so einer Begründung anzurufen, versagt ist. Aber Ungleichbehandlung hin oder her: Als die beiden Gesetze geschaffen wurden, dachte der damalige Gesetzgeber nur an eine vorübergehende Maßnahme, um Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise entgegenzutreten. Und heute noch ist es der Reichswirtschaftsminister, der nach § 17 RabattG für die Durchführungsbestimmungen verantwortlich ist. Was also liegt näher, als daß es die europäischen Institutionen sind, wo die Musik spielt.
"Da capo al fine," rufen wir dem Gericht zu, schneidet uns mit dem Barbier von Sevilla auf den Lippen die alten Zöpfe ab, denn unsere heimischen Politiker schaffen gerade noch die Fünfprozent-Hürde, an den drei Prozent des Rabattgesetzes sind sie gescheitert.
Michael Reuther ist Sozius der Hamburger Kanzlei Reuther & Schaefer
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